Momentaufnahme : „Eine Wohnung würde ich verspielen“

Torsten Meiners, 44

(aus Hinz&Kunzt 185/Juli 2008)

Torsten-Stadtpark
Foto: Mauricio Bustamante

Er hat ein großes Herz. Es braucht seit seiner Pubertät so viel Platz, dass seine Lunge klein geblieben ist. „Deswegen haben die mich in der DDR damals nicht zum Hochleistungssportler gemacht, obwohl ich ziemlich fit war“, sagt Hinz&Kunzt-Verkäufer Torsten Meiners. So wurde er eben nicht zum Profi-Ringer, sondern konzentrierte sich auf Ausdauerdisziplinen. Als Radsportler, Marathonläufer, Zehnkämpfer und Fußballer kann er auf eine beachtliche sportliche Karriere zurückblicken. Sein Siegeswille ist mindestens so groß wie sein Herz: „Sport, zum Beispiel Fußball, macht einfach mehr Spaß, wenn man gut spielt. Also spiele ich gut.“ Torsten nennt das sich „arrangieren“. Er arrangiert sich auch mit der Sucht, die sein Leben bestimmt: Seit 20 Jahren bringt der 44-Jährige sein Geld in Kasinos. Er lebt zeitweise von 100 Euro im Monat, probiert erst gar nicht eine Wohnung zu finden: Die würde er ohnehin
verspielen, sagt er. Alternativen zu diesem Leben, etwa eine Therapie, sieht Torsten nicht: „Ich komme ja zurecht. Auch wenn ich nicht wirklich glücklich bin.“

Was hast du in letzter Zeit Besonderes erlebt?
Ich bin mit dem Verein „Viva con Agua“ von Hamburg nach Basel gelaufen – 1050 Kilometer, um Spenden für die Trinkwasserversorgung in der „Dritten Welt“ zu sammeln. Sechs Wochen hat das gedauert. Etwas Ähnliches habe ich im Januar und Februar dieses Jahres schon mitgemacht. Beim „Lauf gegen die Kälte“ ging es in vier Wochen von Dortmund nach Reutlingen, zugunsten von Obdachlosen.

Wo wohnst du derzeit? Und wie ist es da?
Ich habe einen trockenen, sicheren Platz für mein Camp in Hamburg gefunden. Wo genau, verrate ich nicht. Seit 2004 suche ich mir ausgefallene Orte zum Schlafen.

Wie hat dir die Juni-Ausgabe gefallen?
Als ich vom „Viva con Agua“-Wassermarsch zurückkam, hab ich mich über die Ausgabe mit dem EM-Extraheft gefreut. Ich bin selbst Fußballer und spiele in der Nationalmannschaft der Obdachlosen – hoffentlich auch dieses Jahr bei der Weltmeisterschaft in Australien.

Wo hast du vor fünf Jahren gelebt?
Ich war in Neuseeland. Ich wollte auswandern, ein neues Leben beginnen. Weil ich kein Arbeitsvisum bekommen konnte, war ich illegal dort. Zwei Jahre habe ich mich mit Gelegenheitsjobs
durchgeschlagen – bis das Geld alle war.

Wie möchtest du in fünf Jahren leben?
Auf einer Farm in Neuseeland, zusammen mit einer Frau, vielleicht einer pensionierten Kinderärztin.

Wer oder was imponiert dir?
Menschen, die sich sozial engagieren. Zum Beispiel jeder, der Hinz&Kunzt kauft oder die Macher des EM-Extraheftes.

Was hast du im Moment in der Hosentasche?
Taschentücher, weil Hygiene auf der Straße besonders wichtig ist. Mein Portemonnaie und meinen Fahrradschlüssel.

Wenn du einen Wunsch frei hättest, was würdest du dir wünschen?
Dass Götz Werner, der Gründer einer Drogeriemarktkette, sich mit seiner Idee des bedingungslosen Grundeinkommens durchsetzt. Hartz IV ist – da stimme ich ihm absolut zu – offener Strafvollzug für Menschen, die kein Verbrechen begangen haben. Niemals will ich mich vom Staat unterstützen lassen und dafür dessen Bevormundung in Kauf nehmen!

Text: Beatrice Blank