Sven, 39, verkauft am Eppendorfer Marktplatz vor Edeka.
Um nicht draußen übernachten zu müssen, hat sich Sven schon einiges einfallen lassen: „Ich bin sogar im Sexkino schlafen gegangen und von dort dann morgens zur Arbeit.“ Er wendet seine blauen Augen ab. „Ich war immer auf dem Sprung, ständig ohne festen Wohnsitz. Von einer Couch zur nächsten bin ich.“ Seit eineinhalb Jahren schläft der 39-Jährige in einem Männerwohnheim. Dort lebt er in einem Zweitbettzimmer. Dass er ein eigenes Zimmer hatte, ist lange her.
Aufgewachsen ist Sven auf einem Bauernhof in Mecklenburg-Vorpommern. An seine Kindheit erinnert er sich gern zurück. Momentan habe er aber keinen Kontakt zu seiner Familie. „Ich habe kein Handy und kann mich nicht melden“, sagt er verärgert. Sein altes sei kaputtgegangen und ein neues teuer. Wenn er wieder eins hat, dann wolle er seinen Vater anrufen. „Schon schön, so Familie“, sagt Sven. Doch es habe Zeiten gegeben, da traute er sich aus Scham nicht, sie anzurufen.
Dabei lief in seinem Leben zunächst alles glatt: Sven machte mit 16 Jahren eine Ausbildung zum Maler und Lackierer und zog nach Hamburg. Dort hatte er einen Job bekommen. Doch als die Firma pleiteging, fand er keine neue Stelle und verlor seine Wohnung. Er schlief bei Bekannten und hangelte sich von Zeitarbeitsfirmen zu Schwarzarbeit-Jobs. „Ich hab nonstop gearbeitet“, sagt Sven und zeigt seine Handinnenflächen, die von dicker Hornhaut überzogen sind. „Ich hab sogar Koks gezogen, um wach zu bleiben“, erzählt er. Als er
einmal nachts von einer Baustelle kam, hielt ihn die Polizei an. „Ich hatte was genommen, um zu funktionieren“, sagt er entschuldigend. Er verlor seinen Führerschein und fand dadurch noch schwieriger Arbeit. „Dann ging alles bergab.“
Er zieht ein Hosenbein hoch und zeigt auf seine Wade: Haut schält sich ab, dazwischen offene Stellen und rote Pusteln. „Da hat ein Kollege vor ein paar Jahren versehentlich einen Farbeimer drüberfallen lassen“, sagt er und verzieht das Gesicht. Bis heute hat sich seine Haut von der allergischen Reaktion nicht erholt. Mit Farbe darf er seitdem nicht mehr in Berührung kommen, und so musste er seinen Beruf aufgeben. Er hielt
sich mit dem Dealen von Marihuana über Wasser.
Vor sieben Jahren nahm ihn ein Bekannter mit zu Hinz&Kunzt und Sven blieb. Seitdem habe sich viel für ihn geändert. „Ich muss keine illegalen Sachen mehr machen, um Geld zu verdienen. Das bedeutet richtig viel für mich.“ Seit einem Jahr arbeitet Sven regelmäßig im Hinz&Kunzt-Shop, wo er die Bestellungen verpackt. „Das macht Spaß, und so muss ich nicht den ganzen Tag draußen auf der Straße sein.“ Doch das wolle er nicht für immer machen: „Ich möchte wieder richtig arbeiten können“, sagt er entschlossen. Im Februar beginne er eine Umschulung zum Elektrotechniker. „Ich hoffe, dass ich gerade auf einem guten Weg bin. Ja, da bin ich mir fast sicher“, er atmet erleichtert aus. Von den Drogen ist er weg und sein Ziel hat er wieder klar vor Augen: „Eine eigene Wohnung, nur für mich.“
