Fall Kuhlmann: Streit in der Bürgerschaft

Der erste Bericht von Hinz&Kunzt
Der erste Bericht von Hinz&Kunzt im Oktober 2009

Der Fall Kuhlmann hat ein kurzes parlamentarisches Nachspiel. Seit Monaten spricht Hamburg  über Vermieter wie Thorsten Kuhlmann, die bevorzugt an Hilfeempfänger heruntergekommene Wohnungen zu überhöhten Preisen vermieten. Die Affäre schaffte es jetzt als Debattenthema in die Bürgerschaft. Eine nähere Untersuchung allerdings halten die Parlamentarier nicht für nötig.

Geld und gute Worte

Wie die CDU die armen Stadtteile fördern will und welche Ideen SPD und GAL haben. Ein Überblick von Marc-André Rüssau

(aus Hinz&Kunzt 167/Januar 2007)

Sie haben die Wahl!

Hinz&Kunzt-Forderungen zur Bürgerschaftswahl – und was die Spitzen-kandidaten der fünf aussichtsreichsten Parteien dazu sagen

(aus Hinz&Kunzt 179/Januar 2008)

Hausbesuch statt Räumung

Rund 2000 Wohnungen werden jedes Jahr in Hamburg zwangsgeräumt. Oft sind die Helfer vom Amt nicht vor Ort, obwohl das nötig wäre und den Staat auf Dauer billiger käme. Deshalb fordern wir: Jeder Räumung muss mindestens ein Hausbesuch vorausgehen, und bei jeder Räumung muss ein Sozialarbeiter vor Ort prüfen, ob die Wohnung noch zu retten ist oder die Betroffenen in eine Notunterkunft vermitteln. Stimmen Sie dem zu?

„Kein Talent darf verschwendet werden!“

Der neue Sozialsenator Dietrich Wersich über seine Kindheit, die Notwendigkeit von Bildung und das Prinzip „Fördern und fordern“

(aus Hinz&Kunzt 184/Juni 2008)

Er gilt als kompetent, durchsetzungsfähig und souverän, und als einer, der in der Lage ist, die Mammutbehörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz zu führen: Der neue Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) war dort schon zwei Jahre Staatsrat. Birgit Müller hat ihn in seinem Amtszimmer an der Hamburger Straße besucht.

Fördern ohne Kuscheln

Der Verwaltungsrechtler Till Steffen ist der erste grüne Justizsenator in Hamburg und der jüngste, den die Stadt je hatte

(aus Hinz&Kunzt 186/August 2008)

Dass der neue Justizsenator ein Grüner ist und Till Steffen heißt, war für viele CDU-Politiker offensichtlich schon lange gut vorstellbar. Im Dezember 2006 trafen wir einen engen Mitarbeiter des damaligen Justizsenators Carsten Lüdemann (CDU). Angesprochen darauf, dass der Kusch-Nachfolger zwar viel umgänglicher wirke, aber gerade dabei sei, das deutschlandweit schärfste und fachlich umstrittenste Strafvollzugsgesetz auf den Weg zu bringen, entfuhr es ihm: „Ach, das wird schon nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird, wo doch der nächste Justizsenator Till Steffen heißen könnte …“

Die Experten-Kommission

Fachleute erklären, was sich seit der Gründung von Hinz&Kunzt beim Thema Obdachlosigkeit getan hat und noch tun muss

(aus Hinz&Kunzt 189/November2008)

Ambulanz am Ende

Die CDU-Bundestagsfraktion verhindert die kontrollierte Heroinabgabe an Abhängige

(aus Hinz&Kunzt 167/Januar 2007)

Der bundesweite Versuch, Schwerstabhängigen Heroin unter ärztlicher Aufsicht zu geben, wurde erfolgreich abgeschlossen. Die Zulassung als Arzneimittel schien nur noch eine Frage der Zeit – jetzt spricht sich die Bundestagsfraktion der CDU gegen eine Zulassung aus. In Hamburg ist diese Entscheidung auch im CDU-Senat umstritten.

