Wie sehr die Mieten in Hamburg durch eine vorgezogene Klimaneutralität steigen würden, wird vor dem Volksentscheid heftig diskutiert. Ein Blick auf die Fakten.
Am Sonntag fällt die Entscheidung, ob Hamburg mit seinen norddeutschen Nachbarländern gleichzieht und die Klimaneutralität bis 2040 als Ziel ausgibt. Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Bremen haben sich dazu bereits verpflichtet. SPD und Grüne in Hamburg hingegen orientieren sich am Bund, der erst bis 2045 die Netto-Treibhausgasneutralität erreichen will.
Wie viel das ehrgeizigere Ziel Hamburg kosten würde, darüber wird seit Wochen gestritten. Der von einem Bündnis aus Umweltverbänden, der Gewerkschaft verdi und dem Mieterverein zu Hamburg forcierte Volksentscheid sieht jährliche Obergrenzen für den Kohlendioxid-Ausstoß vor, die vor allem bei Vermietenden die Alarmglocken schrillen lassen, da unter anderem Gas- oder Ölheizungen schneller ausgetauscht werden müssten. „Jede zusätzliche Verpflichtung erhöht die Investitionskosten, die auf die Mieten umgelegt werden müssten“, warnt der Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), Interessenverband der städtischen Saga und vieler norddeutscher Wohnungsbaugenossenschaften.
320 Euro mehr Miete?
Für die rund 400.000 Hamburger Haushalte in genossenschaftlichen und städtischen Wohnungen prophezeite der VNW Ende September monatliche Mehrkosten von durchschnittlich 320 Euro pro Wohnung. Eine erschreckend hohe Summe, die allerdings auch dadurch zustande kommt, dass der VNW für seine Berechnung eine durchschnittliche Wohnungsgröße von 80 Quadratmetern zugrunde legt. Die durchschnittliche Wohnungsgröße bei der städtischen Saga, dem größten Mitgliedsunternehmen des VNW, liegt allerdings bei unter 70 Quadratmetern.
Das Pestel-Institut hat hochgerechnet, dass rund 54 Milliarden Euro in die Sanierung des Wohnungsbestandes in Hamburg investiert werden müssten, um die Klimaneutralität zu erreichen. Der VNW kommt angesichts dieser Zahl zu dem Ergebnis, dass im Schnitt eine Kostensteigerung von drei Euro Miete pro Quadratmeter pro Wohnung notwendig wäre, um diese Kosten zu decken.
Die zusätzlichen Kostensteigerungen für das fünf Jahre frühere Erreichen der Klimaneutralität lägen laut einem Sprecher des VNW bei „bis zu 1 Euro pro Quadratmeter“ – wegen fehlender Handwerkskapazitäten und höherer Zinsen, weil die Unternehmen für die vorgezogene Sanierung zusätzlich Kredite aufnehmen müssten. Die Rechnung des VNW lautet: 3 Euro pro Quadratmeter Mietsteigerung pro Wohnung, ein weiterer Euro für das Vorziehen des Klimaschutzes. Macht bei einer 80 Quadratmeter großen Wohnung insgesamt monatlich 320 Euro mehr Miete für das Klima.
Ist die Berechnung seriös?
Über die Seriösität dieser Rechnung streiten sich Vermieter:innen und Mieterschützende seit Wochen. Der Mieterverein zu Hamburg verweist beispielsweise auf eine Machbarkeitsstudie der Stadtentwicklungsbehörde, die auf monatliche Kostensteigerungen von durchschnittlich 1,57 statt 3 Euro pro Quadratmeter kommt. Gerechnet auf die Durchschnittsgröße einer Saga-Wohnung entstünden somit monatliche Mehrkosten von höchstens 170 Euro in den kommenden 15 Jahren.
Die Befürworter:innen des Zukunftsentscheids verweisen zudem auf Einsparungen in Folge der Sanierungen. Die klimaschutzgerechten Wohnungen müssten deutlich weniger beheizt werden. Expert:innen gehen davon aus, dass die Heizkosten um bis zu 30 Prozent reduziert werden könnten.
Wer muss die Mietsteigerungen bezahlen?
Die Initiative hinter dem Volksentscheid wirbt damit, dass „gezielte Förderprogramme und soziale Leitplanken“ die steigenden Mietkosten abfangen sollen. So konkret wird der zur Abstimmung gestellte Gesetzestext allerdings nicht: Die Maßnahmen zur Erreichung der Klimaneutralität seien „sozialverträglich umzusetzen“, steht dort nur.
Aus dem Senat hört man dazu die Warnung, dass Mietrecht keine Ländersache sei und nur auf Bundesebene geändert werden könne. Der Mieterverein verweist allerdings darauf, dass die vom VNW prophezeiten Mieterhöhungen überhaupt nicht zulässig wären: Lag die Miete vor der Modernisierung unter 7 Euro, darf sie nach aktuellem Mietrecht um maximal 2 Euro steigen.
