Bürgerschaft : Wenig neue Ideen für die Überwindung der Obdachlosigkeit

Der Plenarsaal der Hamburgischen Bürgerschaft. Foto: Action Press/Public Address

Bis 2030 wollen Europäische Union, Bundesregierung und Bundesländer Obdachlosigkeit abschaffen. Die Hamburger Regierungsfraktionen von SPD und Grünen haben in der Bürgerschaft nun erste Pläne vorgelegt, wie Hamburg das Ziel unterstützen will. Die Opposition findet die „substanzlos“.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Rund 263.000 Menschen in Deutschland haben keine eigene Wohnung, mindestens 37.000 leben auf der Straße. In sieben Jahren sollen beide Zahlen auf Null gesenkt werden: Die Europäische Union, Deutschland und auch die Bundesländer haben sich dem ehrgeizigen Ziel verpflichtet, Obdach- und Wohnungslosigkeit bis 2030 abzuschaffen. Dafür will die Bundesregierung einen sogenannten Nationalen Aktionsplan erarbeiten. Die Fraktionen von SPD und Grünen haben am Mittwoch in der Bürgerschaft Pläne vorgestellt, wie Hamburg das ehrgeizige Ziel verwirklichen will.

In ihrem Antrag fordern die Regierungsfraktionen den Senat dazu auf, die bestehenden Ansätze zur Wohnungslosenhilfe zu überprüfen und gegebenenfalls weiterzuentwickeln, um das 2030er-Ziel zu erreichen. Konkret soll sich die Zusammenarbeit zwischen Bezirken und Behörden durch die Einrichtung einer „Lenkungsgruppe“ verbessern. Für nicht-deutsche Obdachlose soll die Beratung im „Hamburg Welcome Center“ ausgebaut werden. Außerdem sollen die Wohnkosten bei von Obdachlosigkeit bedrohten Menschen übernommen werden, auch wenn deren Mieten die Angemessenheitsgrenze um bis zu 30 Prozent überschreiten. Bislang geschieht das laut Jobcenter nur bei einer Überschreitung von bis zu 15 Prozent. Außerdem soll der soziale Wohnungsbau gestärkt werden – wie genau das angesichts der aktuellen Krise im Wohnungsneubau gelingen soll, das bleibt im Antrag offen.

„Wir in Hamburg gehen mit gutem Beispiel und mit guten Ansätzen voran“, sagte Iftikhar Malik, Experte der SPD-Fraktion für Wohnungs- und Obdachlosenhilfe. Die sozialpolitische Sprecherin der Grünen Fraktion, Mareike Engels, freute sich insbesondere auch darüber, dass Bundesregierung und nun auch die Bürgerschaft sich nicht auf die Bekämpfung der Obdachlosigkeit beschränken wollen: „Die Bekämpfung von Wohnungslosigkeit mit in die Zielstellung hineinzunehmen macht klar, dass wir das Problem nicht nur durch ausreichend viele Notunterkünfte lösen. Sondern durch Wohnungen für alle, die tatsächlich Wohnungen brauchen.“

Opposition übt Kritik

Kritik am Regierungsentwurf kam von der Opposition. Andreas Grutzeck, sozialpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, bezeichnetet den Antrag als „Tüte Luft“ und „substanzlos“. Er kritisierte, dass in dem Antrag eine ganze Reihe Projekte aufgezählt werden, die seit Langem Thema, aber bis heute nicht realisiert seien oder erst am Anfang stünden. „Wie weit ist das Housing-First-Modellprojekt eigentlich? Die Arbeitnehmerpension und auch die Notschlafstelle für Jungerwachsene sind immer noch keine Realität.“

Stephanie Rose, sozialpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion, freute sich, dass sich die Koalition zum 2030er-Ziel verpflichtet, schränkte aber ein: „Warum erst jetzt?“ Ebenfalls kritisierte sie Umfang und Umsetzungstempo der angekündigten Maßnahmen: „30 Plätze Housing First – das ist lächerlich. Berlin hat 300 Plätze. Es wäre das Mindeste, sich daran zu orientieren.“ Sie verwies auf konkrete Vorschläge der Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege, um das 2030er-Ziel zu erreichen. Trotz aller Kritik wurde der Antrag der Koalition einstimmig angenommen.

Autor:in
Lukas Gilbert
Lukas Gilbert
Studium der Politikwissenschaft in Hamburg und Leipzig. Seit 2019 bei Hinz&Kunzt. Zunächst als Volontär, seit September 2021 als Redakteur.

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