Rübenkamp : Bezirk Nord entsorgt Habseligkeiten von Obdachlosen

Die Obdachlosen Cristi (links) und Petre vor ihrem ehemaligen Schlafplatz. Foto: Andrei Schwartz.

Weil Schlafen unter der Brücke gegen die Grünanlagenverordnung verstoße, räumte das Bezirksamt Nord eine Platte am Rübenkamp. Die Obdachlosen haben nicht nur ihren Schlafplatz verloren: Auch ihr Hab und Gut ließ der Bezirk entsorgen.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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„Wir haben gar nichts mehr anzuziehen, nur noch das, was wir gerade anhaben“, sagt Cristi*. Der 52-Jährige Hinz&Künztler schüttelt den Kopf. Jacken, Hosen, Mützen, Unterwäsche – alles weg. Bis Mitte Oktober schlief der Obdachlose gemeinsam mit neun anderen Menschen unter einer S-Bahn-Brücke an der Ecke Hebrandstraße/Sengelmannstraße.

Doch am Dienstag vergangener Woche rückten um 14 Uhr Mitarbeiter des Bezirks Nord unter Polizeibeobachtung an, um die Platte zu räumen. Das wenige Hab und Gut der Obdachlosen entsorgte die Stadtreinigung: darunter auch die Matratzen, auf denen die kleine Gruppe aus Osteuropa bislang geschlafen hatte. Inzwischen sind die Obdachlosen weg. Ihr neuer Schlafplatz ist aber nur ein paar Fußschritte entfernt: unter einer anderen S-Bahn-Brücke.

„Da wohnt weit und breit niemand und die Platte ist von der Straße auch gar nicht einsehbar.“– Andrei Schwartz

„Es geht und sehr schlecht. Wir wissen überhaupt nicht, wo wir jetzt hin sollen“, sagt Petre* (44), der ebenfalls zur Gruppe am Rübenkamp gehört. Es habe dort noch nie Probleme gegeben, beteuern beide. „Da wohnt weit und breit niemand und die Platte ist von der Straße auch gar nicht einsehbar in einem Gebüsch“, sagt Andrei Schwartz. Der Filmemacher hält engen Kontakt zu der Gruppe, seit er sie bei einer Recherche kennengelernt hat.

Bezirk: Es gab Beschwerden über die Obdachlosen

Es hat Beschwerden über die Platte gegeben, sagt hingegen Jan Uentz-Kahn, der Bezirksamtssprecher. Die Gruppe sei daher bereits im August und nochmals im September aufgefordert worden, die Platte zu räumen. „Es ist ausreichend Zeit zugestanden worden, die Fläche zu räumen und das Hab und Gut zu sichern“, so Uentz-Kahn.

Bezirk räumt an der Kennedybrücke auf
Vertreibung
Bezirk räumt an der Kennedybrücke auf
Der Bezirk Mitte vertreibt Obdachlose aus einer Grünanlage an der Kennedybrücke. Einige haben Glück, sie dürfen ihre Zelte unter der Brücke aufschlagen. Andere wissen nicht, wohin.

Außerdem: Das Lagern unter der Brücke verstoße gegen geltendes Recht. Mit dieser Begründung, genauer dem Verstoß gegen die Verordnung zu Schutz der öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen, hatten in den vergangenen Monaten bereits der Bezirk Altona und auch der Bezirk Mitte die Vertreibung von Obdachlosen begründet.

Zurück auf ihre alte Platte können die Obdachlosen nicht. Da, wo sie bis vor Kurzem geschlafen haben, steht jetzt ein Bauzaun – auf der anderen Straßenseite wird für das Pergolenviertel gebaut. Stimmt, bestätigt Bezirksamtssprecher Uentz-Kahn. Zwar habe der Bezirk die Versetzung des Bauzaunes nicht selbst angeordnet, aber darauf hingewirkt: „Es gab vor Ort ein Gespräch mit dem Verantwortlichen der Baustelle, der den Zaun dann versetzt hat.“

* Name von der Redaktion geändert

Autor:in
Simone Deckner
Simone Deckner
Simone Deckner ist freie Journalistin mit den Schwerpunkten Kultur, Gesellschaft und Soziales. Seit 2011 arbeitet sie bei Hinz&Kunzt: sowohl online als auch fürs Heft.

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