Fotos von obdachlosen Frauen : „Sie sehen toll aus!“

Ann-Kathrin Kampmeyer hat 26 Frauen fotografiert, sechs davon sind obdachlos. Die Besucher der Ausstellung mit den authentischen Porträts stehen vor der Herausforderung, die Unterschiede zu erkennen. Aber gibt es die überhaupt? Bis Oktober werden die Aufnahmen in Borgfelde gezeigt.

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Eine dieser Frauen ist obdachlos. Woran man das erkennt? Am Piercing jedenfalls nicht.

Kann man Menschen ihre Obdachlosigkeit ansehen? Diese Frage stellt Ann-Kathrin Kampmeyer mit ihrer Ausstellung, die derzeit im Gemeindehaus der evangelischen Kirche Borgfelde gezeigt wird. Von den 26 porträtierten Frauen, die dort zu sehen sind, sind sechs obdachlos. Sie alle hat Kampmeyer ohne Makeup im weißen Unterhemd fotografiert. Wer obdachlos ist und wer nicht, steht nicht dabei. Die Fotografin will so gegen Vorurteile ankämpfen: „Unsere Gesellschaft ist sehr oberflächlich“, sagt sie. „Es gibt aber nicht die Jacke oder den Haarschnitt, die einen Menschen als obdachlos klassifizieren.“

Auf die Idee kam Kampmeyer, als sie 2005 für ihre Abschlussarbeit regelmäßig im Café mit Herz auf St. Pauli fotografiert hat. In dem Café, in dem Obdachlose täglich eine warme Mahlzeit bekommen können, ist ihr etwas aufgefallen: „Ich habe da eigentlich so gut wie keine Frauen gesehen.“ Auf der Suche nach den Gründen stieß sie darauf, dass Frauen häufig in so genannter verdeckter Obdachlosigkeit leben und auf der Straße nicht sichtbar sind. „Als Frau ist man sehr viel angreifbarer als als Mann“, sagt Kampmeyer.

Deshalb wollte die Fotografin die Frauen sichtbar machen. „Ich möchte das Thema einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen“, sagt die Fotografin. Viele hätten aber genau deswegen nicht an dem Projekt mitwirken wollen, aus Scham oder auch Angst. Die sechs, die mitgemacht haben, hatten dafür offensichtlich ihren Spaß: „Sie haben sich sehr geschmeichelt gefühlt, weil Sie viel Aufmerksamkeit bekommen haben“, sagt Kampmeyer. „Und sie sehen toll aus!“

Bildergalerie

Mit ihrer Ausstellung ist Ann-Kathrin Kampmeyer erfolgreich: Bis Juni 2014 ist sie schon ausgebucht. Allerdings interessierten sich fast nur öffentliche oder kirchliche Einrichtungen für die Bilder, sagt sie. „Für die Galerien ist es nicht künstlerisch genug. Da soll es dann eher das 500. Bild vom Hamburger Hafen sein.“ Bei den bisherigen Besuchern sei die Ausstellung trotzdem gut angekommen, sagt die Künstlerin. Viele Menschen hätten sich darüber mit dem Thema Obdachlosigkeit auseinander gesetzt. „Die meisten haben nicht rausbekommen, wer obdachlos ist und wer nicht.“

Pastor Johannes Kühn will seine Gemeinde mit der Ausstellung in das Thema Obdachlosigkeit einführen, denn ab November werden auf dem Kirchengelände in Borgfelde wieder sechs Menschen in Containern über den Winter eine Notunterkunft finden. Für ihn ist es selbstverständlich, die Hilfebedürftigen aufzunehmen: „Das gehört sich so für eine Kirchengemeinde“, findet der Geistliche. „Es ist ja wichtig, dass die Leute unterkommen.“

Die Ausstellung ist bis Mitte Oktober in den Fluren des Gemeindehauses im Horner Weg 17 zu sehen. Reguläre Öffnungszeiten: 9 bis 18 Uhr, es gibt jedoch Ausnahmen. Pastor Kühn empfiehlt vorab einen Anruf im Kirchenbüro unter 040 21901210.

Text: Benjamin Laufer
Fotos: Ann-Kathrin Kampmeyer