Winternotprogramm : Coronafall in Sammelunterkunft für Obdachlose

Die Unterkünfte des Hamburger Winternotprogramms, wie hier in der Friesenstraße, haben länger geöffnet. Foto: JOF

Wegen einer positiv getesteten Mitarbeiterin in der Notunterkunft Friesenstraße lässt der städtische Betreiber fördern&wohnen (f&w) vorerst keine neuen Übernachtungsgäste zu.

Hinz&Kunzt Randnotizen

Freitags informieren wir per Mail über die Nachrichten der Woche:

Eine f&w-Mitarbeiterin erschien am Montag vor einer Woche erkältet bei der Arbeit in der Friesenstraße, wie Hinz&Kunzt auf Nachfrage beim Bezirk Mitte erfuhr. Sie kam zu einer Dienstbesprechung mit ihren Kolleg*innen. Das zuständige Gesundheitsamt in Mitte stellte anschließend fest: Ansteckend mit Covid-19 war die Frau da schon seit mehreren Tagen.

Nach Darstellung der Bezirkssprecherin Sorina Weiland ließ die erkrankte Mitarbeiterin Vorsicht walten: Sie habe bei der Dienstbesprechung durchgehend eine FFP2-Maske getragen und sei unmittelbar nach dem Termin wieder gegangen. Kontakt mit Gästen  der Sammelunterkunft habe sie nicht gehabt, sondern nur mit Kolleg*innen. Diese hätten Masken getragen und Abstand gehalten. Nach einer Kontaktüberprüfung durch das Gesundheitsamt seien sie in die Kategorie 2 eingestuft worden, mussten also nicht in Quarantäne. Coronatests für die Kolleg*innen der erkrankten Frau wurden nicht veranlasst. 

Ansteckungsgefahr für Obdachlose nicht ausgeschlossen 

Der Standort Friesenstraße ist der größte des städtischen Winternotprogramms, bis zu 400 Obdachlose können dort unterkommen. Wegen der Ansteckungsgefahr für diese Risikogruppe – Obdachlose gelten als potenziell immungeschwächt – stellt sich die Frage, warum das Gesundheitsamt nicht zumindest diejenigen f&w-Mitarbeiter*innen testen ließ, die mit der an Covid-19 erkrankten Frau Kontakt hatte. „Die Test-Kapazitäten sind begrenzt“, erklärt die Bezirkssprecherin auf Nachfrage.

Nun sind aber doch noch sogenannte Fast-Track-Untersuchungen geplant: Anfang dieser Woche – also mindestens sieben Tage nach der internen f&w-Dienstbesprechung mit der Corona-Erkrankten – werden ihre Kolleg*innen getestet. Ob sich womöglich auch Übernachtungsgäste in der Unterkunft angesteckt haben, werde nicht aktiv ermittelt. 

Bitte keine Obdachlosen mehr in die Friesenstraße bringen, es gibt einen Coronafall.– Warnung von f&w an das Kältebus-Team

Für obdachlose Menschen, die am Wochenende Schutz vor Kälte und Regen suchten, hatte der Vorfall bereits Folgen. „Bitte keine Obdachlosen mehr in die Friesenstraße bringen, es gibt einen Corona-Fall“ – diese Warnung erreichte ehrenamtliche Helferteams schon am Donnerstagabend. Wie Fahrerinnen des Kältebusses berichten, rief eine leitende Mitarbeiterin von f&w noch vor der Tour im Bus an und bat darum, Schutzsuchende vorerst zu anderen Standorten zu bringen. Und am Standort Schmiedekoppel wurden die Kältebus-Fahrerinnen laut Teamleiterin Christiane Hartkopf um Geduld beim Check-in eines Obdachlosen gebeten. Grund: Es seien gerade 25 „Quarantänefälle“ aus der Friesenstraße eingetroffen, um die man sich zuerst kümmern müsse.  

Behörde verschweigt Infektionsfall 

Coronafall? Quarantäne? Am Freitagmorgen beschwichtigten f&w und die Sozialbehörde zunächst. Ihres Wissens laufe der Betrieb in der Friesenstraße wie immer, erklärte f&w-Sprecherin Susanne Schwendtke am Vormittag auf Nachfrage von Hinz&Kunzt. Und Behördensprecher Martin Helfrich sagte: „Wir haben aktuell und auch gestern weder einen Verdachtsfall noch einen positiven Befund.“ Es habe lediglich eine Kontaktklärung stattgefunden, beantwortete Helfrich die Frage, wieso dann offenbar in der Friesenstraße die Aufnahme begrenzt wurde. Dass es durchaus einen positiven Befund gegeben hatte, wenn auch schon zu Beginn der Woche und beim Personal, ließ er unerwähnt.  

Erst am Freitagabend erfuhr Hinz&Kunzt auf erneute Nachfrage bei f&w mehr. Demnach werden neue Übernachtungsgäste in der Friesenstraße seit vergangenem Donnerstag nicht mehr aufgenommen. Reine Vorsichtsmaßnahme, wie Schwendtke erläuterte. Eine Anordnung vom Gesundheitsamt habe es nicht gegeben, man wolle auf Nummer sicher gehen. Die Regel solle gelten, bis die Ergebnisse der Tests des Personals vorliegen.  

Auch für die alarmierende Meldung von „25 Quarantänefällen“ hatte Schwendtke eine Erklärung: Eine Verlegung dieser 25 Personen in die Unterkunft Schmiedekoppel sei schon länger geplant gewesen, um die Belegung in der Friesenstraße aufzulockern. Anlässlich des Infektionsfalls beim dortigen Personal habe man entschieden, die Neuankömmlinge separat im Quarantänebereich der Unterkunft Schmiedekoppel einzuquartieren – auch das eine reine Vorsichtsmaßnahme. Von „Quarantänefällen“ könne keine Rede sein. 

Die ausstehenden Testergebnisse dürften zeigen, ob der Covid-19-Fall in der Friesenstraße ein Einzelfall geblieben ist. Möglicherweise unter dem Eindruck dieses Falls hat die Sozialbehörde gegenüber sozialen Trägern angekündigt, künftig auch in Einrichtungen der Obdachlosenhilfe „präventive Reihentestungen“ auf freiwilliger Basis anzubieten. Allerdings nur für das dort tätige Personal – nicht für obdachlose Nutzer*innen. Dabei ist deren Infektionsrisiko schon deshalb erhöht, weil sie im Winternotprogramm zwischen Groß-Unterkünften, die nur nachts geöffnet sind, und Wärmestuben am Tag wechseln müssen – die letzte Woche geöffnete „Markthalle“ darf tagsüber sogar 200 Menschen aufnehmen.

Autor:in
Annabel Trautwein
Annabel Trautwein
Annabel Trautwein schreibt als freie Redakteurin für Politik, Gesellschaft und Kultur bei Hinz&Kunzt - am liebsten über Menschen, die für sich und andere neue Chancen schaffen.

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