Winternotprogramm : Jeder Containerplatz ein Schicksal

Adam, Krystof und Janina stehen vor der Tagesaufenthaltsstätte (TAS) des Diakoniezentrums für Wohnungslose für einen Platz im Container an.

Schlechte Erfahrungen in der Spaldingstraße hat Izabella gemacht. Deswegen möchte sie für sich und ihren Freund einen Platz in einem Container. Früher hat Izabella in der Gastronomie gearbeitet, jetzt macht sie schon seit vier Jahren Platte. Die 42-Jährige kennt das Winternotprogramm. Okay fand sie es damals in der Sportallee, aber das Gebäude, in dem 100 Obdachlose im Winter aufgenommen wurden, ist jetzt eine Flüchtlingsunterkunft. Stattdessen wurde das Hochhaus in der Spaldingstraße eröffnet. Mit 160 Plätzen, die im vergangenen Winter auf 240 Plätze erweitert wurden. Aber da will Izabella nie wieder hin. „Zu viel Gewalt“, sagt Izabella – und Adam, ein polnischer Bekannter, der auch einen Platz sucht, übersetzt: „Wenn sie keinen Container bekommt, schläft sie lieber im Zelt.“

Auch Adam hofft auf einen Containerplatz. „Ich trinke schon seit zwei Wochen keinen Alkohol mehr“, sagt der 36-Jährige Pole. Und auch sein Arzt habe gesagt: „Wenn du nicht bald zur Ruhe kommst, kannst du dein Bein vergessen.“ Adam, der Platte macht,  hat sich nämlich das Bein gebrochen – es heilt schlecht zusammen. „Ruhe „ist so ein Zauberwort für ihn – und „Container“. Und das, obwohl er im vergangenen Winter in einem Wohncontainer von einem betrunkenen Landsmann heftig auf den Kopf geschlagen wurde. „Der Kopf war kaputt – und die Augen blutunterlaufen.“ Dabei habe er seinen Bettnachbarn nur gefragt, ob er das Licht aus und das Radio leiser machen könne.

Der 47-jährige Kriztof sehnt sich ebenfalls nach Ruhe. Früher war er mal Fensterbauer, hatte immer Arbeit, dann kam er nach Deutschland, hat hier auch als Fensterbauer gearbeitet, aber schwarz. Vor einiger Zeit hat er einen Streit gehabt. Der andere zog ein Messer und stach es ihm in den Bauch. Die Wunde wurde genäht, aber jetzt hat sie sich entzündet. Sein Bauch ist so geschwollen, dass es aussieht, als habe er einen Fußball verschluckt. Aber im Krankenhaus haben sie ihn immer wieder weggeschickt: „Keine Krankenversicherung“, sagt er.

Vom Hauptbahnhof vertrieben, jetzt auf der Suche nach einem Containerplatz

Ralf wurde vom Sicherheitsdienst aus dem Bahnhof vertrieben.

Bis vergangene Woche war der Bahnhof noch das Zuhause von Ralf, zumindest nachts. Er schlief Nacht für Nacht in einem Schlafsack im Fußgängertunnel. Aber dann kamen die Security-Mitarbeiter, die hier jetzt die Hausordnung der Bahn durchsetzen und die Obdachlosen vertreiben. „Das war ein scheiß Gefühl“, sagt Ralf. „Das war ja meine Sicherheit. Meine Burg.“ Einigen Obdachlosen hätte der Sicherheitsdienst sogar Isomatten und Schlafsäcke weggenommen. Jetzt hofft der 45-jährige auf einen Containerplatz, denn auch er möchte nicht in der Spaldingstraße übernachten: Zu groß ist seine Sorge, dort Gewalt zu erleben.

Janina ist seit April quasi Witwe. Ihr Freund ist in einen Kanal gefallen und war ertrunken. Jetzt macht die 47-jährige mit Kollegen Platte in einem Zelt und sucht für den Winter einen Platz im Container. Schon seit gestern um 16 Uhr ist sie da und hat die Nacht auf einer Styroporplatte verbracht. „Ich brauche Ruhe, einfach nicht viele Leute. Ich brauche Ruhe“, sagt sie und seufzt. Es ging ihr schon mal besser. Sie hatte Arbeit: In einem Stadtteilbüro hat sie geputzt und Kaffee ausgeschenkt. Auch einen Job in einer Bäckerei hatte sie mal. Mit ihrem Ex-Mann hatte sie eine Wohnung. Doch der war gewalttätig, hat laut herumgeschrien und sie verprügelt. „So oft, dass wir haben Wohnung verloren“, sagt sie. Alkohol spielte offensichtlich eine große Rolle. Nach der Räumung trennt sie sich von ihrem Mann – und lernt Pjotr kennen. Eben den, der ertrunken ist. „Er war anders“, sagt sie in gebrochenem Deutsch. „Ein Engel.“ Nie habe er sie geschlagen.

Dossier: Wohnungsnotstadt Hamburg

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Text: Birgit Müller, Benjamin Laufer
Fotos: Mauricio Bustamante

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