Brötchen statt Betten : Platte am Nobistor geräumt

Der Bezirk Altona hat die Obdachlosenplatte am Nobistor am Dienstag von der Polizei räumen lassen. Die Familien aus Osteuropa, über die sich Nachbarn beschwert hatten, waren aber gar nicht mehr dort. Getroffen hat es andere.

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Braucht nun eine neue Bleibe: Niko aus Mazedonien. (BELA)

Seit acht Jahren lebte Niko im Park am Nobistor an der Grenze zwischen Altona und St. Pauli. „Das hier war immer wieder meine Anlaufstelle, auch wenn ich mal bei Freunden geschlafen habe“, sagt der Mann mit der Mütze und der schwarzen Sonnenbrille. Unter einem Dach hat er ein kleines Zelt aufgebaut, eine Matratze daneben dient als Sofa. In der Ecke steht ein Besen, den er und die anderen auf der Platte auch regelmäßig benutzen würden, beteuert er. „Die Behörde hat uns toleriert“, sagt er. „Wir waren sogar mit dem Kontaktbereichsbeamten der Polizei per Du. Alles gut.“

Trotzdem hat die Polizei ihn am Dienstagmorgen von seiner Platte vertrieben. Um 7 Uhr 30 rückte sie mit einem Großaufgebot an und weckte die Obdachlosen, die dort lebten. Die Stadtreinigung fuhr mit zwei großen Containern vor, in denen Matratzen, Zelte und andere Einrichtungsgegenstände verschwanden. Das, was die Bewohner mitnehmen konnten und wollten, wurde verschont. Der Rest? „Das kommt alles in die Presse“, sagte ein Mitarbeiter des Bezirksamts Altona, das den Park räumen ließ.

Eigentlich galt die Räumung den osteuropäischen Familien, die in den vergangenen Wochen im Park gelebt und damit für Beschwerden aus der Nachbarschaft und Schlagzeilen gesorgt hatten. Hinz&Kunzt und die Diakonie hatten vom Bezirk öffentliche Unterkünfte gefordert, insbesondere für die Kinder. Doch das Amt lehnte ab und wollte die Familien aus dem Park vertreiben. Am Montag hatten Mitarbeiter Räumungsandrohungen im Park ausgehängt: „Es wird darauf hingewiesen, dass die Nutzungsuntersagung durch Zwangsmittel durchgesetzt werden wird, wenn der Verfügung nicht Folge geleistet wird“, heißt es darin in Behördendeutsch.

Die Familien waren aber schon gar nicht mehr dort. Sie hatten den Park vor einigen Tagen verlassen. „Wir wissen nicht, wo die sind“, sagte Bezirksamtssprecherin Kerstin Godenschwenge. Laut Rom und Cinti Union sind einige mit Unterstützung der Organisation bei anderen Familien untergekommen, andere sollen auf so genannten Durchreiseplätzen im Hamburger Umland untergebracht worden sein. Einige hätten auch in Jobs vermittelt werden können, sagte der Vorsitzende Rudko Kawcynski zu Hinz&Kunzt.

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Auf gepackten „Koffern“: Christian packt sein Hab und Gut zusammen.

Gehen mussten nun die, die eigentlich mit der aktuellen Debatte am Nobistor gar nichts zu tun hatten. Auch Christian musste sein Zelt abbauen, das er sich durch Flaschensammeln erarbeitet und in einem Gebüsch aufgebaut hatte. Der Rumäne war vor vier Monaten auf der Suche nach Arbeit nach Hamburg gekommen. 300 Euro hat er für die Fahrt bezahlt, in Rumänien viel Geld. Im Hamburger Hafen würde es Arbeit geben, hatte man ihm erzählt. Doch bis heute hat er keine gefunden, in Rumänien warten seine Frau und seine beiden Söhne auf den Lohn, den er schicken wollte. „Wer will mich denn?“, fragt der Fliesenleger verzweifelt. „Ich stinke und bin dreckig! Schau dir meine Hände an!“ Er zeigt seine Handinnenflächen, die fast schwarz vom Flaschensammeln sind. „Ich will deutsch lernen und das Gesetz achten. Aber wie soll das gehen, wenn ich keinen Platz zum Schlafen habe?“

Wo er jetzt hin soll, weiß er nicht. Er sitzt auf seiner zusammengerollten Matratze, hat seine Habseligkeiten auf mehrere Hackenporsche verteilt und wartet ab. Niko ist mit seinen Freunden ein paar Meter weiter auf die Wiese gegangen und spielt dort Gitarre. Eine Melodie der Rolling Stones schallt durch den Park, während der Leiter des sozialen Dienstleistungszentrums im Bezirk Altona, Christian Siegmann, Brötchen verteilt. Eine nette Geste, mehr nicht: Siegmann und seine Mitarbeiter versuchen zwar, die Obdachlosen zu beraten. Aber konkrete Hilfe gibt es nicht, nur ein bisschen Verständnis.

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Brötchen statt Betten: Christian Siegmann hat die Räumung koordiniert.

Einige Obdachlose sitzen noch auf der Wiese, als die Polizei abrückt. Das sei nicht verboten, sagt Christian Siegmann. „Aber wenn sie auf die Idee kommen, hier heute Abend wieder eine Matratze hin zu legen, geht das wieder von vorne los.“

Text: Benjamin Laufer
Fotos: Mauricio Bustamante