Vom 13. bis 15. Oktober findet in Hamburg die Deutsche Meisterschaft im Straßenfußball für Wohnungslose statt. Von der Kraft des Kickens für Menschen, die sonst wenig Schönes erleben.
Über die Frage, was er den Turnier-Teilnehmenden gerne als Botschaft mit auf den Weg geben möchte, muss Manuel Timmermann nicht lange nachdenken. Straßenfußball, sagt er, „kann einem richtig viel geben: vor allem Zusammenhalt, das kann man fast mit ‚Familie‘ beschreiben.“ Ein wertvolles, manchmal sogar überlebenswichtiges Gefühl sei das für sie alle, die eher am Rande der Gesellschaft leben: „Man wird da als Mensch ja nicht so gerne angeschaut – und oft ganz übersehen.“
Timmermann, ehemaliger Nationalspieler im Straßenfußball und mittlerweile in Wilhelmsburg zu Hause, freut sich deshalb sehr auf die Aufgabe, die vor ihm liegt. Er wird in der Turnierleitung sitzen, wenn vom 13. bis zum 15. Oktober auf dem grauen Pflaster des Harald-Stender-Platzes vor dem Millerntor-Stadion die Meisterschaft im Straßenfußball ausgetragen wird. 16 Teams aus ganz Deutschland werden dann erstmals seit vier Jahren – Corona sei Undank – wieder um den Titel kämpfen. Ausgerichtet wird die Meisterschaft, mit Unterstützung des FC St. Pauli, vom Verein „Anstoß!“, der in Kiel sitzt und im Untertitel die Bezeichnung „Bundesvereinigung für
soziale Integration durch Sport“ führt. Die letzten Titelkämpfe fanden 2019 im bayerischen Herzogsägmühle statt, einer 1894 gegründeten Arbeiterkolonie 80 Kilometer südlich von München, die heute eine soziale Einrichtung der Diakonie Oberbayern ist, damals das Meisterteam stellte und in Hamburg wieder antritt. Bestes Hamburger Team auf Platz sieben: die Mannschaft des Diakonischen Werks Hamburg, seinerzeit betreut von Johan Graßhoff. Der langjährige Wandsbeker und frischgebackene Neuallermöher sitzt inzwischen nicht nur im Vorstand von „Anstoß!“, sondern amtiert mittlerweile auch als Bundestrainer der deutschen Straßenfußballer:innen.
Zum Gespräch verabredet sich Graßhoff auf einem Kinderspielplatz. Der 35-Jährige ist gerade in Elternzeit, ansonsten arbeitet er auf einer Teilzeitstelle als Straßensozialarbeiter für obdachlose Menschen bei der Diakonie. Zuerst will er uns mit den Besonderheiten des Straßenfußballs vertraut machen. Teilnehmen dürfen Teams mit unterschiedlichen sozialen Hintergründen, gemeldet über die jeweiligen Einrichtungen: Die Wohnungslosenhilfen stellen ebenso Mannschaften wie Straffälligen- oder Therapiehilfen, stark im Kommen sind Teams aus der Geflüchtetenhilfe. Das entscheidende Kriterium jedoch, das alle Teilnehmenden eint, ist Wohnungslosigkeit in einem eng gesetzten Zeitrahmen. In Hamburg gebe es „eine Handvoll Mannschaften“ – etwa das Team der „rue66“, einer Eingliederungshilfe für Wohnungslose mit Sitz in der Wandsbeker Zollstraße. Trainiert werde häufig erst direkt auf Ereignisse hin, die Teilnehmendenzahlen seien sehr unregelmäßig. Wohnungslose Menschen, weiß Graßhoff aus eigenem Erleben, hätten häufig einen erstaunlich strukturierten Tagesablauf, in den sich regelmäßiger Sport schwer integrieren lasse. Bei seinem Arbeitgeber habe er früher regelmäßig einen Freitags-Fußballtermin angeboten, „aber seit ich in Elternzeit bin, ist das leider ein bisschen eingeschlafen“.
um Straßenfußball gekommen ist Graßhoff, der in Hamburg früher selbst für den Post SV, den Walddörfer SV und den SC Sperber kickte, durch sein Freiwilliges Soziales Jahr, das er nach dem Abitur 2007 in St. Petersburg absolvierte. Dort half er einem Obdachlosenteam und blieb auch nach seiner Rückkehr ein Teil dessen, spielte für die St. Petersburger mit einer Ausnahmegenehmigung Turniere in Russland, Polen, Litauen und Finnland und startete bei den „World Championships Street Soccer“ in Djakarta sogar für die russische Nationalmannschaft.