Fast alles, was im Hamburger Hafen vom Wasser aufs Land bewegt und abtransportiert wird, ist ein Job für die rund 6400 Mitarbeiter:innen der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA). An deren Spitze steht eine Frau: Angela Titzrath ist seit 2017 Vorstandsvorsitzende.
Hinz&Kunzt: Im Sommer geriet die Logistik im Hamburger Hafen aus den Fugen: Krieg in der Ukraine, Sanktionen gegen Russland und die Pandemie mit Lockdowns in China führten zu enormen Staus hinter den Kaikanten. Hat sich das System erholt?
Angela Titzrath: Es läuft wieder rund. Wir haben zusätzliche Ausgleichsflächen genutzt und sehr viel Material, Technik und Mitarbeiter dafür eingesetzt, um diese Staus abzuarbeiten. So konnten wir die Effekte von gestörten Lieferketten, Hafenschließungen und Staus auf den Weltmeeren nach und nach ausgleichen.
Die HHLA betreibt auch in der ukrainischen Hafenstadt Odessa einen Terminal. Wie ist die Lage dort?
Für uns hat der Krieg in der Ukraine Namen und Gesichter. In Odessa arbeiten knapp 500 unserer Mitarbeiter. Den Winter, die Drohnenangriffe und Bombardements, all das erleben sie mit. Den Hafen von Odessa hält die
ukrainische Regierung mit Ausnahme von Getreidetransporten noch geschlossen, aber unser Terminal ist landseitig weiterhin im Betrieb. Wir hoffen, dass wir diesen Terminal auch für den Wiederaufbau der Ukraine nutzen können.
Was tut die HHLA für ihre Belegschaft im Kriegsgebiet?
Direkt nach Ausbruch des russischen Angriffskrieges haben wir rund 150 Angehörige von HHLA-Mitarbeitern aus Odessa in einer logistisch komplexen Aktion bei der Flucht unterstützt. Sie sind zum Teil zunächst privat bei Kollegen in Hamburg untergekommen. Das war eine großartige solidarische Leistung der Mitarbeiter. Sie haben nicht nur ihre Herzen geöffnet, sondern auch ihr Heim. Ich bin wirklich stolz und dankbar dafür. Eine großzügige Belegschaftsspende haben wir im vergangenen Jahr außerdem durch einen Hilfsfonds in Höhe von einer Million Euro ergänzt, mit dem wir unsere Beschäftigten und weitere Menschen in der Ukraine unterstützen. Wir haben Hilfsgüterlieferungen über unseren Terminal in Triest und unsere Hinterlandverbindungen organisiert und nach Odessa gebracht.
Zum Zeitpunkt des Interviews hatte Angela Titzrath schwierige Verhandlungen zu führen. Die HHLA hatte sich mit der chinesischen Reederei COSCO auf eine 35-Prozent-Beteiligung am Hamburger Terminal Tollerort geeinigt, es hagelte Kritik und Schlagzeilen über einen Ausverkauf des Hamburger Hafens. Der geplante Deal sorgte für Streit in der Bundesregierung, dann entschied das Kabinett unter Kanzler Olaf Scholz (SPD): Beteiligung ja, aber nur zu 24,99 Prozent. Managerin Titzrath musste zurück an den Verhandlungstisch, unterschrieben war der Vertrag bis Redaktionsschluss noch nicht.