Den meisten Menschen im Bürgergeldbezug steht nicht genügend Geld für ein würdevolles Leben zur Verfügung. Das ist das Ergebnis einer Studie des Vereins „Sanktionsfrei“.
Mehr als ein Viertel aller Bürgergeldempfänger:innen (28 Prozent) hat Angst davor, obdachlos zu werden. Das geht aus einer neuen Studie des Vereins Sanktionsfrei hervor, die dieser am heutigen Montag auf der Bundespressekonferenz vorgestellt hat. Die durch das Institut Verian durchgeführte Befragung sei zwei Jahre nach der Einführung des Bürgergeldes die erste Untersuchung zu den Lebensumständen der Betroffenen, erklärt eder Verein.
72 Prozent gaben an, dass der Regelsatz von monatlich 563 Euro nicht ausreiche, um ein würdevolles Leben zu führen. „Über die Hälfte der Eltern müssen zudem regelmäßig auf Essen verzichten, damit ihre Kinder satt werden. Da läuft etwas grundlegend falsch“, sagte Helena Steinhaus, Vorstand von Sanktionsfrei, bei der Vorstellung der Studie. „Statt das zu ändern, plant die Politik neue Verschärfungen beim Bürgergeld und diskutiert immer noch darüber, ob der Regelsatz zu hoch ist.“
Die häufig abwertende öffentliche Debatte hinterlasse bei Hilfebeziehenden Spuren, sagte im Rahmen der Bundespressekonferenz Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung: „Die Politik der Stigmatisierung und des Populismus gegen Menschen, die auf soziale Unterstützung angewiesen sind, kennt nur Verlierer und hat keine Gewinner.“ 42 Prozent der Befragten gaben an, dass sie sich schämen, Bürgergeld zu beziehen.
Gegen etwa 16.000 von 5,5 Millionen Bürgergeldbeziehenden seien aktuell Sanktionen verhängt worden, weil sie wiederholt ein Jobangebot abgelehnt hätten, so Fratzscher weiter. „Dieses Verhältnis zeigt sehr klar, dass wir eben keinen systematischen Missbrauch des Bürgergeldes in Deutschland haben.“

Bereits im Vorfeld der Bundestagswahl hatte der heutige Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) angekündigt, dass diejenigen, die ein Jobangebot nicht annehmen, „in Zukunft kein Bürgergeld mehr bekommen“. Steinhaus hält dem heutigen Bundeskanzler jetzt entgegen, dass sich die Bundesregierung lieber damit beschäftigen sollte, warum es nicht ausreichend Arbeitsplätze gibt und welche Art der Unterstützung die Mehrzahl der Betroffenen bei der Jobsuche bräuchte, statt über strengere Regeln und härtere Sanktionen zu debattieren.
„Die Bundesregierung muss auf die Wiedereinführung der Totalsanktionen verzichten“, forderte Helena Steinhaus von Sanktionsfrei zudem. „Wir haben in der Studie gefragt, was Totalsanktionen für die Menschen konkret bedeuten würden: Am häufigsten wird die Angst genannt, obdachlos zu werden. Was kein Wunder ist, denn schon zu Zeiten von Hartz IV war Obdachlosigkeit häufig die Folge von Totalsanktionen.“