Viele Bauarbeiter kennen ihre Rechte nicht – mit teils drastischen Folgen. Auf Visite auf einer Hamburger Baustelle.
Eine Frage lässt Roman* keine Ruhe: Arbeitet er, ohne es geahnt zu haben, seit drei Monaten ohne Krankenversicherung auf einer großen Baustelle, wo ihm trotz aller Sicherheitsvorkehrungen jeden Tag ein Unfall droht? Es ist diese Sorge, die der polnische Arbeiter anspricht, als ihn Beraterin Aldona Kucharczuk fragt, wie es ihm geht. Sie gehört zu einem Team von Mitarbeitenden der „Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit“ und Gewerkschaftern. Die sechsköpfige Gruppe ist an diesem trüben Septembermorgen auf eine Baustelle im Hamburger Osten gekommen, um die Beschäftigten dort über ihre Rechte aufzuklären – dies ist Teil einer bundesweiten Aktionswoche, die darauf aufmerksam machen soll, dass Arbeitsausbeutung von Wanderarbeitern auf dem Bau keine Seltenheit ist.
Aufgeregt wischt der Mittvierziger mit dem Zeigefinger über sein Smartphone, bis auf dem Bildschirm das Foto eines Schreibens erscheint. Er möge mitteilen, ob und welcher Beschäftigung er derzeit nachgehe, bittet ihn darin seine Krankenkasse. Offenbar hat sein Arbeitgeber die Kasse nicht informiert, dass Roman seit einem Vierteljahr für die Firma arbeitet – obwohl sie schon am ersten Tag dazu verpflichtet war. Was bedeutet das für den Arbeiter? Mehrmals habe er in den vergangenen Tagen im Büro der Firma nachgefragt, erzählt Roman. Eine Antwort habe er bislang nicht bekommen.
