Nur noch zusammen

Pastor, Smoking, Goldring: Hinz&Künztler Manfred Hammelbeck und sein Gatte Mitko Ivanov trauen sich was. Die Geschichte einer ungewöhnlichen Hochzeit

(aus Hinz&Kunzt 181/März 2008)

Ohne wäre für Manfred Hammelbeck nicht in Frage gekommen: „Schließlich bin ich Katholik.“ Wenn heiraten, dann mit Pastor. In der Kirche. Im Smoking.

Ehemann Mitko Ivanov kommt aus der Küche, stellt ein Glas Saft auf den kleinen Couchtisch. „Für mich war es egal, aber was sich Claudia wünscht, das machen wir.“ Claudia – so nennen Manfred alle in der „Villa Kunterbunt“, einer Transvestiten-Kneipe am Hamburger Berg. Da haben sie sich kennengelernt. Dort wurde auch nach der Hochzeit bis in die Nacht gefeiert. Die Fotos vom großen Tag hängen jetzt überall an den Wänden der Ein-Zimmer-Wohnung. „Mitko würde am liebsten alles mit Fotos tapezieren“, sagt der 55-jährige Hammelbeck. „Hallo?!“, spielt Mitko Ivanov den Empörten, stützt die Hände in die Hüften.

Einen Monat ist es her, dass Manfred Hammelbeck aufgeregt mit einer Kerze vor der Tür der evangelischen St.-Pauli-Kirche stand. Geliehener dunkler Anzug, glänzend polierte Schuhe. Dann der Einmarsch in die Kirche. Fotohandys und Digitalkameras wurden gezückt. Der Pastor predigte von Liebe, sprach aber auch von den schweren Zeiten, die beide hinter sich haben.

In den Kirchenbänken saßen die Stammkunden der Villa Kunterbunt. Danach zog die bunte Hochzeitsgesellschaft über den Kiez, vorbei an Sex-Shops und Stripclubs zur Transen-Kneipe. Obdachlose, die Manfred aus seiner Zeit als Hinz&Kunzt-Verkäufer kennt, waren nicht dabei. Auf der Straße geschlossene Freundschaften erweisen sich oft als brüchig.

Es klingelt an der Tür der kleinen Wohnung auf dem Dulsberg. Ein anderes schwules Paar, der Trauzeuge mit seinem Ehemann Madonna. Der kommt ebenfalls aus Bulgarien. Ivanov bugsiert sie in die Küche. Während Manfred Hammelbeck weiter erzählt. Von der schweren Zeit, die der Pastor meinte. Als es 1991 dunkel um den Hinz&Künztler wurde. Er hatte seinen Freund gepflegt. Magenkrebs, harte Monate, in denen beide Abschied nehmen mussten – und es nicht wollten.

Er war 20 Jahre älter, 17 Jahre waren sie zusammen, die Liebe seines Lebens, sagt Hammelbeck. Als der Freund tot ist, sperrt Hammelbeck die Wohnung zu. Nimmt nicht nur Abschied von seinem Freund, sondern von allem, was sein Leben ausmacht. Der gelernte Krankenpfleger geht weg aus Timmendorfer Strand, nach Hamburg, auf die Straße.

Rau ist das Leben, besonders für einen Schwuler in der Obdachlosenszene. Wo sich Hinz&Kunzt-Verkäufer schon mal über einen halbnackten Mann auf dem Titel beschweren – weil die Zeitung schwul erscheint. Wo immer noch viele gerne Macho wären. Schwierig? „Nein, nie ein Problem“, sagt Manfred Hammelbeck. Aber er ist auch kein Mann großer Worte.

Mitko Ivanov schon. „Schatzi, du musst sprechen, ich kann nicht so gut Deutsch“, sagt der 35-Jährige am Anfang. Führt dann aber doch meist das Wort. Auch beim Kennenlernen ging die Initiative von ihm aus. „Das war im Februar 2007, da war ich in der Villa Kunterbunt und Claudia stand hinter der Theke“, erinnert sich Mitko Ivanov. Er bestellte einen Kaffee, blieb vier Stunden. Am nächsten Tag kam er auch. Und immer wieder. Bis heute.

„Am Anfang war nix, da ging es mir um Freundschaft“, sagt Mitko Ivanov. Aber einen Monat später wusste er: Passt. Das ist der Mann für mich. „Er ist ruhig, das mag ich an Männern – ich bin nicht mit einem Mann zusammen, um die ganze Zeit Stress zu haben.“ Und Mitko ist wie gesagt niemand, der sich dann nicht traut, was zu sagen. „Claudia, du musst mich heiraten“, sagte er zu Manfred Hammelbeck.

Die Ringe hat Mitko Ivanov in Bulgarien gekauft. Gold, 14 Karat – das ist in Bulgarien billiger als in Deutschland. Gleichzeitig kümmerte er sich um seine Papiere für die Heirat. „In meinem Heimatort wissen alle, dass ich schwul bin“, sagt Mitko Ivanov. Dennoch: „In Bulgarien ist es nicht normal, wenn sich zwei Männer auf der Straße küssen – Schwule müssen diskret sein. Am besten, alles passiert nur daheim.“ Eine Ehe unter Männern ist dort unmöglich. Die bulgarischen Behörden wissen nur, dass er eine Claudia Hammelbeck in Hamburg heiratet.

Mitko Ivanov war schon früher in Westeuropa, wo schwules Leben offener möglich ist. „Ich war in Frankreich, Belgien, Holland, Italien – aber mein Herz gehörte immer Deutschland, ich wusste immer, ich will hier leben.“ Zum ersten Mal war er 1999 hier, dann noch mal im Jahr drauf. Und er wollte bleiben. Allerdings war Bulgarien damals noch nicht in der Europäischen Union. Mitko Ivanov wurde abgeschoben. Die Kosten dafür – 3400 Euro – muss er jetzt zurückzahlen.

Das ist allerdings auch die einzige Sorge, die die beiden haben. Seit der Heirat darf Mitko Ivanov in Deutschland auch arbeiten – und hat einen Job als Putzmann gefunden. Das Zusammenleben auf engem Raum funktioniert auch gut. Hammelbeck: „Er guckt bis spät in die Nacht seine Bollywoodfilme – aber so leise, dass ich trotzdem schlafen kann.“ Ivanov: „Ich glaube, Claudia hört nicht gut – wenn sie das ,Hamburg Journal‘ schaut, dröhnt das in der ganzen Wohnung.“

Da ist der Altersunterschied sogar ein Vorteil. Auch sonst ist der für beide kein Problem: „Er ist viel klappriger als ich“, sagt Hammelbeck und lacht, „immer hat er Kopfschmerzen und hier tut‘s ihm weh und dort …“

Nur mit einer Sache an Manfred war Mitko Ivanov nicht einverstanden: „Für lange Haare brauchst du gute Frisur, gutes Shampoo – Manfreds Haare waren kaputt. Also habe ich verlangt: Claudia, ich will dich mit kurzen Haaren.“ Mit dem Kleiderschrank ging es genauso. „Ich habe viele Klamotten weggeschmissen“, sagt Mitko Ivanov und dann noch einen Satz, der durchaus als Lebensweisheit durchgeht: „Es ist besser, du hast wenig – aber dafür nur schöne Sachen.“

Marc-André Rüssau

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