Bernd und Jürgen : Weihnachten unter harten Bedingungen

Hinz&Künztler Jürgen (links) haben die Weihnachtstage wieder zu schaffen gemacht. Bernd feierte gegen schlechte Erinnerungen an.

Die Festtage sind eine schwierige Zeit – das erleben viele Hinz&Künztler fast jedes Jahr. Bernd (59) und Jürgen (53) erzählen, wie sie Weihnachten verbracht haben.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Hinz&Künztler Bernd hat das Weihnachtsfest voll ausgekostet. Am Heiligabend nahm er gleich zwei Feiern mit: Zuerst im Hofbräuhaus und dann im Haus Bethlehem, wo er auch am ersten und am zweiten Weihnachtstag feierte. Für Jürgen lief es weniger gut. Statt endlich einmal wieder Weihnachten zu feiern, versuchte er tagelang, seine kranke Freundin zu trösten. „Ich bin mit den Nerven runter“, sagt er.

Weihnachten ist eine heikle Zeit. „Da kommt alles wieder hoch“, sagt Jürgen. Er selbst macht das immer wieder durch: Die Erinnerung an den Tod seiner Frau, die vor 13 Jahren an Leberzirrhose starb. Das Bild der versiegelten Wohnungstür, in die er nicht mehr hineindurfte, weil die Polizei ermittelte. Die Anschuldigungen gegen ihn, so haltlos sie auch waren. Am Ende hatte er so gut wie alles verloren. Im Alltag wird Jürgen damit irgendwie fertig. Aber wenn es um ihn herum feierlich wird, holt ihn die Erinnerung ein. „Ich habe mich an Weihnachten nur noch in den Ecken verkrochen“, sagt er.

Dieses Jahr sollte es anders werden. Jürgen hat eine neue Freundin, mit ihr wollte er Weihnachten richtig feiern. Doch auch seiner Freundin geht es nicht gut. „Sie hat Depressionen“, sagt Jürgen. „Da kann man nur schwer zur Ruhe kommen.“ Die Festtage verbrachte er bei ihr, versuchte vergeblich, sie zu trösten. Weihnachtsstimmung? Keine Chance.

An Feiertagen kommt alles wieder hoch– Jürgen

Auch Bernd kennt das, die schmerzhaften Erinnerungen alle Jahre wieder. Auch er hat seine Frau verloren, und quasi gleichzeitig sein Zuhause. „Die Wohnung war zu groß für mich allein. Die wurde dann gekündigt“, sagt er. Eine neue Sozialwohnung war nicht zu haben, stattdessen bot man ihn einen Platz im Männerwohnheim an. Er habe Erfahrungen mit solchen Einrichtungen, sagt Bernd. Drogen, Gewalt und Alkohol verbindet er damit. „Da habe ich gesagt: Nee, da gehe ich lieber auf die Platte.“

Heiligabend im Hofbräuhaus

Zurzeit übernachtet Bernd im Winternotprogramm an der Münzstraße. Von dort aus brachen am Heiligabend viele auf Richtung Hofbräuhaus. Freiwillige hatten Obdachlose aus ganz Hamburg zum Festessen eingeladen. „Da trifft man Gott und die Welt“, erzählt Bernd. Benedikt Pliquett, der ehemalige Torwart von St. Pauli, war auch dabei, zusammen mit seinem Sohn. Mit denen habe er sich gut unterhalten, sagt der Hinz&Künztler. „Das war nett.“

Später siedelte er über ins Haus Bethlehem, wo ebenfalls aufgetischt wurde, „und danach zu Muttern im Krankenhaus.“ Die Nacht verbrachte er wie üblich im Winternotprogramm. „Da sollte ich noch mal was essen – aber das ging nicht mehr. Essensmäßig war ich wirklich bedient“, sagt er und lacht. Für Bernd steht fest: Man muss die Feste feiern wie sie fallen. Dabei sei er eigentlich bekennender Buddhist, sagt er und guckt auf einmal ganz ernst.

Wunschlos zufrieden ist Bernd noch lange nicht. Zwar ist er froh, im Winternotprogramm zumindest nachts ein Dach über dem Kopf zu haben. Doch danach wird er wohl wieder draußen am Elbufer schlafen. „Irgendwann mal ne Wohnung, das wäre schon gut“, sagt Bernd. „Aber in Hamburg kannste das vergessen.“

Autor:in
Annabel Trautwein
Annabel Trautwein
Annabel Trautwein schreibt als freie Redakteurin für Politik, Gesellschaft und Kultur bei Hinz&Kunzt - am liebsten über Menschen, die für sich und andere neue Chancen schaffen.

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