Bundestagswahl : Die Parteien im Hinz&Kunzt-Check

Ende Juli veranstaltete Hinz&Kunzt eine Testwahl, an der sich auch Verkäufer Constantin beteiligte. Die Ergebnisse finden Sie in unserer September-Ausgabe. Foto: Mauricio Bustamante

Wer will die Vermögenssteuer wieder einführen, wer Hartz IV erhöhen? Und wem sind die Obdachlosen wichtig? Die aussichtsreichsten Parteien kommentieren im Hinz&Kunzt-Check zehn sozialpolitische Forderungen. 

Hinz&Kunzt Randnotizen

Freitags informieren wir per Mail über die Nachrichten der Woche:

Hinz&Kunzt fragt, die Parteien mit Aussicht auf Einzug in den Bundestag antworten: Wir wollten wissen, wer sich um die Belange von Obdachlosen kümmert. Nur die FDP blieb uns trotz mehrerer Nachfragen Antworten schuldig.

Was CDU, SPD, Grüne, Linke und AfD unseren sozialpolitischen Forderungen entgegnet haben, können Sie hier in ganzer Länge nachlesen. Klicken Sie die jeweilige Partei an, um ihr Statement zu lesen. Wen die Hinz&Kunzt-Verkäufer wählen, können Sie in der aktuellen Ausgabe des Straßenmagazins lesen.

Vermögenssteuer einführen!

Bis zu 20 Milliarden Euro jährlich stünden dem Staat zur Verfügung, wenn Deutschland die Vermögenssteuer wieder erheben würde. Sie wird seit 1997 nicht mehr erhoben, damals betrug sie 1 Prozent jährlich auf Vermögen ab 120.000 D-Mark. Machen Sie sich für die Wiedereinführung stark?

CDU
Die Wiedereinführung der Vermögensteuer schließen wir aus. Eine Vermögensteuer würde uns letztlich alle treffen: Sie würde sowohl Hauseigentümer als auch Mieter belasten und somit das Wohnen für alle verteuern. Sie würde Betriebsvermögen belasten und somit Arbeitsplätze für alle gefährden.
SPD
Wir wollen, dass große und sehr große Vermögen einen stärkeren Beitrag zur Finanzierung unseres Gemeinwesens leisten. Wenn man nicht nur drüber reden will, sondern echte Mehreinnahmen in den nächsten Jahren will, ist der beste Weg die Erbschaftssteuer.

Die Vermögensteuer ist nicht vom Tisch, aber ein Vermögenssteuergesetz hat eine Reihe juristischer Klippen zu nehmen. Dazu zählt die anstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Grundsteuer sowie eine beihilferechtliche Entscheidung des Europäischen Gerichtshof. Erst nach diesen Entscheidungen ist eine Neubewertung möglich. Deshalb hat der SPD-Parteivorstand beschlossen, eine Kommission zur Vermögensbesteuerung einzurichten, die diese Fragen klärt.

Grüne
Ja. Von den Reichsten in unserer Gesellschaft erwarten wir, dass sie mehr als bisher dazu beitragen unsere Infrastruktur zu erhalten und marode Schulen zu renovieren. Wir wollen deshalb eine verfassungsfeste, ergiebige und umsetzbare Vermögensteuer für Superreiche. Selbstverständlich legen wir dabei besonderen Wert auf den Erhalt von Arbeitsplätzen und die Innovationskraft von Unternehmen.
Linke
Ja! Wir wollen, dass Vermögen ab einer Million Euro mit fünf Prozent besteuert werden. Die erste Million ist davon freigestellt. Betriebsnotwendiges Vermögen kann bis fünf Millionen freigestellt werden. Wir stellen sicher, dass Privatvermögen nicht in Betriebsvermögen „versteckt“ wird und dass Betriebsvermögen in ausländischem Eigentum ebenso besteuert wird wie inländische Eigentümer. Eine solche Vermögensteuer würde 80 Milliarden Euro Mehreinnahmen im Jahr bringen.
AfD
Wir wenden uns gegen eine weitere Ausweitung der Abgabenbelastung und fordern eine allgemeine Abgabenbremse für Steuern, Beiträge und Gebühren zugunsten der Bürger. Bereits versteuertes Vermögen, insbesondere in Unternehmen gebundenes, zu übergeben ist Privatangelegenheit und darf nicht erneut dem Zugriff des Staates ausgesetzt werden. Daher lehnen wir die Wiedereinführung der Vermögenssteuer ab.

