Fotografie: Erinnerungen an den Krieg

Helena Schätzle hat die Erinnerungen ihres Großvaters an Krieg und Kriegsgefangenschaft in einer Fotoserie festgehalten. Ihre Bilder und die weiterer junger Fotografen sind jetzt in den Deichtorhallen zu sehen.

(aus Hinz&Kunzt 216/Februar 2011)

Unendliche Weite: Der Großvater der Fotografin sollte nach dem Zweiten Weltkrieg in russische  Gefangenschaft. Doch ihm gelang die Flucht nach Österreich.
Unendliche Weite: Der Großvater der Fotografin sollte nach dem Zweiten Weltkrieg in russische Gefangenschaft. Doch ihm gelang die Flucht nach Österreich.

Die Zeit scheint stehen geblieben zu sein auf Helena Schätzles Bildern. Der Blick fällt auf leere Felder so weit das Auge reicht, Mauern, die schon lange dem Verfall preisgegeben sind, und Menschen, die ihren Blick nachdenklich in die Ferne gerichtet haben. Sie schauen wohl in die Vergangenheit, denn die Fotografin hat sie besucht, um mit ihnen über den Krieg zu sprechen. Schätzle hat viel investiert in ihre Diplomarbeit. Es hat sich gelohnt. Die 27-Jährige hat jetzt einen Abschluss in der Tasche und obendrein eine Auszeichnung bekommen. Ihre Arbeit „Die Zeit dazwischen – 2621 Kilometer Erinnerung“ ist Teil der Ausstellung „gute aussichten – junge deutsche fotografie 2010/2011“  in den Deichtorhallen. Acht Preisträger von unterschiedlichen Hochschulen zeigen hier ein großes Spektrum fotografischer Arbeit.

Viele der Arbeiten sind eher abstrakt. Helena Schätzle hingegen geht ganz dicht ran. „Mit 18 Jahren habe ich Aufzeichnungen meines Großvaters über den Krieg und seine Kriegsgefangenschaft gelesen. Das hat mich nicht mehr losgelassen“, meint Schätzle. „Sein Bericht war eher nüchtern, ich wollte etwas Emotionales.“ Also macht sich die Fotografie-Studentin auf nach Osteuropa. 2621 Kilometer legt sie zurück, um den Spuren ihres Großvaters zu folgen und ein Stück deutscher Geschichte zu erleben. Sie trifft Opfer und Täter, spricht mit einer Verwandten der Frau, die ihrem Opa das Leben gerettet hat: Schwer verletzt hatte man ihn auf dem Weg in die russische Kriegsgefangenschaft in Rumänien zum Sterben in einen feuchten Keller gelegt. Eine Frau fand ihn dort und pflegte ihn gesund, sodass er schließlich fliehen und sich nach Österreich durchschlagen konnte.

Ihre Erlebnisse hat Helena Schätzle zu einer Schau voller melancholischer Landschaftsaufnahmen und Porträts verdichtet. Sie lässt nicht nur die Bilder sprechen, sondern die Protagonisten auch mit kurzen Zitaten selbst zu Wort kommen. „Die Menschen in Rumänien und Tschechien waren freundlich und offen. Sie haben sich gefreut, dass sich jemand für sie interessiert.“ Inzwischen ist Schätzle noch weiter in die Vergangenheit gereist und hat auch die russischen Kriegsschauplätze ihres Großvaters besucht und dokumentiert. Hoffentlich wird auch diese Zeitreise in Hamburg zu sehen sein.

Text: Sybille Arendt
Foto: Helena Schätzle, www.guteaussichten.org

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