Mittwochabend am Hamburger Hauptbahnhof. Eine Masse an Menschen schiebt sich an den Gleisen entlang. Überall ist Bewegung, niemand bleibt lange an einer Stelle. Es ist ein unruhiger Ort.
In dieser Nacht Anfang Februar werden Menschen an unterschiedlichen Ecken des Bahnhofs innehalten und von diesem Ort erzählen: ein ehemaliger Sozialarbeiter, ein HSV-Fan, eine Frau namens Schnitte. Viele von ihnen verbringen ihre Nächte dort. Sie sind diejenigen, die die Debatten rund um den Hamburger Hauptbahnhof direkt betreffen; und sie sind diejenigen, die darin meist unsichtbar bleiben, weil sie selten jemand nach ihrer Meinung fragt. Was bedeutet dieser Ort für sie?
Ein paar Gehminuten vom Hauptbahnhof entfernt liegt die Drogenberatungsstelle Drob Inn. Die erste Dunkelheit legt sich über den Platz vor dem Haus, Feuerzeuge klicken, Züge rauschen über die nahe gelegenen Gleise. Wenn man näher an die Silhouetten herantritt, die sich um das Gebäude sammeln – es müssen mehrere Hundert sein – zeichnen sich Gesichter ab. Eine Frau sieht sich suchend um. Ob man sie mal etwas fragen dürfe? Was macht sie hier? Katia ist 39 Jahre alt und sagt, sie suche hier nach Menschen, denn sie habe niemanden mehr. Sie erzählt von einer Trennung und dem Tod ihrer Mutter. Und dass sie vor einem Monat ihren Job als Altenpflegerin gekündigt habe, weil ihr alles zu viel wurde. Sie kam schon mal los vom Heroin, seit zwei Wochen nimmt sie es wieder, dazu manchmal auch Crack.
Ob sie weiß, wo sie Hilfe finden kann – oder hier, das Drob Inn, ob sie da mal reingehe? „Manchmal überlege ich mir das, weil ich denke, es ist ja ihr Job, anderen Menschen zu helfen. Aber dann mache ich es nicht, weil es mir so peinlich ist, dass ich wieder abgestürzt bin. Dass ich nicht mal meine Briefe öffnen kann“, sagt sie. Sie müsste jemanden um Hilfe bitten, sagt sie, aber das kann sie gerade nicht. Sie müsse auch mal wieder zum Zahnarzt, aber auch das ist ihr peinlich.
Um kurz vor 22 Uhr bildet sich auf der anderen Seite des Hauptbahnhofs, neben dem „Saturn“-Gebäude, eine Schlange. In der Dunkelheit haben Menschen in pinkfarbenen Westen Klapptische aufgebaut und bereiten eine Verteilaktion für Obdachlose vor.