Hartz-IV-Regelsatz erhöhen!

409 Euro monatlich plus Miete reichen nicht, um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Wir meinen deshalb: Der Regelsatz für Hartz-IV-Empfänger muss auf mindestens 500 Euro angehoben werden. Was sagen Sie dazu?

CDU
Die Hartz-IV-Regelsätze sind nach einem wissenschaftlichen Verfahren berechnet worden und werden jährlich angepasst bzw. nach Vorliegen einer neuen statistischen Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe neu berechnet. Die Regelsätze reichen aus, um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Dies wurde vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. Die Regelsätze werden jedes Jahr auf Grundlage dieser Verfahren erhöht, eine willkürliche Erhöhung lehnen wir ab.
SPD
Die Regelsätze in der Grundsicherung, also im SGB II und SGB XII, werden auch künftig regelmäßig erhöht. Die Regelbedarfe sollen das (sozio-kulturelle) Existenzminimum sicherstellen. Aufgrund der letzten Einkommens- und Verbauchsstichprobe (EVS), die alle fünf Jahre vom Statistischen Bundesamt durchgeführt wird, sind die Regelbedarfe zum 1. Januar 2017 angehoben worden. Bei der aktuellen Ermittlung der Regelbedarfe wurden die neuen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes von 2014 umgesetzt. Über die Frage der notwendigen Höhe der Grundsicherung ist eine politische Auseinandersetzung selbstverständlich. Klar ist, dass wir nicht wollen, dass Grundsicherung eine dauerhafte Lebenssituation ist, sondern das oberste Ziel ist und bleiben muss, die Menschen aus der Bedürftigkeit herauszubringen.
Grüne
Die Grundsicherung selbst muss besser vor Armut schützen. Auch wer von Grundsicherung lebt, darf nicht an den Rand gedrängt werden. Wir wollen den Regelsatz für Erwachsene und Kinder neu berechnen und erhöhen. Die Regelbedarfe müssen den tatsächlichen Bedarf decken, auch für die Teilhabe am sozialen Leben. Auf für Bücher, Kino und Fahrscheine muss es reichen – für Erwachsene und Kinder.
Linke
Bei Hartz IV reichen kleine Korrekturen nicht. Deshalb wollen wir das Hartz-IV-System abschaffen und ersetzen. Es ist durch eine sanktionsfreie Mindestsicherung von 1050 Euro grundlegend zu überwinden. Der Regelsatz muss kurzfristig auf 560 Euro erhöht werden. Kurzfristig müssen auch die Kinderregelsätze neu ermittelt und deutlich angehoben werden. Perspektivisch soll eine Kindergrundsicherung Kinder und Jugendliche absichern.
AfD
Seit Einführung der Hartz-Reform wird bei der Festlegung der Höhe des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II und – von geringfügiger Stufung abgesehen – der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I nicht berücksichtigt, ob und ggf. wie lange der Betroffene zuvor sozialversicherungspflichtig erwerbstätig war. Nach regelhaft zwölf Monaten erhalten ehemals langjährig Erwerbstätige Arbeitslosengeld II in gleicher Höhe und Berechtigte von Arbeitslosengeld I für die gleiche Zeitdauer Leistungen wie Arbeitslose, die noch nie zuvor Beiträge an die Arbeitslosenversicherung gezahlt haben. Dies stellt eine Geringschätzung der langjährigen Beitragszahler dar. Die AfD setzt sich deshalb bei einer Vorbeschäftigung von mindestens zehn Jahren für eine längere Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I ein und für höhere Arbeitslosengeld-II-Leistungen, sofern diese im Anschluss daran zu gewähren sind. Dies ist ein Gebot der Gerechtigkeit, um unterschiedliche Erwerbsbiografien bei Arbeitslosigkeit auch differenziert zu behandeln.

