Gegen das Bettelverbot in Hamburger U- und S-Bahnen rufen Initiativen zu einer Kundgebung auf. Im Interview erklärt eine Sprecherin, wieso sie nicht auf die Gerichtsentscheidungen über das Verbot warten wollen.
Sie wollen am Freitag gegen das Bettelverbot in den Zügen des Hamburger Verkehrsverbunds protestieren. Was genau stört Sie daran?
Maria Bent: Das Bettelverbot ist ein Ausdruck von sozialer Ausgrenzung. Es kriminalisiert Armut, statt ihre Ursachen zu bekämpfen. Menschen, die im öffentlichen Raum auf Hilfe angewiesen sind, werden durch Durchsagen, Kontrolleinsätze und Bußgelder aus dem Blickfeld gedrängt, als wären sie ein Störfaktor – dabei brauchen sie Solidarität, nicht Repression. Für viele wohnungs- und obdachlose Menschen ist Betteln eine überlebenswichtige Möglichkeit, sich das Nötigste zu beschaffen. Statt Armut zu bekämpfen, wird hier das Sichtbarwerden von Armut bestraft – das halten wir für unmenschlich und sozialpolitisch fatal. Öffentliche Verkehrsmittel sind für alle da, auch für Menschen in Not.
Zumindest die Hochbahn gibt an, die Strafen im Zweifel gar nicht einzutreiben. Wieso protestieren Sie trotzdem?
Allein die Androhung von Strafen erzeugt Druck, Angst und weitere Ausgrenzung. Wenn Menschen in Not mit einem Bußgeldbescheid konfrontiert werden – unabhängig davon, ob dieser später vollstreckt wird –, hat das eine einschüchternde Wirkung. Es signalisiert: Du bist hier nicht erwünscht. Das widerspricht dem Grundsatz einer sozialen Stadt und einer solidarischen Gesellschaft. Außerdem ist es weder transparent noch verlässlich, wenn ein Verkehrsunternehmen die Regeln zwar aufstellt, ihre Durchsetzung aber willkürlich handhabt. Solche Praktiken gehören abgeschafft, nicht schöngeredet.
Ob das Verbot rechtens ist, damit beschäftigen sich inzwischen die Hamburger Gerichte. Wollen Sie deren Entscheidungen nicht erst mal abwarten?
Wir begrüßen es, dass zwei Betroffene juristisch gegen das Bettelverbot vorgehen. Dass es überhaupt zu solchen Klagen kommen muss, zeigt, wie dringend dieses Thema ist. Wir wollen aber nicht schweigen, bis Urteile gesprochen sind – im Gegenteil: Wir sehen unsere Aufgabe darin, öffentlich Druck zu machen und die Stimmen der Betroffenen weiter hörbar zu machen. Rechtliche Auseinandersetzung und politischer Protest schließen sich nicht aus, sondern gehören zusammen. Die juristische Prüfung ist wichtig, aber soziale Gerechtigkeit ist keine Frage, die nur vor Gericht verhandelt wird. Wir wollen jetzt ein Zeichen setzen – gegen Diskriminierung, gegen die Stigmatisierung Armer und für eine solidarische Öffentlichkeit. Unabhängig vom rechtlichen Ausgang bleibt unsere politische Kritik bestehen.

Die „Lobbygruppe gegen Verdrängung und Diskriminierung“ und das „Bündnis Solidarität statt Ausgrenzung“ rufen zum Protest auf. Wer verbirgt sich dahinter?
Die Lobbygruppe ist ein Zusammenschluss von Fahrgästen und Aktivist:innen, die sich gegen die Ausgrenzung von obdach- und wohnungslosen Menschen engagieren. Entstanden sind wir durch den Protest gegen das Bettelverbot im HVV. Wir haben bereits zwei Kundgebungen initiiert, einen offenen Brief verfasst und die Petition gegen das Bettelverbot unterstützt. Das Bündnis Solidarität statt Ausgrenzung ist breiter aufgestellt – hier vernetzen sich Initiativen, Gruppen und Einzelpersonen aus verschiedenen sozialen und politischen Kontexten, die sich für eine solidarische Stadt einsetzen, ohne Armut, Diskriminierung oder Repression. Uns verbindet die Überzeugung, dass sozialer Wandel von unten kommen muss.
Die Kundgebung soll von 17 bis 19 Uhr in der Neuen Große Bergstraße in Altona stattfinden. Was genau ist geplant?
Wir wollen mit Redebeiträgen, Musik und sichtbaren Botschaften auf das Thema aufmerksam machen. Es wird Informationen zur aktuellen Klage geben, wir teilen Perspektiven von Betroffenen und rufen dazu auf, sich mit uns für die Abschaffung des Bettelverbots stark zu machen. Unser Ziel ist ein öffentlicher Raum, der offen ist – für alle Menschen. Auch für die, die gerade wenig haben. Die Kundgebung ist friedlich, offen für alle und soll auch Passant:innen einladen, sich zu informieren und ins Gespräch zu kommen. Es geht um Sichtbarkeit, Solidarität und ein anderes Miteinander in unserer Stadt.
Kundgebung gegen das Bettelverbot im HVV
Freitag, 20. Juni 2025, 17-19 Uhr
Neue Große Bergstraße (Höhe Sparkasse, Hausnummer 9)