Meldungen: Politik und Soziales

(aus Hinz&Kunzt 204/Februar 2010)

Rechnungshof rügt Sozialbehörde
Der Rechnungshof erhebt laut Hamburger Abendblatt schwere Vorwürfe gegen die Sozialbehörde. Nach einem
Bericht, der in diesem Monat vorgestellt wird, beklagen die Prüfer Mängel bei der Jugendhilfe, speziell bei Abrechnungen, Qualitätskontrollen und der Steuerung des Systems. Die Behörde erklärte nur: „Wir äußern uns grundsätzlich nicht vor der Veröffentlichung von Berichten.“ Im Fall Lara hat der
Senat derweil beschlossen, alle Akten der Bürgerschaft vorzulegen. UJO

Altonaer wollen Ikea
Die Mehrheit ist deutlich: 77,2 Prozent aller abstimmenden Altonaer haben bei einem Bürgerentscheid für den Bau ­einer Ikea-Filiale an der Großen Bergstraße gestimmt, 22,8 Prozent dagegen. 43,5 Prozent der Wahlberechtigten ­nutzten ihr Mitbestimmungsrecht – das sind mehr als bei der Wahl zum Europaparlament. Nach Protesten hatten das Möbelhaus, Bezirk und Senat die Ansiedlung in Altona-Altstadt vom Ausgang des Bürgerentscheids abhängig ­gemacht. Weil Gegner des Projekts neue Fakten ausgemacht haben wollen, reichten sie im Januar Unterschriften für ­einen weiteren Bürgerentscheid ein. Ob ein zweites Mal in Altona abgestimmt werden wird, war bei Redaktionsschluss nicht entschieden. Ikea zeigte sich zuversichtlich, im ­Sommer mit den Bauarbeiten beginnen zu können. Man werde „in den nächsten Wochen verstärkt den Dialog insbe­sondere mit den Künstlern und Anwohnern suchen“. UJO

Gesucht: die Stadt für alle
Was macht eine Stadt lebenswert? Und wie können alle Bewohner in ihr Platz finden, auch die, die nicht so viel Geld in der Tasche haben? Antworten auf diese Fragen
suchen die Teilnehmer einer Konferenz, die die Arbeitsgemeinschaft Soziales Hamburg diesen Monat veranstaltet. Einer der Referenten ist der Stadtforscher und Geograf Professor Dr. Jürgen Oßenbrügge. Seine These: Der Senat hat es versäumt, in Zeiten des wirtschaftlichen Wachstums soziale Not zu bekämpfen. „Investiert wird vor allem in Prestigeprojekte wie die Hafencity, aber nicht zugunsten benachteiligter Gruppen.“ Wie sich die soziale Spaltung in Bereichen wie Wohnen, Bildung, Gesundheit oder Arbeit bemerkbar macht, werden Experten wie der Medizinsoziologe Waldemar Süß von der Universität Hamburg oder Tobias Behrens von Stattbau darstellen. Die Konferenz soll eine Debatte über soziale Spaltung eröffnen. HAN

Bewährungschance nach Überfall
Ein 16- und ein 17-Jähriger, die im Mai 2009 einen 52-jährigen Obdachlosen überfallen, geschlagen und ausgeraubt haben, bekommen eine Bewährungschance: Das Amtsgericht Harburg verurteilte sie zu einem dreimonatigen Anti-Aggressions-Training. UJO
Schlecker gerät unter Druck
Etappensieg für die Gewerkschaft verdi: Schlecker hat angekündigt, die Zusammenarbeit mit der hauseigenen Leiharbeitsfirma Meniar zu beenden. Vorangegangen war eine verdi-Kampagne gegen die Drogeriekette. Der Grund: Schlecker macht seit rund einem Jahr systematisch Filialen dicht und eröffnet dafür neue, in denen die Verkäuferinnen deutlich weniger verdienen. Laut verdi sollen Mitarbeiterinnen regelrecht genötigt worden sein, neue Arbeitsverträge abzuschließen. Schlecker beantwortete Hinz&Kunzt-Nachfragen bis Redaktionsschluss nicht.
Die Gewerkschaft kämpft weiter: „Es geht nicht nur um die 34.000 Arbeitsplätze bei Schlecker, sondern um das ­Geschwür Leiharbeit allgemein“, so Achim Neumann von verdi. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) kündigte an, „sehr genau die Entwicklungen in der Branche unter die Lupe zu nehmen“. Gewerkschaften fordern die Rücknahme einer Gesetzesänderung aus dem Jahr 2002, mit der die damalige rot-grüne Regierung die Schlechterstellung von Leiharbeitern möglich machte. UJO

