Coronavirus : Obdachlose bekommen in Hamburg kaum mehr Hilfen

Einige Tagesaufenthaltsstätten wie die MahlZeit in Altona mussten ihren Betrieb inzwischen komplett einstellen. Foto: BELA

Das Coronavirus trifft Hamburgs Obdachlose hart: Die meisten Hilfseinrichtungen haben die Türen geschlossen, sogar die medizinische Hilfe ist eingeschränkt. Immerhin können derzeit noch abgepackte Lebensmittel ausgegeben werden.

Hinz&Kunzt Randnotizen

Freitags informieren wir per Mail über die Nachrichten der Woche:

Die beste Nachricht für Obdachlose ist derzeit wohl die gute Wetteraussicht. Denn Schutz vor Regen und extremer Kälte bietet in Hamburg ab sofort keine einzige Tagesaufenthaltsstätte mehr. Die TAS in der Bundesstraße, das Herz As und die Bahnhofsmission kommunizieren mit den Besucher*innen nur noch telefonisch oder am Eingang in Schutzkleidung, wenn diese vorhanden ist. „Wir sind da bereits im Gespräch mit den verantwortlichen Stellen, denn da haben wir jetzt einen besonderen Bedarf“, sagt eine Sprecherin der hoffnungsorte hamburg, die unter anderem die Bahnhofsmission und die Tagesaufenthaltstätte Herz As betreiben.

Lunchpakete statt Essensausgabe

Weil Essensausgaben zur Eindämmung der Viruserkrankung schließen mussten, haben jetzt mehrere Einrichtungen ihr Angebot umgestellt. Folgende Einrichtungen geben aktuell Lunchpakete an Obdachlose aus: Herz As am Hauptbahnhof, CaFée mit Herz auf St. Pauli (hier gibt es auch noch ein warmes Mittagessen „to go“), die TAS in Eimsbüttel und die Kemenate, ein Tagestreff für obdachlose Frauen. Das Ziel sei, den Obdachlosen so lange wie möglich Hilfe zu bieten.

Auch die Nutzung der Postanschrift und Geldverwaltung für Obdachlose halten diese Einrichtungen aufrecht. Die Alimaus auf St. Pauli, die MahlZeit in Altona und die Tagesaufenthaltsstätte Hinrichsenstraße wurden hingegen geschlossen.

Hinz&Kunzt fordert
„Wir brauchen eine professionelle Corona-Koordinierungsstelle“
Hinz&Kunzt macht sich Sorgen um die Versorgung von Obdachlosen und Wohnungslosen. „Obdachlose gehören in der Regel zur Risikogruppe. Sie brauchen dringend Schutz“, sagt Geschäftsführer Jörn Sturm.

Der Kältebus, ein Projekt der Alimaus, hat wiederum ab sofort eine neue Funktion: Mit ihm werden keine Obdachlosen mehr in Notunterkünfte transportiert. Stattdessen versorgt ein neues Team jetzt tagsüber Obdachlose im Stadtgebiet mit Lunchpaketen.

Mitternachtsbus pausiert für mindestens zwei Wochen

Mitte der Woche wird auch der Stützpunkt der Caritas schließen, in dem Obdachlose ihre Sachen lagern können. Der Mitternachtsbus der Diakonie wiederum hat bereits den Betrieb eingestellt.

300 Obdachlose in Quarantäne
Winternotprogramm
300 Obdachlose in Quarantäne
Im Winternotprogramm gibt es einen ersten Corona-Fall: Etwa 300 Obdachlose werden in der Unterkunft an der Friesenstraße auf Anordnung des Gesundheitsamts für 14 Tage unter häusliche Isolation gestellt.

Die medizinische Notversorgung bleibt bislang erhalten: So hat zwar das Zahnmobil aufgrund von Personalmangel den Betrieb eingestellt. Die Krankenstube für Obdachlose hingegen bleibt offen. Obdachlose, die dort aktuell untergebracht sind, werden weiterhin versorgt. Neuaufnahmen sind nur sehr eingeschränkt möglich. Auch das Krankenmobil ist noch im Einsatz. Allerdings ist unklar, ob weiterhin noch genug medizinisches Personal bereit für den Einsatz ist. Für die meisten Projekte, die auf ehrenamtliche Unterstützung setzen, gilt: viele Helfer*innen sind im Rentenalter oder kurz davor. Sie gehören somit zur Risikogruppe.

Ein Problem, vor dem auch die Hamburger Tafel steht. Deswegen sammeln die Tafeln zum Schutz ihrer Ehrenamtlichen zwar keine frischen Lebensmittel bei den Supermärkten ein, gibt aber noch Konserven an Bedürftige aus. Am „Gabenzaun“ am Hauptbahnhof wiederum gibt es nicht mehr wie üblich täglich eine warme Mahlzeit. „Niemandem ist damit geholfen, wenn wir zur Verbreitung beitragen statt die Ausbreitung einzudämmen“, hieß es. Und auch im Duschbus konnten sich Obdachlose am Samstag vorerst zum letzten Mal waschen.

„Niemandem ist damit geholfen, wenn wir zur Verbreitung beitragen statt die Ausbreitung einzudämmen.“– Gabenzaun via Facebook

In der Sozialbehörde wird derweil offenbar an einer Lösung des Problems gearbeitet. Man ist laut dem Behördensprecher „mit einzelnen Akteuren“ darüber im Gespräch, „wie unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen Angebote gemacht werden können beziehungsweise wie bestehende Strukturen dahingehend angepasst werden können, dass sie eine geeignete Unterstützung darstellen.“

Hier finden Sie bislang den einzigen Überblick, welche Einrichtungen noch offen sind und wer welche Hilfsangebote unterbreitet.

Autor:in
Benjamin Laufer
Benjamin Laufer
Seit 2012 bei Hinz&Kunzt. Redakteur und CvD Digitales.
Jonas Füllner
Jonas Füllner
Studium der Germanistik und Sozialwissenschaft an der Universität Hamburg. Seit 2013 bei Hinz&Kunzt - erst als Volontär und inzwischen als angestellter Redakteur.

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