Tote Obdachlose : Diakonie fordert besseres Winternotprogramm

Blick in ein Zimmer im Winternotprogramm in der in der Friesenstraße. Foto: Mauricio Bustamante.

Nach dem vierten toten Obdachlosen noch vor Winterbeginn kritisiert die Diakonie das Angebot der Stadt. Das Winternotprogramm sei für viele Obdachlose „zu abschreckend“ und müsse „einladender“ werden – für alle, gleich welcher Nationalität.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Die Diakonie Hamburg hat das Winternotprogramm der Stadt in seiner jetzigen Form als „zu abschreckend“ für die Zielgruppe kritisiert: Viele Obdachlose blieben auch in kalten Nächten auf der Straße, statt die zwei Standorte des Erfrierungsschutzes in der Friesenstraße und in der Kollaustraße zu nutzen.

Ein Blick auf die aktuelle Auslastung der beiden städtischen Standorte bestätigt dies: In der Nacht vom 12. Dezember waren in der Friesenstraße in Hammerbrook 338 Betten belegt (84,5 Prozent), an dem weiter entfernten Standort in der Kollaustraße schliefen jedoch nur 132 Menschen (44,8 Prozent) – und das bei nächtlichen Temperaturen um 1 Grad.

Hinz&Kunzt hatte am Mittwoch berichtet, dass innerhalb nur eines Monats bereits der vierte Obdachlose in Hamburg auf der Straße gestorben ist. Die Politik müsse nun handeln, forderte Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer. Um weitere Todesopfer „nach Möglichkeit zu verhindern“, fordert die Diakonie nun folgende Maßnahmen:

Das Winternotprogramm soll ganztags geöffnet werden, „damit die sowieso schon Geschwächten nicht zusätzlich Wind und Wetter ausgesetzt sind“, so Dirk Hauer, Leiter des Fachbereichs Migration und Existenzsicherung bei der Diakonie. Derzeit müssen Obdachlose die schützenden Räume jeden Morgen um 9.30 Uhr verlassen und dürfen erst wieder um 17 Uhr hinein.

„Winternotprogramm muss für alle da sein“

Außerdem müsse gewährleistet sein, dass das Winternotprogramm „wieder frei und anonym zugänglich für alle sein muss – egal welcher Nationalität.“ Osteuropäische Obdachlose, die über eine Bleibe im Herkunftsland verfügen, verweist die Stadt in die so genannte Wärmestube in der Hinrichsenstraße. „Viele Menschen nehmen die Wärmestube nicht an“, so Dirk Hauer. Die Wärmestube ist ein Aufenthaltsraum für 100 Menschen, der täglich geöffnet ist – Betten gibt es darin nicht.

Schließlich müsse die Vertreibung von Obdachlosen aufhören: Das Räumen von Platten und die Aberkennung der Freizügigkeitsrechte von EU-Ausländern (wie bei den osteuropäischen Obdachlosen) führe dazu, „dass die Menschen versteckt in extremer Armut und Gefahr leben und verelenden“, so Dirk Hauer.  An die Kritik schloss die Diakonie eine Forderung an: „Die Hilfe für Obdachlose muss einladender werden und wieder für alle nutzbar sein.“

Korrektur: In einer älteren Fassung dieses Artikel stand, dass die Wärmestube nur an Wochenenden und Feiertagen geöffnet ist. Wir haben den Fehler korrigiert.

Autor:in
Simone Deckner
Simone Deckner
Simone Deckner ist freie Journalistin mit den Schwerpunkten Kultur, Gesellschaft und Soziales. Seit 2011 arbeitet sie bei Hinz&Kunzt: sowohl online als auch fürs Heft.

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