Wohnungslosenbericht 2022

„Ein langfristiges Problem“

Ein Zelt steht unter einer Brücke, davor liegt Schnee
Ein Zelt steht unter einer Brücke, davor liegt Schnee

Laut dem ersten Wohnungslosenbericht der Bundesregierung leben mindestens 37.000 obdachlose Menschen in Deutschland.

Die Bundesregierung hat im Dezember 2022 erstmals einen Wohnungslosenbericht für ganz Deutschland veröffentlicht. Daraus geht hervor, dass rund 263.000 Menschen hierzulande keine eigene Wohnung haben. Die größte Gruppe: Menschen, die in Wohn­unterkünften leben, insgesamt 178.000. Rund 49.000 Personen sind verdeckt wohnungslos, das heißt, sie schlafen zum Beispiel bei Bekannten auf der Couch. Mindestens 37.000 Menschen leben auf der Straße oder in Not­unterkünften, sind also obdachlos. Stichtag für die Erhebung war der 31. Januar 2022.

Ob wohnungslos, verdeckt wohnungslos oder obdachlos: Bei allen drei Formen handelt es sich um „ein langfristiges Problem“, so der Bericht. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer von Menschen, die öffentlich untergebracht sind, beträgt demnach zwei Jahre und acht Monate. 61 Prozent der Wohnungslosen leben seit mehr als einem Jahr in Unterkünften – die Notlage ist also zu einem Dauerzustand geworden.

Männer stellen mit 68 Prozent die Mehrheit aller Wohnungslosen, der Frauenanteil liegt bei 31 Prozent, 1 Prozent der Wohnungslosen sind divers. In der Gruppe der verdeckt Wohnungslosen sind Frauen weitaus stärker vertreten (40 Prozent). Als Gründe für den Verlust der Wohnung gaben 47 Prozent aller Befragten Mietschulden an.

Alarmierend: 40 Prozent der Obdachlosen bezeichnen ihren Gesundheitszustand als „schlecht“ oder „weniger gut“. Unter chronischen Krankheiten leidet mehr als die Hälfte, 35 Prozent haben eine Suchterkrankung. Hinzu kommt: 68 Prozent aller Obdachlosen sind laut Bericht bereits Opfer von Gewalt geworden: Sie wurden beschimpft, bestohlen, verprügelt oder angezündet. Wohnungslose Frauen sind häufiger als Männer von sexueller Gewalt betroffen.

Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) sagte: „Die Menschen ohne Obdach, denen wir im Alltag im öffentlichen Raum begegnen, sind nur die Spitze des Eisbergs. Es ist Auftrag eines starken Sozialstaats, auf allen Ebenen das Menschenrecht auf Wohnen zu wahren und jenen zu ermöglichen, die davon ausgeschlossen sind.“ Die Bundesregierung werde daher einen „Nationalen Aktionsplan“ erarbeiten. Ab 2023 soll zudem ein „Nationales Forum Wohnungslosigkeit“ etabliert werden, in dem neben Vertreter:innen von Bund, Ländern und Kommunen auch Akteur:innen aus der Zivilgesellschaft und Wirtschaft zusammenkommen sollen.

Europäische Union, Bundesregierung und die Bundesländer wollen Wohnungs- und Obdachlosigkeit bis zum Jahr 2030 abschaffen. Hamburg hat im Bundesvergleich die höchste Wohnungslosenquote unter den deutschen Großstädten, hier sind 19.000 Menschen ohne Wohnung. Die Diakonie bezeichnet Hamburg daher auch als „Hauptstadt der Wohnungslosen“.

Artikel aus der Ausgabe:

Was die Welt jetzt braucht

Schwerpunkt Erfindungen: Wir stellen Erfindungen vor, die in den Hamburger Fab Labs entstehen, haben mit dem Social Impact Lab über Sozialunternehmen gesprochen und waren beim Erfinder-Stammtisch zu Gast. Außerdem: Die Parteivorsitzende der Grünen, Ricarda Lang, spricht im Interview über das neue Bürgergeld. Und: Private Initiativen leisten, was die Stadt nicht leisten will: Sie bringen Obdachlose ganztägig in Containern und Hotels unter.

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Autor:in
Simone Deckner
Simone Deckner
Simone Deckner ist freie Journalistin mit den Schwerpunkten Kultur, Gesellschaft und Soziales. Seit 2011 arbeitet sie bei Hinz&Kunzt: sowohl online als auch fürs Heft.

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