Hartes Vorgehen : Platten in Parks geräumt

Hat Angst, dass er sein Zelt verliert: Israel R. (68), der an der Kennedybrücke Platte macht. Foto: Simone Deckner.

Kurz vor dem offiziellen Start des Winternotprogramms geht die Stadt hart gegen Obdachlose in Parks vor: Am Nobistor und in der Hebebrandtsraße wurden Platten geräumt, auch an der Kennedybrücke erhielten Bewohner Zettel, die sie zur Räumung aufforderten.

Hinz&Kunzt Randnotizen

Freitags informieren wir per Mail über die Nachrichten der Woche:

Kurz vor dem Start des Winternotprogramms am 1. November greift die Stadt hart gegen Obdachlose durch. Hinz&Kunzt sind drei Fälle aus drei Bezirken bekannt, in denen Obdachlose von ihren Platten vertrieben wurden oder ihnen zumindest eine Räumung angedroht wurde.

Fall 1: Nobistor

Im Bezirk Altona rückte das Ordnungsamt heute vormittag mit Mitarbeitern unter Polizeischutz an und entsorgte die Habseligkeiten von Obdachlosen mit einem LKW. Auf Nachfrage erklärte das Amt, dass es sich nicht um eine Räumung, sondern eine Drogenrazzia der Polizei gehandelt habe, in deren Rahmen auch ein Zelt entsorgt worden sei.

Am Freitag rückte das Ordnungsamt unter Polizeischutz im Nobistor vor. Die Habseligkeiten der Obdachlosen wurden per LKW entsorgt. Foto: Benjamin Laufer.

Obdachlose seien dort zuletzt am 23. August und am 6. September geräumt worden. Nicht das erste Mal: Bereits 2014 und dann immer wieder hatte der Bezirk die Obdachlosen, dort Platte machten, vertrieben und war dabei äußerst konsequent vorgegangen: „Wir sind dort täglich vor Ort gewesen“, hatte Bezirksamtssprecher Martin Roehl damals gesagt.

Fall 2: Hebebrandtstraße

Anderer Bezirk, eine ähnliche Vorgehensweise: Bereits am Dienstag hatten Mitarbeiter des Ordnungswidrigkeitenmanagements des Bezirks Nord, ebenfalls unter Mithilfe der Polizei, eine Platte an der Hebebrandtsraße, Ecke Sengelmannstraße Tatsachen geschaffen. Hier wurde die Platte einer Gruppe rumänischer Obdachloser geräumt: Matratzen, Kleidung, sogar Kochtöpfe landeten im Sperrmüll.

Ich habe nichts mehr anzuziehen– Dan B., Obdachloser

„Es geht uns sehr schlecht. Wir wissen überhaupt nicht, wo wir jetzt hin sollen“, sagt Dan B. (44), einer der Obdachlosen, die dort geschlafen hatten. „Ich habe nichts mehr anzuziehen – nur noch das, was ich am Körper trage.“ Wieso sie weg mussten, versteht er nicht. Es habe dort nie Probleme gegeben, sagt er.

Doch, es habe Beschwerden über die Platte gegeben, sagt hingegen Jan Uentz-Kahn, Sprecher des Bezirksamts Nord. Die insgesamt zehn Personen seien daher bereits im August und nochmals im September aufgefordert worden, die Platte zu räumen. „Ausreichend Zeit, die Fläche zu räumen und das Hab und Gut zu sichern“, findet Uentz-Kahn.

Bis Freitag sollte die Platte neben der Kennedybrücke geräumt sein, fordert der Bezirk Mitte. Wenn die Zelte direkt unter der Brücke stünden, werde man dies tolerieren, bestätigte jedoch eine Bezirksamtssprecherin. Foto: Simone Deckner.

Fall 3: Kennedybrücke

Ungewöhnlich: Auch die neun Bewohner der Platte an der Kennedybrücke haben eine Räumungsaufforderung bekommen. Israel R. ist einer von ihnen. Der 68-Jährige versteht die Welt nicht mehr, denn eigentlich wurde die bekannte Platte vom Bezirk Mitte bislang immer geduldet. Die „Kennedys“ gelten schon fast als spießig, ihre Platte ist stets vorbildlich gepflegt. Sogar nach dem G-20-Gipfel erlaubte es der Bezirk den Obdachlosen zu ihrem Schlafplatz zurückkehren.

„Das kommt für uns alle total überraschend“ so R., „ich habe keine Ahnung, wo ich hin soll, wenn ich hier weg muss.“ R. lebt seit April an der Kennedybrücke, wie insgesamt acht weitere Obdachlose. Sie kommen aus Bulgarien, Rumänien, Österreich, dem Iran, auch ein Einheimischer macht dort Platte.

„Zelte unter der Brücke werden toleriert“

Diese Räumungsaufforderung fanden die Obdachlosen an der Kennedybrücke an ihren Zelten. Foto: Simone Deckner.

Die Begründung des Bezirks ist die, die auch die anderen Bezirke anführen: Die Obdachlosen verstießen gegen das Gesetz zum Schutz von Grün- und Erholungsanlagen. Zelte in öffentliche Parks aufzubauen und dort zu schlafen, sei nun einmal verboten, heißt es immer wieder auf Nachfrage.

„Sobald Zelte außerhalb oder neben Brücken stehen, fordern wir die Menschen auf, diese zu räumen“, sagt Sorina Weiland, Sprecherin des Bezirks Mitte, zu ihrem Vorgehen.

Weiland stellt jedoch klar: „Zelte, die unter der Brücke stehen, werden wir auch weiterhin dulden.“ Immerhin: Zumindest für einige Bewohner der Kennedybrücke ist eine Lösung dadurch wortwörtlich in greifbare Nähe gerückt.

Wie die Fälle von Vertreibung aus den Bezirken Altona und Nord zeigen, scheint diese tolerante Haltung in Hamburg jedoch eine Ausnahme zu bleiben.

 

Autor:in
Simone Deckner
Simone Deckner
Simone Deckner ist freie Journalistin mit den Schwerpunkten Kultur, Gesellschaft und Soziales. Seit 2011 arbeitet sie bei Hinz&Kunzt: sowohl online als auch fürs Heft.

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