Kettcar ist eine von Hamburgs erfolgreichsten Indie-Bands. Nun erscheint ein neues Album – es geht um Politik, Rechtsradikalismus und Cancel Culture. Eine Begegnung mit dem Bassisten und Songwriter Reimer Bustorff.
Wenn es cool sein soll, bin ich Musiker“, sagt Reimer Bustorff. „Und wenn es seriös sein muss, sage ich, dass ich Musikverleger bin.“ Er lacht. „Das erzähle ich nur, wenn ich eine Wohnung mieten will.“ Um die nicht ganz ernst gemeinte Anspielung zu verstehen, muss man „München“ kennen, den neuen Song seiner Band Kettcar. Für deren Verhältnisse ist es ein wütendes, ungewöhnlich schroffes Lied, das für Wirbel sorgte, als es im Januar vorab erschien.
Reimer Bustorff hat darin über den fiktiven türkischstämmigen Yachi geschrieben, aus der Perspektive von dessen Kumpel ohne Migrationsgeschichte. „Dann die erste Bewerbung auf deine erste Wohnung/Unter meinem Namen – weil deiner nicht ging/ Und der Vermieter dann in ganz einfacher Sprache mit dir sprach/ Als wärst du ein Kind.“
In „München“ geht es um Rassismus – gegenüber Menschen, die in Deutschland geboren wurden. Um scheinbar harmlose Fragen wie: „Darf ich mal dein schönes schwarzes Haar anfassen?“
„Ich kann mich dem Thema nur nähern, indem ich die Perspektive des Beobachters einnehme“, sagt Bustorff. „Alles andere wäre anmaßend, es würde nicht richtig treffen. Es würde das Gefühl nicht korrekt beschreiben.“
Gefühle beschreiben – das ist seit mehr als zwei Jahrzehnten die große Stärke, ja vermutlich sogar das Erfolgsrezept von Kettcar. Die Band, gegründet in Hamburg, schreibt Songs über Liebe, Freundschaft und Alltag, mit zunehmend gesellschaftskritischer Haltung. Zwei Gitarren, Keyboard, Schlagzeug, Bass, dazu das heisere Pathos in der Stimme von Sänger Marcus Wiebusch – mehr braucht es seitdem nicht für diese Songs, die eigentlich viel zu große Textmengen enthalten, um als dreieinhalbminütige Indie-Rock-Hymnen zu funktionieren. Aber Kettcar berühren, bis heute.