Deutschlandticket : Kein Ticket für alle

Ist günstig, können aber trotzdem nicht alle kaufen: Das Deutschlandticket. Foto: Mauricio Bustamante.

In Hamburg ist das „Deutschlandticket“ mit Sozialrabatt für 19 Euro erhältlich. Arme Menschen können es teilweise trotzdem nicht kaufen.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Seit Anfang Mai können Menschen deutschlandweit für 49 Euro im Monat mit dem Deutschlandticket unterwegs sein. Für Hilfebeziehende kostet das neue Ticket in Hamburg dank Sozialrabatt sogar nur 19 Euro. Eigentlich eine tolle Sache, findet Teresa Ladehoff. Sie ist Sozialarbeiterin in einer Aufenthalts- und Beratungsstätte von Fördern & Wohnen. Gerade für ihre Klientel könnte das Angebot ein echter Fortschritt sein. Weil viele mobil sein müssen, um von der Schlafstätte oder der Wohnung zur Substitutionsam­bulanz zu gelangen oder zur Tafel, zu sozialen Einrichtungen, dem Jobcenter, zur Arbeit. Nur, sagt Ladehoff: „Bei der Planung des Tickets wurden sie nicht mitgedacht.“

Das Problem ist: Die Bundesregierung hat das Deutschlandticket als Abo eingeführt. Man kann es sich nicht mit Bargeld am Schalter oder Automaten holen, sondern braucht ein Bankkonto, von dem der Betrag dann jeden Monat ab­gebucht wird. Nur so ist das digitale Ticket gültig.

Klar, das klingt praktisch. Nur weiß Ladehoff, dass einige der Menschen, die sie berät, gar kein Konto haben. Zum Beispiel weil sie verschuldet sind oder keines wollen, aus Angst vor erneuter Verschuldung. Genauso wie Ladehoff fordern auch Sozialverbände seit Monaten, dass die ­Tickets sowohl digital als auch analog am Automaten oder am Schalter zu kaufen sein müssten. Und zwar monatlich und nicht nur im Abonnement. Nur so könne das Ticket barrierefrei für alle verfügbar sein. In seiner jetzigen Form schließe das Modell Menschen ohne Konto aus, darunter viele obdachlose und arme.

Zum Beispiel Manja. Vor ihr, auf einem Tisch in der Beratungsstelle, liegt ein dicker Umschlag mit der Aufschrift „hvv“. Ein Stapel Blätter steckt darin, auf dem obersten steht: „Antragsformular für Sozial­rabatt der Freien und Hansestadt Hamburg“. Manja hatte sich vorbereitet.

Doch als sie mit ihrem Freund Thomas und dem dicken Umschlag zur hvv-Servicestelle ging, wurden sie abge­wiesen, obwohl sie beide ein Konto haben. Thomas vermutet allerdings, dass es an ihren Schulden bei der Hamburger Hochbahn liegen könnte, wegen Fahrens ohne Ticket.

Wer kein Konto habe oder Schulden bei den Verkehrs­unternehmen, kann kein Abo abschließen, bestätigt eine hvv-Sprecherin. Manja und Thomas können sich deshalb kein Deutschlandticket mit Sozialrabatt kaufen, sondern nur ein reguläres – oder ohne Ticket fahren und damit weitere Schulden und letztlich gar ­eine Haftstrafe riskieren. Sozialarbeiterin Ladehoff findet es verständlich, dass Unternehmen wie der hvv keine Abonnements an Menschen vergeben, die bei ihnen verschuldet sind. Sie glaubt aber, dass es andere Möglichkeiten geben müsse, allen das Ticket anzubieten: zum Beispiel direkt über das Jobcenter oder am besten als Monatskarte am Automaten.

Artikel aus der Ausgabe:

Der Hitze ausgesetzt

Heiße Sommer sind für Obdachlose besonders gefährlich. Während andere Städte Sonnensegel aufhängen oder sogar Notunterkünfte eröffnen, hängt Hamburg beim Hitzeschutz hinterher. Außerdem: Warum Bettler zu unrecht aus der Innenstadt vertrieben werden und wie Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) ausreichend Wohnraum für alle schaffen will.

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Autor:in
Anna-Elisa Jakob
Anna-Elisa Jakob
Ist 1997 geboren, hat Politikwissenschaften in München studiert und ist für den Master in Internationaler Kriminologie nach Hamburg gezogen. Schreibt für Hinz&Kunzt seit 2021.

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