Schutz für zwei Quartiere
In St. Georg soll spätestens im Juni eine „Veränderungssperre“ in Kraft treten, so die Stadtentwicklungsbehörde. Die Sperre erlaubt es dem Bezirk, Bauanträge mit Hinweis auf die geplante soziale Erhaltungsverordnung zurückzustellen. Ob eine Verordnung auch St. Pauli ­helfen kann, prüft der Bezirk noch. UJO

„In Gerechtigkeit investieren!“
Im Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung (EJ 2010) fordern die Nationale ­Armutskonferenz und das Diakonische Werk Hamburg (DW): „Es muss endlich in Gerechtigkeit investiert werden.“ Das DW wird sich mit Projekten am EJ 2010 beteiligen. DW-Chefin ­Annegrethe Stoltenberg: „Wichtigstes Ziel ist es, den Anliegen der Betroffenen mehr Gehör zu verschaffen.“

Gericht stärkt Arbeitslosen-Rechte
Das Bundessozialgericht hat die Rechte von Hartz-IV-Empfängern gestärkt. Arbeitslosen könnte nur dann die Hilfe aufgrund mangelnder Mitwirkung gekürzt werden, wenn zuvor eine Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen wurde. Im strittigen Fall hatte die Arge einer Arbeitslosen die Hilfe um 104 Euro gekürzt, weil sie wegen Krankheit nicht zu einer Trainingsmaßnahme gegangen war (AZ: B 4 AS 20/09 R). UJO

Die Schule spaltet mit
Hamburgs Grundschulen können die soziale Spaltung nicht überwinden. Das ergibt sich aus der Senatsantwort auf eine Bürgerschaftsanfrage der SPD. Schüler aus wohlhabenden Stadtteilen werden demnach drei Mal so häufig für den Besuch eines Gymnasiums empfohlen wie Schüler aus benachteiligten Stadtteilen: bei ersteren sind es 69,4 Prozent aller Schüler, bei letzteren nur 23,4 Prozent. Die Kluft dokumentieren auch neue Zahlen des Statistikamts Nord: Während auf der Veddel Ende 2008 annähernd jeder dritte Bewohner Sozialleistungen bezog, waren es in wohlhabenden Vierteln wie Groß Flottbek oder Othmarschen nur 1,5 Prozent. Für ganz Hamburg lag die Quote bei 13 Prozent. UJO

Verbesserung für Arbeitslose?
„Deutlich nachbessern“ will Bundesarbeitsministerin ­Ursula von der Leyen (CDU) bei den Arbeitsmarktgesetzen (Hartz IV). Deren Grundgedanke sei richtig, doch sei
„vieles an der Reform hastig gemacht worden“, sagte sie der ARD. Union und FDP wollen die Hinzuverdienstmöglichkeiten für Langzeitarbeitslose verbessern. Ob die Regierung die Regelsätze anheben wird, ließ die Ministerin offen. Derweil verhandelt der Senat mit dem Bundesarbeitsministerium über die Frage, wie Hamburg Optionskommune werden könnte. Das wäre der Weg, um Langzeitarbeitslose nicht mehr gemeinsam mit der Arbeitsagentur, sondern in Eigenregie zu betreuen – erklärtes Ziel von CDU und Grünen in Hamburg. Bis spätestens Ende des Jahres müssen die Jobcenter neu organisiert werden. Das hat das Bundes­verfassungsgericht entschieden. Über die Form des Umbaus wird seit Monaten gestritten. UJO

Trendwende im Wohnungsbau?
1900 Wohnungen sollen ab 2012 auf dem Gelände des Bahnhofs Altona entstehen. Das sagte Oberbaudirektor Jörn Walter der „Welt“. Neben Wohnungen seien auf dem Gelände ein Park und Gewerbeflächen geplant. Die Bahn will den Altonaer Fernbahnhof aufgeben und am Diebsteich neu bauen. Experten zufolge müssten jährlich mindestens 5000 Wohnungen gebaut werden, um den Bedarf zu decken. 2009 waren es rund 3700. Die SPD for­­derte deshalb vom Senat Korrekturen. Joachim Wege vom Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen hingegen sieht eine „Trendwende“: Zwischen Januar und Oktober 2009 seien Baugenehmigungen für 3469 Wohnungen erteilt worden, gegenüber 2704 im gesamten Jahr 2008. UJO

Weitere Artikel zum Thema