Mit ihrem Gala-Konzert zum Hinz&Kunzt-Jubiläum verabschiedet sich die Band Schrottgrenze von der Bühne – um Kraft zu tanken für einen Aufbruch in neue Zeiten.
Es wird heftig glitzern im Uebel & Gefährlich: „Schrottgrenze“ auf der Bühne, Didine van der Platenvlotbrug als Conférencière … Das gab es doch schon mal! Wer im Oktober 2019 dabei war, als die Indie-Rock-Band im St. Pauli-Bunker mit Freund:innen ihr neues Album „Alles zerpflücken“ feierte, könnte an ein Déjà-vu glauben. Was Fans aber auch wissen: Mit Schrottgrenze kann jedes Mal ein erstes Mal sein.
Wir wären wahrscheinlich eine größere, bekanntere Band, wenn wir starrer bei einem Ding bleiben würden“, sagt Sängerin Saskia Lavaux und lächelt. „Aber das liegt uns halt nicht.“ Nicht, dass sie keine Ausdauer hätten. Transfrau Saskia, früher Sänger und Frontmann der Band, ist seit fast 30 Jahren bei Schrottgrenze, ebenso Gitarrist Timo Sauer. Dagegen sind die anderen neu: Bassist Hauke Röh kam 2015 dazu, Schlagzeuger Lars Watermann vor etwa drei Jahren.
Saskia und Timo sind zusammen groß geworden, auch musikalisch – das Gitarrespielen brachten sie sich gegenseitig bei. Sie waren 14, zwei Jungs aus der niedersächsischen Provinz, hörten Punk und träumten von etwas Großem, Wildem. 1995 erschien die erste Schrottgrenze-Platte mit dem Titel „Unehrlich, verlogen und stinkfaul“, kurz darauf startete die Band die erste Tour. Seitdem hat sie sich ständig gewandelt: vom Punk über melancholische Teen-Pop-Lyrik zum Indie-Rock mit antifaschistischer, inzwischen unüberhörbar queerfeministischer Haltung. Das gefällt nicht allen. Fans kamen und gingen – das sei völlig in Ordnung, sagen Timo und Saskia rückblickend. Es gab Jahre, da hatten sie selbst keinen Bock mehr auf Schrottgrenze.
„Als Band ist man schnell in dieser Mühle drin“, erklärt Saskia. „Im Winter Studio, dann Frühjahrskonzerte, Sommertour, Herbsttour, dann wieder ins Studio.“ Parallel dazu Proben, Planungen, Promo. „Das ist eine extrem neoliberale Arbeitshaltung in der Branche, die davon ausgeht, dass Musiker:innen alles machen, und das die ganze Zeit.“ Auch Timo erinnert sich: Besonders extrem seien die Jahre gewesen, in denen sie ausschließlich von ihrer Musik lebten und die Band zum Job wurde. „Erwachen, aufstehen, rausgehen, alles wieder aufdrehen, Synapsen rennen im Kreis …“, heißt es auf ihrer Platte „Schrottism“, die im Oktober 2007 erschien. 24 Konzerte spielten sie allein in jenen Herbstmonaten.