Hart, pragmatisch, charmant

Innensenator Udo Nagel über den Tod eines Hinz&Kunzt-Verkäufers, das Miteinander in der City und das neue Polizeigesetz

(aus Hinz&Kunzt 147/Mai 2005)

Besuch beim Volk

SPD-Spitzenkandidat Thomas Mirow stellt sich den Fragen von Hinz & Künztlern

(aus Hinz&Kunzt 132/Februar 2004)

Der Verkaufsraum von Hinz&Kunzt: Hier holen Verkäufer ihre Zeitungen ab, trinken Kaffee, rauchen, dösen oder diskutieren. Letzte Unklarheiten über die Hamburger Politik sind gerade ausgeräumt („Wie, ist nicht die SPD an der Regierung?“), als plötzlich ein Mann im Raum steht. Kaum jemand hat ihn eintreten sehen. Er sagt eine Spur zu entschieden „Guten Tag“, dann legt er den eleganten Mantel und seinen Schal ab.

„Herr Mirow, warum sollen Obdachlose SPD wählen?“ Thomas Mirow, 51, sozialdemokratischer Spitzenkandidat für die Bürgerschaftswahl, hat anders als Ole von Beust nicht gekniffen (siehe Seite 5). Jetzt steht er vor den Hinz & Kunzt-Verkäufern und sagt bedächtig: „Es tut weh, diese Frage zu beantworten, denn vieles, was für uns wichtig ist, ist für Sie nur begrenzt relevant.“ Dann holt er doch aus: „Die Richtung in der Sozialpolitik stimmt nicht mehr.“

Straßensozialarbeit, Winternotprogramm für Obdachlose, HVV-Sozialticket – überall sei gestrichen worden. Und der jetzige Senat suche das Gespräch mit den sozialen Einrichtungen nicht mehr. Warum heißt es dann im SPD-Wahlprogramm „Fördern und fordern“ – nicht anders als bei der CDU? „Das ist richtig, aber ein Unterschied bleibt: Wir nehmen das Fördern ernst.“

[BILD=#mirow2][/BILD]Wie geht es in der Innenstadt weiter? Haben Bettler und Obdachlose dort auch weiterhin Platz? Ja, sagt Mirow, er sei gegen eine Innenstadtverordnung, die in anderen Städten zum Beispiel das Übernachten im Freien verbietet. Aber ein Alkoholverbot für öffentliche Plätze will die SPD doch, oder? Mirow: „Ich habe mir über dieses Instrument noch keine abschließende Meinung gebildet.“ Streng setzt er nach: „Stark alkoholisierte Menschen in der Innenstadt sind ein Ärgernis.“ Die Bemerkung, dann sei es mit dem Stuttgarter Weinfest vor dem Rathaus wohl vorbei, quittiert er ohne Lächeln.

Wenn jemand nüchtern wirkt, dann Mirow. Der promovierte Politikwissenschaftler blickt auf eine glänzende Karriere im Hintergrund der Macht zurück. Er zog Fäden, ohne dafür ganz vorn zu stehen: als Büroleiter von Willy Brandt, Chef der Hamburger Senatskanzlei, Senator für Stadtentwicklung und Wirtschaft, als selbstständiger Politikberater. Doch jetzt muss Mirow selbst als Spitzenkandidat von allen Plakaten lächeln. Was hat ihn dazu gebracht? Berechnung? Parteidisziplin? Wenn es Leidenschaft ist, verbirgt er sie gut.

