„Preußische Offiziere meutern nicht!“

Erich von Manstein – ein Kriegsverbrecher und Ehrenmann

(aus Hinz&Kunzt 132/Februar 2004)

Er galt als brillanter Kopf, als Ehrenmann, sowohl die Nazis als auch die Widerstandskämpfer vom 20. Juli wünschten sich ihn als Oberbefehlshaber des Militärs. Er beriet Adenauer und wurde von Churchill unterstützt – und trotzdem war Erich von Manstein ein Kriegsverbrecher, der für den Tod ungezählter Kriegsgefangener und Zivilisten in seinem Bereich verantwortlich war. 1949 stellten die Briten ihn in Hamburg vor Gericht.

Kriegsverbrecher – darunter stellt man sich Menschen vor, bei denen es einem leicht fällt, sie unsympathisch zu finden. Bei Erich von Manstein, Jahrgang 1887, fällt das schwer. Er verkörperte geradezu die preußischen Tugenden Treue, Ehrlichkeit, Disziplin. Er galt als gerecht, aber prinzipientreu. Überall bekam er beste Beurteilungen: Seine Untergebenen ließen nichts auf ihn kommen, in der Reichswehr und später in der Wehrmacht machte er eine Bilderbuch-Karriere, und nie war er in irgendwelche Skandale verwickelt.

Aber er vertrat eine Haltung, die typisch ist für viele Militärs. Er diente „jeder legalen Regierung“. Und das ging so weit, dass er seinen Treueeid auf Hitler ablegte, als dieser es verlangte, und dessen Befehle auch weitergab oder sogar befolgen ließ, selbst wenn er sie für falsch hielt. Dabei war er mutig: Mit Kritik am Führer hielt er sich nicht zurück. Allerdings ging es dabei nicht um den Vernichtungskrieg im Osten, sondern um militärische Probleme. Von Manstein – und da stand er nicht alleine – hielt Hitler für einen Dilettanten und machte ihn immer wieder auf Fehler aufmerksam. 1944 lobte Hitler ihn deshalb weg – und versetzte ihn in die Führer-Reserve.

Aber vorher passierten widersprüchliche Dinge: Feldmarschall Manstein, Chef der Heeresgruppe Süd, die auf der Krim eingesetzt war, bekam Besuch von General von Gersdorff. Der offenbarte ihm den Plan, Hitler ermorden zu wollen und fragte ihn, ob man auf seine Hilfe zählen könnte. Von Manstein sollte der Oberbefehlshaber der Streitmächte werden. Von Gersdorff schilderte später, wie von Manstein reagierte. Nämlich entsetzt. „Preußische Offiziere meutern nicht!“, soll er gesagt haben. Das Attentat könne einen Bürgerkrieg in der Armee auslösen. Von Gersdorff gab nicht auf: Und wenn das Attentat ohne Hilfe von Mansteins gelinge? Von Manstein antwortete typisch: Er würde „jeder legalen Regierung“ angehören. Aber immerhin: Er verriet die Pläne der Generäle nicht.

Aber so ganz der Ehrenmann, als den er sich selbst und andere ihn sehen, war er nicht. 1941 nämlich, als SS undPolizei auf dem Gebiet seiner 11. Armee tausende Juden erschossen, forderte er hierfür Verständnis von seinen Soldaten. Es handle sich um die „Notwendigkeit der harten Sühne am Judentum“. Die Juden, so schrieb von Manstein, seien „geistige Träger des bolschewistischen Terrors“.

Seine Truppen gingen alles andere als zimperlich mit Kriegsgefangenen und Zivi-listen um. Manche Gefangenen wurden zur Hinrichtung überstellt, weil sie Politoffizier waren, andere mussten Zwangsarbeit für die deutschen Truppen leisten. Zivilisten wurden nicht selten bis ins Reichsgebiet verschleppt. Oft wurden Unbeteiligte für Anschläge auf deutsche Soldaten erschossen.

Erich von Manstein fiel aus allen Wolken, als die Briten 1949 Anklage gegen ihn erhoben. Wie andere Generäle empfand er sich nicht als Verbrecher. Im Gegenteil. Er betonte immer wieder, dass die Wehrmacht einen „sauberen“ Krieg geführt habe.

Vielleicht wäre von Manstein auch nie der Prozess gemacht worden – hätten die Sowjets nicht seine Auslieferung gefordert. Denn selbst die Briten hatten „nur“ ein juristisches, kein politisches Interesse an einem Prozess. Churchill wollte den Ostexperten sogar für seinen Kampf gegen den Bolschewismus nutzen. Deswegen spendete ausgerechnet der ehemalige Kriegsgegner Geld, damit sich von Manstein für seinen Prozess in Hamburg nicht nur deutsche Anwälte, sondern auch die besten englischen leisten konnte.

Die Verteidigung beruhte auf mehreren Grundpfeilern: Von Manstein habe selbst nie einen Zivilisten umgebracht. Und die verbrecherischen Befehle habe er nie erteilt, nur weitergegeben. Wenn Mitglieder seiner Truppe Zivilisten umgebracht hätten, dann habe es sich entweder um Partisanenhelfer gehandelt oder die Soldaten hätten die Verbrechen auf eigene Faust begangen. Aber mit dieser Argumentation kam er nicht durch. Ende 1949 wurde er zu 18 Jahren Haft verurteilt. Allerdings wurde von Manstein 1952 wieder entlassen, erst wegen einer Operation, dann wurde ihm die Zeit der Kriegsgefangenschaft auf die Haftstrafe angerechnet und das letzte Drittel wegen guter Führung erlassen.

Seinem guten Ruf hatte die Verurteilung keinen Abbruch getan. Im Gegenteil: Er wurde Berater von Adenauer, und anlässlich seines 80. Geburtstages behauptete ein Bundeswehrgeneral sogar, dass von Manstein zu Unrecht verurteilt worden sei. Niemand erhob Einspruch. Als er 1973 starb, wurde er mit allen militärischen Ehren begraben.

Birgit Müller

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