FC St. Pauli : Stadion als Notunterkunft für Obdachlose

#DankeHamburg
Diesen Winter öffnete sogar das Millerntorstadion für Obdachlose aus Rumänien. Die Stadt verlangt von den Osteuropäern Beweise, dass sie obdachlos sind. Foto: Mauricio Bustamante.

Erste Liga: Angesichts der großen Kälte hat der FC St. Pauli am Wochenende einen Raum im Millerntorstadion für Obdachlose geöffnet. 

Hinz&Kunzt Randnotizen

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So entspannt ist der Job von Christian Bremer selten. Eigentlich sorgt der 31-Jährige für Sicherheit bei Fußballspielen und auf Konzerten. Am Wochenende war er für das Millerntorstadion des FC St. Pauli zuständig. Allerdings nicht für Fans und Fußballspieler, sondern für die Obdachlosen, denen der Verein hier vorübergehend ein Obdach gegeben hatte. „Es war alles superruhig und superentspannt“, sagt er am Sonntagabend.

Zwei Tage und Nächte hatte ein knappes Dutzend Obdachloser das Angebot genutzt und sich in dem kargen Raum unter der Gegengerade aufgehalten. Den hatte der Verein ihnen angesichts des Dauerfrosts in Hamburg spontan und unbürokratisch zur Verfügung gestellt. Eigentlich sollte das gar nicht an die große Glocke, denn Werbung für sich wollten die bescheidenen St. Paulianer mit ihrem Engagement nicht machen.

Helfer spenden Decken, Schlafsäcke und Lebensmittel

Doch Christian Bremer postet auf seiner Facebook-Seite, man solle Obdachlose auf das Angebot des Vereins hinweisen. „Bitte helft uns und dem Verein Leuten zu helfen, die es aus welchen Gründen auch immer schwer getroffen hat“, schreibt er. Hunderte verbreiten seinen Aufruf – und viele bringen Spenden. Decken, Schlafsäcke, Nahrungsmittel. Die Organisation Bergedorfer Engel liefert mit Transportern Hilfsgüter, der FC St. Pauli stellt warme Getränke für seine Gäste.

Die meisten der Obdachlosen stammen aus Rumänien und waren vorher schon in der Halle des Boxvereins Hamburg Giants untergekommen. Bei einem schmackhaften Pannetone, das ein Spender ins Stadion gebracht hatte, erzählen der 33-jährige Ion und der 35-jährige Florin ihre Geschichte. Sie seien zum Arbeiten nach Hamburg gekommen, sagt Ion. „Weil wir keine Arbeit finden, gehen wir Flaschensammeln und Betteln.“

Dankbar für die Unterstützung der Kiezkicker: Ion und drei Freunde, die alle Florin heißen. Foto: Mauricio Bustamante

In Rumänien hätten sie gar keine Möglichkeit, an Geld zu gelangen, also kämen sie immer wieder für ein paar Wochen nach Hamburg. „Das Geld, das wir hier verdienen, geben wir dafür aus, unsere Kinder zur Schule zu schicken“, sagt Ion. Ob sie hier Geld an dubiose Hintermänner abgeben müssten, wie es immer wieder heißt? „Nein! Das ist nicht wahr!“, sagt Florin bestimmt. Und Ion ergänzt: „Wir betteln für unsere Familie und für niemanden sonst.“

„Wir betteln für unsere Familie und für niemanden sonst.“– Ion

Wenn sie in Hamburg sind, schlafen die Rumänen unter einer S-Bahn-Brücke. In der vergangenen Woche ging das nicht mehr, es war einfach zu kalt. Erst krochen die Frauen und Männer auf der Flucht vor der Kälte in das Bauwerk hinein, dann kam zum Glück das Angebot des Boxvereins, in der Sporthalle unterzukommen.

Kein Bett im Winternotprogramm für die Rumänen

In die Notunterkünfte des städtischen Winternotprogramms gehen die Rumänen nicht. „Wir dürfen dort eh nicht schlafen“, sagt Ion. Immer wieder habe man sie weggeschickt, zuletzt am 1. November 2017. Seitdem hat die Stadt 124 Osteuropäern dort ein Bett verwehrt, weil sie angeblich „Selbsthilfemöglichkeiten“ hätten, etwa eine Unterkunft in Rumänien.

Hatten in der Notunterkunft wenig zu tun: die Sicherheitsleute Paul Eirich (22), Björn Rathge (36) und Christian Bremer (31). Foto: Mauricio Bustamante

Die Selbsthilfemöglichkeit dieser Gruppe ist im Hamburger Winter eine Brücke im Osten der Stadt. Als Alternative bietet die Stadt ihnen einzig eine Wärmestube an. „Wir haben gehört, dass es dort sehr voll ist. Die Stimmung soll aggressiv sein“, sagt Florin. Also blieben sie dort fern.

Nun können sie sich im Millerntorstadion mit ihren Decken auf den beheizten Fußboden legen. Hier ist die Stimmung alles andere als aggressiv, sondern fast herzlich. Im Millerntorstadion fühlen die Männer und Frauen sich ausnahmsweise mal Willkommen.

Sicherheitsmann Bremer räumt ein, dass sein Job über das Wochenende ein bisschen langweilig war, denn viel zu tun hatte er nicht. Aber es war eben auch ganz schön: „Es ist relativ selten“, sagt er, „dass die Leute dankbar sind für unser Tun.“

Autor:in
Benjamin Laufer
Benjamin Laufer
Seit 2012 bei Hinz&Kunzt. Redakteur und CvD Digitales.

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