„Waren Sie schon mal im Landessozialamt?“, will Hinz&Kunzt-Verkäufer Peter Reinhardt vom Kandidaten wissen. „Nein, mein Weg hat mich bisher nicht dorthin geführt“, sagt Mirow. Reinhardt schildert die Zustände: stundenlange Wartezeiten, überlastetes Personal. Mirow nickt und sagt knapp: „Gut, dann hat Christian Bernzen was zu tun.“

Christian Bernzen steht neben ihm. Er ist in Mirows „Kompetenzteam“ für Soziales zuständig. Der 41-Jährige führt eine Anwaltskanzlei, die zahlreiche soziale Institutionen vertritt. Über die Wurzeln seines Engagements sagt er schlicht: „Ich bin ein Mann der katholischen Soziallehre. Das war familiär unausweichlich.“ Sein sozialpolitisches Credo: Hilfeempfänger ernst nehmen, sie nicht als Objekt staatlicher Zuwendung sehen, ihnen mehr Verantwortung geben, die Sozialpolitik entstaatlichen. „Viele Menschen leisten wichtige Beiträge, die gar nicht erkannt werden.“

In einer aktuellen Frage zeigt sich Bernzen gut informiert: Sozialhilfeempfänger, die viele Medikamente brauchen, müssen die Jahres-summe für Zuzahlungen manchmal schon im Januar aufbringen. Könnte da nicht das Sozialamt das Geld vorstrecken, fragt H&K-Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer. Ja, sagt Bernzen, das Bundesgesetz sehe diese Möglichkeit vor, Hamburg habe sie aber nicht umgesetzt. In der Deputation wolle er demnächst darauf hinweisen. „Schön, wenn wir ein Thema für den Wahlkampf haben. Aber noch schöner, wenn wir den Menschen schnell helfen könnten.“

Mirow erntet unterdessen Applaus für seine Ankündigung, die SPD wolle jährlich 2400 neue Sozialwohnungen fördern. Als Verkäufer Reinhardt sagt, er suche schon seit einem Jahr eine Wohnung, und das mit Dringlichkeitsschein, antwortet Mirow unerschütterlich korrekt: „Wo es Ansprüche gibt, ist die Stadt verpflichtet, ihnen zur Durchsetzung zu verhelfen.“

Nach 30 Minuten muss der Spitzenkandidat weiter. Beim Schlusswort wird es still im Raum. „Ich würde Ihnen gern den Eindruck vermitteln, dass ich nicht die Absicht habe, Ihnen das Blaue vom Himmel zu versprechen. Dazu ist Ihre Lage zu ernst.“ Die Sprache ist akademisch, die Botschaft kommt an. Die Verkäufer danken es mit Beifall.

Detlev Brockes

Und alles ohne Ole!

Geschichte eines nicht zustande gekommenen Interviews

Unser Draht ins Rathaus ist momentan so heiß wie nie. So oft, wie wir in den vergangenen Wochen mit der Senatskanzlei telefoniert haben, telefoniert man sonst nicht mal mit seinen besten Freunden. Natürlich gings um Ole – seit dem Start des Wahlkampfs („Ole wählen!“) darf man ihn auch offiziell so nennen. Schließlich wollten wir nicht nur den Herausforderer Thomas Mirow zum Hausbesuch einladen, sondern auch den Spitzenkandidaten der CDU.

Am Stehtisch im Vertrieb sollten sich die Spitzenkandidaten an unterschiedlichen Tagen den Fragen der Hinz & Künztler stellen. Reaktion von Senatssprecher Christian Schnee: „Das ist eine Gruppendiskussion“, beschied er. „Und das machen wir nicht.“ Auch terminlich sahs schlecht aus. „Schließlich muss Ole von Beust nebenbei regieren. Das ist bei Thomas Mirow ja nicht der Fall“, sagte Schnee spitz. Angebot zur Güte: Zwei Vertreter von Hinz & Kunzt dürfen den Bürgermeister besuchen. Verkäufer Peter Reinhardt bereitete sich intensiv vor. Akribisch schrieb er Fragen auf: Um die Abschaffung des Sozialtickets sollte es gehen, die Praxisgebühren – und die Frage: Sind Sie ein Bürgermeister der Armen?

Weils so speziell war, bat die Senatskanzlei um die Vorabsendung der Fragen – und verschob den Termin. Wir vereinbarten allgemeine Fragen – dachten aber nicht, selbst die vorab schicken zu müssen. Wieder wurde der Termin verschoben. Tja, und dann war Redaktionsschluss. Irgendwas ist immer.

Birgit Müller