Dichterin Sophie Dethleffs

„Ein Talent von seltener Begabung“

Ein altes schwarz-weiß-Foto von einer Frau mit gelockten Haaren
Ein altes schwarz-weiß-Foto von einer Frau mit gelockten Haaren
Die Dichterin Sophie Dethleffs. Foto: gemeinfrei

In seiner Porträtserie „Jahrhundertfrauen“ schreibt Frank Kürschner-Pelkmann über die verarmte Dichterin Sophie Dethleffs.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Mehr als ein Jahrzehnt lang lebte die verarmte Dichterin Sophie Dethleffs in einer kleinen Wohnung des Schröderstiftes. Wohl aufgrund ihrer Gedichte war sie 1853 in das gerade eröffnete Wohnstift am Schlump aufgenommen worden, das der Kaufmann Johann Heinrich Schröder für „Hilfsbedürftige aus besseren Ständen“ bauen ließ. Dort wohnte sie mietfrei und erhielt eine kleine Rente für den Lebensunterhalt.

Sophie Dethleffs kam am 10. Februar 1809 in Heide in Holstein zur Welt. Ihre Mutter starb gleich nach ihrer Geburt. Ihr Vater war höherer Beamter. Sophie ist als fantasievolles und heiteres Mädchen beschrieben worden. In dem Jahr, als sie konfirmiert wurde, entdeckte man, dass ihr Vater aus Geldnot einen größeren Betrag veruntreut hatte. Er verlor seine Beamtenstellung und verarmte völlig.

Sophie wurde von einer kinderlosen Beamtenfamilie in Heide als Hausmädchen und Gesellschafterin aufgenommen. Dort hatte sie Zeit, in der umfangreichen Bibliothek der Familie viele Bücher zu lesen. Mit eigenen Gedichten fand sie bei Polterabenden, Taufen und anderen Festen viel Anerkennung.

1845 verfasste sie das Gedicht „De Fahrt na de Isenbahn“, ihr bekanntestes Werk, das wegbereitend für die niederdeutsche Dichtung wurde. Damals baute man gerade die Eisenbahnstrecke Kiel-Altona, ein Symbol rascher technischer und gesellschaftlicher Veränderungen. In dem Gedicht macht sich das Ehepaar Hans und Antje aus einem holsteinischen Dorf auf den Weg in die Stadt, um das „Spektakel“ anzusehen. Als sie am Bahnhof ankommen, naht der beängstigende Zug:

Op eenmal pip’t dörch de Luft, un schrill, –

Uns’ Antje stun rein de Athem still.

Doch kuum weer dat grusige Pipen vörbi,

Do keem dar, hest du, so sühst du mi,

En swartfarig Ungethüm angesuust,

So dat em de Damp ut de Nüstern bruust,

Un suk suk, suk suk, achter em an,

Da renn en endlos Wagengespann …

Op eenmal staat se’n betjen still,

As wenn sik de Swarte verpusten will,

Un antosehn as’n Miehremenhupen,

Keem et herut ut de Dören krupen.

Grote un Lüttje, un Dicke un Dünn’,

Klattert se ut un klattert se in.

1850 erschien ein Band mit Gedichten Dethleffs, über den der „Hamburger Correspondent“ voll des Lobes war und die Verfasserin ein „Talent von seltener Begabung“ nannte. Das Buch erschien in vier Auflagen. Vielleicht hätte Dethleffs nun ein erfolgreiches Dichterinnenleben führen können, aber 1848 war ein Aufstand in Schleswig-Holstein gegen die dänischen Herrscher gescheitert. Daraufhin verließen zahlreiche Menschen ihre Heimat, darunter viele Freunde und Förderer Dethleffs.

Sie vereinsamte und zog aufgrund ihrer finanziellen Not mit ihrer blinden Schwester ins Schröderstift. Sophie Dethleffs starb am 13. März 1864. Drei Jahre vorher hatte der Dichter Klaus Groth sie besucht: „… trurig, möd in sik, eensom, as man seggt, dalknickt, seet se dar mit er blinde Swester. Klag’ weer allns, wat ik to hörn kreeg. All min Trost weer as Waterdrippens op en hitten Stehn.“

Artikel aus der Ausgabe:
Hinz&Kunzt-Titelblatt mit einem Mann, der einen Nackthund auf dem Arm hat und sagt: "Er ist total eifersüchtig."

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Autor:in
Frank Kürschner-Pelkmann
Frank Kürschner-Pelkmann
Frank Kürschner-Pelkmann ist Journalist und Buchautor. Zum Weiterlesen: „Entdeckungs­reise durch die Hamburger Geschichte – 240 Porträts aus 12 Jahrhunderten“ von Frank Kürschner-Pelkmann, Tredition Verlag, 38 Euro

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