Kaum ein Tier hat einen so miesen Ruf wie die Stadttaube. Hamburger Tierschützer:innen versuchen einiges, um Image und Lebenssituation der Vögel zu verbessern. Konkrete Vorschläge politisch umzusetzen, ist jedoch schwierig.
Erst vor zwei Tagen hat Andrea Scholl wieder eine tote Taube vom Radweg geklaubt. „Die war gerade frisch überfahren worden“, sagt sie. Die 55-Jährige sammelt regelmäßig Tauben von der Straße: Vögel mit abgeschnürten Füßen, gebrochenen Flügeln und angesengten Federn, es ist alles dabei. Auf ihrem Handy hat Scholl Dutzende Fotos davon gespeichert. Die zeigt sie dann den Politiker:innen und Journalist:innen, mit denen die 2. Vorsitzende des Vereins „Hamburger Stadttauben“ über die, wie sie sagt, vielen Vorurteile gegenüber Stadttauben spricht. Lateinisch übrigens: Columba livia forma domestica.
Tatsächlich ist das Image der flatternden Großstadtbewohnerinnen mies: Ratten der Lüfte, Müllschlucker, Krankheitsverbreiter, Gebäudezerstörer – die Liste der Vorwürfe ist lang. Es seien immer zu viele an einem Ort, sie kämen zu nah, eklige Fressgewohnheiten hätten sie auch. Fliegen sie im Schwarm hoch, bekommen manche Menschen Panikattacken. Kaum jemand weiß, dass Tauben viel mehr können, als Pommes vom Asphalt zu picken und auf Autodächer zu scheißen. Tauben sind sogar ziemlich schlau: Sie können sowohl einfache Rechenregeln lernen als auch Wörter voneinander unterscheiden. Noch besser funktioniert ihr Bildgedächtnis: Bis zu 1800 unterschiedliche Motive können sie sich einprägen. In einem Versuch lernten Tauben nach kurzer Zeit, den Stil Van Goghs von einem Picasso zu unterscheiden. In einem anderen Experiment wurden sie erfolgreich trainiert, Brustkrebs in Aufnahmen von Gewebeschnitten zu erkennen.