UWE : Keine Untergangsmelodien

Fürs Covershooting keine Mühen gescheut: UWE auf der Uwe. Foto: Henning Rogge

Die Hamburger Musiker der Band UWE überraschen mit aufwendigen Inszenierungen und Texten, bei denen sich das Zuhören lohnt.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Hamburger Musiker:innen und versunkene Schiffe – irgendwie gibt es da eine zärtliche Verbindung: Udo Lindenberg verewigte das Passagierschiff „Andrea Doria“ in einem seiner bekanntesten Lieder, Superpunk besangen das berüchtigte Schlachtschiff „Die Bismarck“ und Freddy Quinn weinte in „Versunkene Träume“ gleich all den vergessenen Wracks nach, die auf dem Meeresboden liegen. Allein in der Nordsee sollen es 10.000 sein.

Und dann gibt es Schiffstrümmer wie die „Uwe“. Gut sichtbar ragt das Heck des Binnenschiffs vor Blankenese aus der Elbe. 1975 krachte die Uwe im dichten Nebel mit einem anderen Schiff zusammen und zerbarst in
zwei Teile. Der Schiffsführer rettete sich mit einem Sprung ins Wasser. Das Wrack wurde gehoben und verschrottet. Nur das zu schwere Heck ließ man im seichten Wasser liegen – bis heute.

Als die Uwe kenterte, waren die beiden Hamburger Musiker Uwe und sein Kollege Jansen (die beiden treten nie mit ihren Nachnamen in Erscheinung) noch nicht geboren, beide sind Anfang 40. Sie hörten erst von dem fotogenen Wrack, als sie nach einem guten Artwork für ihr Debütalbum Ausschau hielten. Der Name ihrer Band: UWE. „Man könnte denken, wir hätten den Schriftzug für das Cover gefälscht und womöglich auch alles andere“, sagt Uwe, der singt und die Texte schreibt. Mit „alles andere“ meint der 42-Jährige das Motiv, das es schließlich aufs Cover schaffte: Die beiden Bandmitglieder posieren pittoresk auf dem Wrack. Zweimal sind sie vor Ort gewesen, bis alles im Kasten war. Einmal gab es Komplikationen: „Wir haben den Gezeitenkalender falsch gelesen“, sagt Uwe und lacht. „Erst haben wir überlegt, ob wir abbrechen müssen, weil Flut war. Wir haben uns dann aber entschieden, zur Uwe zu schwimmen.“ Ihre Klamotten packten sie
in eine Ikea-Tasche und hielten sie über Wasser.

UWE singen auf Deutsch. Das klingt mal selbstironisch wie im Anti-Jugendwahn-Song „Endlich alt“, in dem es heißt: „Bügel dein Hemd, zerknüll die Jeans / pfeif dir noch was rein gegen die Hypotonie“. Im Lied „Politisch korrekt sein“ irritiert hingegen die Textzeile „Bald machen wir aus Menschen wieder Lampenschirme“. Hat er das wirklich gesungen? „Ja, dass es so was Schreckliches gegeben hat, muss man sich mal bewusst machen“, sagt Uwe. 1941 hatten Nazis im Konzentrationslager Buchenwald das
Unvorstellbare getan: aus der Haut ermordeter Menschen einen Lampenschirm hergestellt – als perverses
„Partygeschenk“ für eine Nazigröße. Das Lied will die Band als eine „wütende und trotzige Reaktion auf den derzeitigen Rechtsruck“ verstanden wissen. „Die Texte sind wichtig für uns. Sie sollen immer eine gewisse Haltung haben“, sagt Uwe.

Auch aufs Visuelle legt die Band viel Wert: Ihr Video zum Song „Junge Milliardäre“ verbreitete sich 2020
rasant im Netz. Der umstrittene Tech-Unternehmer Elon Musk tänzelt darin herum und bewegt die Lippen – als künstlich generiertes Deep Fake. Bei den Internationalen Kurzfilmtagen Oberhausen hat die Band dafür den Jurypreis als „Bestes Musikvideo“ abgesahnt. Dass UWE so viel Wert auf gute Optik legen, hat auch mit dem Hauptberuf von Sänger Uwe zu tun. Als Regisseur dreht er Musikvideos für bekannte Bands wie die „Beatsteaks“ und „Deichkind“. Die befreundete Hamburger Band hat zwar bislang kein Lied über ein versunkenes Schiff gemacht, dafür huldigen sie in ihrer Party-Hymne dem „Hovercraft“. Da ist sie wieder, diese zärt­liche Verbindung.

Artikel aus der Ausgabe:

Der Hitze ausgesetzt

Heiße Sommer sind für Obdachlose besonders gefährlich. Während andere Städte Sonnensegel aufhängen oder sogar Notunterkünfte eröffnen, hängt Hamburg beim Hitzeschutz hinterher. Außerdem: Warum Bettler zu unrecht aus der Innenstadt vertrieben werden und wie Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) ausreichend Wohnraum für alle schaffen will.

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Autor:in
Simone Deckner
Simone Deckner
Simone Deckner ist freie Journalistin mit den Schwerpunkten Kultur, Gesellschaft und Soziales. Seit 2011 arbeitet sie bei Hinz&Kunzt: sowohl online als auch fürs Heft.

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