Hinz&Künztler:innen im Portrait : Obdachlos im Hitzesommer

Barbara (44) ist seit 1,5 Jahren bei Hinz&Kunzt, Miroslav (51) verkauft seit 11 Jahren das Magazin. Foto: Dmitrij Leltschuk

Wer keine Wohnung hat, ist der Hitze oft den ganzen Tag über ausgeliefert. Wir haben Hinz&Künztler:innen gefragt, wie sie sich im Sommer schützen.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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„Ich merke die Hitze körperlich“

„Um mich vor der Hitze zu schützen, versuche ich, mir immer einen Schattenplatz zu suchen. Sonne ist zwar etwas ­Gutes, aber nicht stundenlang. Außerdem schmiere ich mich mit Sonnencreme ein und habe meine Sonnenbrille auf – es sei denn, ich spreche mit Kunden, dann nehme ich sie natürlich hoch, das ist persönlicher. Na ja, und Wasser ist ­natürlich wichtig. Das kaufe ich mir meistens selbst, viele Kunden bringen mir aber auch mal eine Flasche Wasser oder einen Kaffee mit. Ich habe gerade vor Kurzem erst angefangen, Hinz&Kunzt zu verkaufen, im Bahnhofstunnel ­zwischen Saturn und Rewe. Da habe ich zum Glück Schatten. Ich persönlich merke die Hitze im Sommer auch körperlich. Gerade jetzt zum Beispiel, obwohl es noch gar nicht so heiß ist. Ich bin gerade zwei Minuten hierher­gelaufen, um noch rechtzeitig vor der Mittagspause Magazine holen zu können – und bin komplett durchgeschwitzt. Das liegt allerdings auch an meinen Klamotten. Ich wusste nicht, wie warm es heute wird, und ich kann meine Klamotten ja auch nicht ­einfach so irgendwo ablegen. Ich habe zwar gerade einen Ort, an dem ich unterkommen und auch meine Sachen lagern kann, aber eine eigene Wohnung habe ich nicht. Deshalb habe ich zwei Hosen an und auch mehrere Schichten T-Shirts, viel zu warm für das sonnige Wetter heute, aber eigentlich waren Wolken angesagt. Was ich mir für den Sommer ­wünschen würde? Irgendeine Abkühlmaßnahme für die Innenstadt wäre schon gut. Irgendwas, wo man auch mal kühle Getränke bekommt und sich mal den Kopf kalt abwaschen kann. So was wäre schon gut.

Marcel (31) hat im Mai dieses Jahres bei Hinz&Kunzt angefangen.

 

„Kühlen Kopf bewahren“

„Auf meiner Platte versuche ich, mich im Sommer unter Segeltüchern, Sonnenschirmen,
Strandmuscheln oder so was vor der Sonne zu schützen. Normalerweise schlafe ich im Zelt, da ist
die Sonne aber kein Problem, weil ich immer schon um sechs oder sieben Uhr aufstehe – also bevor
es zu heiß wird. Was aber immer ein Problem im Sommer ist: fehlende Toiletten. Die meisten sind
abgeschlossen, es gibt kaum kostenlose Toiletten mit Wasserspender und Seife, also mit diesen
Grundsachen, die du auf der Straße brauchst, um dich zu waschen und frisch zu machen. Das fehlt total.
Wo ich mich aufhalte, wenn es draußen so richtig heiß ist? Am liebsten im Park oder an der Alster –
da kriegt man im Schatten immer einen kühlen Kopf.“

Aziz (39) ist seit 2016 bei Hinz&Kunzt.

Wohin mit den Klamotten?

„Letzten Sommer haben wir im Zelt geschlafen. Das ist natürlich unbequem. Schlimm wird es aber, wenn es heiß ist. Dann kommen die Insekten. Außerdem wissen wir nicht, wo wir unsere Klamotten lassen sollen. Für kalte Tage brauchen wir viel Kleidung, dicke Sachen. Bei Hitze müssen wir die irgendwo lassen, wenn wir nicht alles übereinanderziehen wollen. Immer alles im Rucksack mit sich zu tragen ist zu schwer. Wir haben unser Zeug auch schon mal im Zelt gelassen, aber uns wurde immer wieder alles geklaut. Mal nur die Klamotten, mal die Klamotten und das Zelt gleich mit. Wenn man mehr schwitzt, muss man sich auch öfter waschen. Wir gehen dann zum Duschbus von GoBanyo, aber immer geht das nicht, manchmal sind uns die Wege auch zu weit. Miroslav sitzt ja im Rollstuhl, und Bus und Bahn sind teuer. Manchmal wischen wir uns deshalb mit Feuchttüchern ab. So gut es eben geht. Die Klamotten muss man auch öfter waschen, wenn man viel schwitzt. Man muss dann häufiger in den Waschsalon – auch das kostet viel Geld.“

Barbara (44) ist seit 1,5 Jahren bei Hinz&Kunzt, Miroslav (51) verkauft seit 11 Jahren das Magazin. 

 

Pulli gegen Sonnenbrand 

„Wenn es heiß ist, muss man sich ein schattiges Plätzchen suchen. Natürlich ist Hitze ziemlich anstrengend.
Vor allem muss man zusehen, dass man genügend zu trinken hat. Ich kaufe mir das Wasser, oder ich werde auch mal von Leuten eingeladen an der Ecke, an der ich verkaufe. Öffentliche Wasserhähne habe ich aber auch schon mal genutzt. 
Einen Sonnenbrand hatte ich schon lange nicht mehr, weil ich trotz Hitze immer einen langärmligen Pulli oder eine Jacke anhabe. Wenn die locker sitzen, kühlt das auch, dann zirkuliert die Luft. Wenn man sich besoffen auf eine Wiese legt und in der Sonne einpennt, kann man sich richtig verbrennen. Zum Duschen und Waschen gibt es genug Möglichkeiten in Hamburg, finde ich. Ich mache das in der Drogenberatungsstelle  Drob Inn, die haben da eine behindertengerechte Dusche, da kann ich mich hinsetzen.“

Thomas (55) ist seit 2001 bei Hinz&Kunzt.

Artikel aus der Ausgabe:

Der Hitze ausgesetzt

Heiße Sommer sind für Obdachlose besonders gefährlich. Während andere Städte Sonnensegel aufhängen oder sogar Notunterkünfte eröffnen, hängt Hamburg beim Hitzeschutz hinterher. Außerdem: Warum Bettler zu unrecht aus der Innenstadt vertrieben werden und wie Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) ausreichend Wohnraum für alle schaffen will.

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Autor:in
Lukas Gilbert
Lukas Gilbert
Studium der Politikwissenschaft in Hamburg und Leipzig. Seit 2019 bei Hinz&Kunzt. Zunächst als Volontär, seit September 2021 als Redakteur.

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