Aktionsbündnis: : „Wohnungen – sofort!“

„Obdachlose müssen unabhängig vom Status und von Herkunft ganzjährig in angemessen Unterkünften versorgt werden.“ Das fordert das Hamburger Aktionsbündnis gegen Wohnungsnot zum Ende des Notprogramms. Außerdem müsse Saga GWG deutlich mehr Wohnungen stellen.

Mitarbeiter der Wohnungslosenhilfe und ihre Forderung zum Ende des Winternotprogramms Mitte April vor dem Hamburger Rathaus.
Mitarbeiter der Wohnungslosenhilfe und ihre Forderung zum Ende des Winternotprogramms Mitte April vor dem Hamburger Rathaus.

Mit einem 20-Meter-langen Spruchband hatten sich Mitarbeiter von Beratungsstellen und Projekten der Wohnungslosenhilfe an die Schleusenbrücke gestellt: „Wohnungsnot beenden! Wohnungen für obdachlose Menschen. Sofort!“ Seit Jahren macht das Hamburger Aktionsbündnisses gegen Wohnungsnot, dem auch Hinz&Kunzt angehört, auf die schlechten Bedingungen in der Obdachlosenhilfe aufmerksam. „Die Lage der Obdachlosen in Hamburg war im vergangenen Winter so dramatisch wie nie zuvor“, sagte Bündnissprecherin Bettina Reuter.

Pluspunkt: „Das Winternotprogramm hat wie immer angefangen und wurde dann immer mehr erweitert“, sagte Sprecherin Bettina Reuter. Aber: Auch die knapp 1000 Plätze anstelle der geplanten 252 Plätze haben nicht ausgereicht. „Nicht jeder bekam einen Platz, viele mussten auf Stühlen oder auf dem Fußboden schlafen.“ Sie habe Menschen erlebt, „die zwei, drei Nächte in der Spaldingstraße übernachtet haben und danach völlig kaputt waren.“

Sprecherin Bettina Reuter
Sprecherin Bettina Reuter

Die Enge, die vielen Menschen, die vielen Sprachen – das habe viele Obdachlose überfordert. „Wenn statt acht Menschen bis zu 16 in einem Raum schlafen, dann muss es eskalieren.“ Viele Obdachlose hätten deshalb das Winternotprogramm nicht mehr in Anspruch genommen. „Sie sind auf die Straße zurück oder bei Freunden untergekommen.“ Ein ehemaliger Obdachloser, der inzwischen eine Wohnung bekommen habe und Obdachlose aufgenommen habe, sei jetzt sogar von der Kündigung bedroht.

Hinz&Kunzt fordert schon lange kleinere, dezentrale Unterkünfte mit Einzelzimmern für Obdachlose. „Davon trauen wir uns zur Zeit gar nicht zu sprechen. Aber dass im Erfrierungsschutz zumindest jeder Menschen ein Bett hat, davon können wir nicht abrücken. Das ist nicht angemessen, das hat mit Menschenwürde zu tun“, sagt Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer.

„Vermittlung in Wohnungen nur durch Zufall“

Nach wie vor gebe es einen dramatischen Engpass für Obdachlose auf dem Wohnungsmarkt. Und das liegt nicht an den Osteuropäern, denn die werden derzeit noch gar nicht in Wohnungen vermittelt. „Wenn wir überhaupt noch jemanden vermitteln, dann durch puren Zufall“, so Bettina Reuter. Der Senat müsse insbesondere die Saga GWG in die Pflicht nehmen: „Von den jährlich 10.000 Neuvermietungen muss ein erheblich größerer Teil als bisher an obdach- und wohnungslose Menschen gehen“, sagte Bettina Reuter. Außerdem müsse der soziale Wohnungsbau in alle Stadtteile ausgeweitet werden. „Jährlich fallen doppelt so viele Wohnungen aus der Sozialbindung wie durch die Wohnungsbauoffensive neu gebaut werden.“

Nicht nur im Winternotprogramms selbst, sondern auch in den Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe herrschte Hochspannung. In der Krankenstube beispielsweise haben rund die Hälfte der Patienten keine Krankenversicherung. Viele kommen aus Polen, Russland und aus Ghana. Viele der Polen sind schon älter und leben seit acht Jahren und länger in Hamburg. Einige haben, ohne es zu wissen, Anspruch auf soziale Leistungen. Immerhin konnten die Mitarbeiter Schwerkranke ins Pflegeheim und ins Hospiz vermitteln. Und es gab einige Fälle von Erfrierungen. Einigen Obdachlosen mussten sogar die Zehen amputiert werden.

Kältetote gab es in Hamburg nicht zu beklagen. Das hatten Mitarbeiter der Wohnungslosenhilfe befürchtet. Aber, so Sonja Norgall vom Mitternachtsbus der Diakonie: „Auch in Hamburg hätten Menschen draußen erfrieren können. Es war lange Zeit sehr kalt. Unser Mitternachtsbus Personen in der Innenstadt. Wer in anderen Stadtteilen oder versteckten Ecken draußen übernachtet, ist der Kälte ausgeliefert und nicht im öffentlichen Blick.“ Das Team vom Mitternachtsbus stehe der Not Obdachloser oft hilflos gegenüber: „Wir haben das Gefühl, dass wir wenig tun können. Letzte Woche haben wir eine Romafamilie mit kleinen Kindern in der Innenstadt angetroffen, die dort übernachtet haben.Es wird jeden Winter und auch im Sommer voller auf der Straße.“

Text: Birgit Müller
Fotos: Mauricio Bustamante

Weiterlesen: Das Diakonische Werk hat die wichtigsten Fragen zum Winternotprogramm für Obdachlose beantwortet.