Liebe Leserin, lieber Leser,
neulich hatte ich ein Aha-Erlebnis: Ich unterhielt mich mit einem sehr guten, ziemlich reichen Freund darüber, dass eine unter Geldnot leidende Freundin bald das Haus ihrer Eltern verkaufen könne. Eine Million Euro würde ihr das einbringen. Ich sagte erleichtert: „Damit ist sie alle Sorgen los.“ Woraufhin der Freund erwiderte: „Quatsch, damit kommt man doch nicht aus!“
Eine Million Euro fühlen sich angesichts eines bestimmten Lebensstils offenbar an wie ein Fliegenschiss. Was dazu führt, jeglichen Bezug zur Lebensrealität des größten Teils der Bevölkerung zu verlieren – selbst wenn es sich um enge Freund:innen handelt. Hätte der Freund „nur“ eine Million, er bekäme Existenzangst. So weit meine Küchenpsychologie. Tiefer in das Thema eingestiegen sind wir in unserem Schwerpunkt „Armes reiches Hamburg“. Dafür haben wir unter anderem mit einer Ungleichheitsforscherin gesprochen. Das erhellende Interview finden Sie hier.
Erschütternd ist die Geschichte hinter den „Möllner Briefen“: 1992 zündeten Neonazis ein Haus an, in dem eine türkische Familie lebte. Drei Menschen starben in den Flammen. İbrahim Arslan überlebte schwer traumatisiert. Erst 2017 erfuhr er, dass Hunderte Menschen Solidaritätsbriefe an die Überlebenden geschrieben hatten. Allein: Die meisten Briefe wurden ihnen nie ausgehändigt. In diesem Monat startet der sehr sehenswerte Dokumentarfilm „Die Möllner Briefe“ im Kino.
Zum Glück haben wir immer auch positive Geschichten im Magazin. Wie zum Beispiel über die Pop-up-WG von Studierenden in einem leer stehenden Bürogebäude in der Hamburger City. Das Projekt des Architektur-Kollektivs „Von wegen leer“ zeigt damit, wie Wohnraum nicht nur für Studierende geschaffen werden könnte – ohne dass es Millionen dafür braucht.
Nun wünsche ich auch Ihnen Aha-Erlebnisse – bei der Lektüre!
Ihre Annette Woywode
Redaktion





