Maybritt Schomanns Arbeitgeber hat Apartments für Auszubildende gebaut – in Zeiten des Fachkräfte- und Wohnungsmangels ein Modell, das Schule machen könnte.
Das Mietangebot war für sie „der entscheidende Punkt“, sagt Maybritt Schomann. 330 Euro warm für ein 15-Quadratmeter-Zimmer in einer Zweier-WG mitten in Hamburg: Wo gibt es das heute noch, zumal in einem Neubau? Vielleicht, erzählt die 19-Jährige, hätte sie sich auch ohne dieses Angebot für die Ausbildung bei der Hamburger Sparkasse entschieden. „Aber es wäre deutlich schwieriger geworden.“ Denn Maybritt Schomann kommt aus einem Dorf im Lübecker Umland. Und das hätte bedeutet: aufwendiges Pendeln, denn der Hamburger Wohnungsmarkt ist dicht.
Vergangenen August ist die künftige Bankkauffrau in das „Young Urban Living“ (YUL) gezogen, wie die Haspa das von ihr errichtete Apartmenthaus am Alsenplatz nennt. Ein halbes Jahr später sagt die Auszubildende: „Das Wohnen hier ist sehr entspannt und die Lage super.“ Mit ihrer Mitbewohnerin habe sie sich „zufälligerweise gesucht und gefunden“, die Stimmung im Haus sei gut. Im obersten Geschoss lädt ein großzügiger Gemeinschaftsraum zum Spielen oder Chillen ein, auf der Dachterrasse lässt es sich angenehm grillen mit Blick über die Dächer Altona-Nords.

144 junge Menschen leben in dem 22 Millionen Euro teuren Neubau in Zweier- oder Dreier-WGs. Rund ein Drittel lernen bei der Haspa, die anderen bei Unternehmen etwa aus der Gesundheits- oder Baubranche. Gibt es Probleme, mit der Technik oder beim Zusammenwohnen, hilft das Azubiwerk als Wohnheimbetreiber.
Firmen, die ihren Auszubildenden oder Angestellten Wohnraum bereitstellen oder vermitteln, sind die Ausnahme. Bundesweit unterstützt nur jedes 20. Unternehmen auf diese Weise seine Mitarbeitenden, so eine Studie im Auftrag des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung. Furcht vor dem organisatorischen und finanziellen Aufwand schrecke viele Firmen ab. Um das zu verändern, brauche es bei ihnen „ein Bewusstsein, dass Unterstützungsmaßnahmen beim Wohnen für Mitarbeitende ein langfristiges Investment in die Belegschaft sind“, heißt es in der Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW).
Dabei war es in früheren Zeiten durchaus üblich, dass Unternehmen Wohnraum für ihre Angestellten schafften – auch in Hamburg. Gut 2000 Wohnungen vermietet allein die Hochbahn an Mitarbeitende. Gebaut wurden sie vor allem in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg, so eine Sprecherin. Nach langer Pause sind vergangenes Jahr 34 Wohnungen in Barmbek-Süd hinzugekommen – „das erste Neubauprojekt nach 30 Jahren“. Weil die Stadt das Vorhaben gefördert hat, liege die Anfangsmiete bei 9,10 Euro kalt den Quadratmeter – und damit weit unter den knapp 22 Euro, die durchschnittlich für Neubau im Bezirk Nord gefordert werden. Gedacht seien die Wohnungen „vor allem für Familien“.
Auch andere Hamburger Firmen sorgen sich neuerdings um das Thema. So will das Bauunternehmen Otto Wulff auf seinem Gelände in Billstedt 165 Wohnungen errichten, vor allem für Mitarbeitende und Azubis. „Wir haben alle das gleiche Problem“, sagt Firmenchef Stefan Wulff: „Es wird immer schwieriger, Auszubildende zu finden. Und wenn wir Ausbildungsverträge abgeschlossen haben, kommen die Leute manchmal trotzdem nicht: weil sie nicht wissen, wo sie wohnen sollen.“ Vergangenes Jahr hätten aus diesem Grund drei junge Menschen noch vor dem Start ihrer Ausbildung wieder gekündigt.
Hamburg sei „eine hippe Stadt mit einem teuren Mietmarkt“, sagt Philipp Deschermeier vom Institut der Deutschen Wirtschaft, einer der Autor:innen der IW-Studie. „Wenn Unternehmen hier Wohnangebote machen können, ist das unfassbar wertvoll.“ Dafür müssten Arbeitgebende nicht zwingend bauen. Sie könnten auch Wohnraum anmieten oder Belegungsrechte für Wohnungen kaufen. Einen weiteren Weg zeigt im Umland die Psychiatrische Klinik Lüneburg auf: Sie hat ein Grundstück auf ihrem Gelände an die städtische Wohnungsbaugesellschaft verkauft, die darauf 26 Wohnungen errichtet hat. Der Clou: Für die kommenden 30 Jahre hat die Klinik die Belegungsrechte sicher – und weil sie Zuschüsse zahlt, liegen die Mieten deutlich unter dem Marktpreis.