Recht auf Wohnen einführen!

335.000 Menschen in Deutschland haben Hochrechnungen zufolge keine eigene Wohnung. Sie leben oft schon seit vielen Jahren in Wohn- oder Notunterkünften, geschätzt 39.000 sogar auf der Straße. Wir fordern: Das Recht auf eine eigene Wohnung muss im Grundgesetz verankert und umgesetzt werden. Eine gute Idee?

CDU
Das Sozialstaatsprinzip in Artikel 20 Absatz 1 und der Schutz der Menschenwürde nach Artikel 1 Grundgesetz verpflichten den Gesetzgeber, das Existenzminimum zu sichern und damit auch für Unterkunft zu sorgen. Die konkrete Verwirklichung dieser Staatszielbestimmung ist nach ständiger Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts dem politischen Prozess, konkret also dem Gesetzgeber überlassen; sie ist damit auch hinreichend flexibel, da sich die Bedürfnisse, was zum Existenzminimum gehört, auch weiterentwickeln. Die Schaffung eigener sozialer Grundrechte würde daran nichts ändern und wäre folglich nur fürs „Schaufenster“ – und das ist nicht Sinn und Zweck des Grundgesetzes.
SPD
Auch wenn das Recht auf Wohnen nicht im Grundgesetz verankert ist, ist der Staat in der Pflicht, für ausreichenden Wohnraum für jedermann zu sorgen. In der laufenden Legislaturperiode haben wir deshalb die Mittel des Bundes für die soziale Wohnraumförderung an die Länder auf 1,5 Milliarden Euro erhöht. Darüber hinaus setzen wir uns für längerfristige Bindungen für Sozialwohnungen ein.[/spd]

Grüne
Obdachlosigkeit zu bekämpfen und menschenwürdiges Wohnen zu ermöglichen ist Aufgabe guter Wohnungs- und Sozialpolitik, aber kein Fall für das Verfassungsrecht und das Grundgesetz. Deshalb soll der Bund dafür sorgen, dass eine Million neuer Sozialwohnungen gebaut werden. Um Menschen mit kleinem Einkommen zu entlasten, wollen wir zudem das Wohngeld erhöhen und per Gesetz den Anstieg der Mieten bremsen.
Linke
Die Linke fordert seit langem, dass das Wohnen als Menschenrecht im Grundgesetz festgeschrieben wird. Für uns ist Wohnen ein Menschenrecht, das nicht dem Markt überlassen werden darf.
AfD
Explizit zu dieser Forderung hat sich die AfD bislang nicht positioniert, da wir uns als junge Partei bei der Vielfalt an Themen noch in Positionierungsprozessen befinden. Grundsätzlich zum Thema Wohnraum lässt sich aus unserer Sicht Folgendes sagen: Die bisherigen Bemühungen von Bund und Ländern zur Schaffung von mehr bezahlbarem Wohnraum haben wenig Erfolg gebracht. Der Bund sollte durch die Absenkung von Steuern und die Gewährung von Bürgschaften mehr Menschen in die Lage versetzen, Eigentum zu erwerben.

Hausbesuch statt Zwangsräumung!

Zehntausende Menschen jährlich werden zwangsgeräumt, weil sie Mietschulden haben, allein in Hamburg waren vergangenes Jahr 1431 Haushalte betroffen. Modellprojekte zeigen, dass konsequente aufsuchende Sozialarbeit in den meisten Fällen eine Räumung verhindert – und für Vermieter und Staat auch billiger ist. Zwangsräumungen sollten deshalb nur noch dann erlaubt sein, wenn der Mieter Hilfe ausdrücklich abgelehnt hat. Was meinen Sie dazu?

CDU
Es ist schon nach dem zentralen grundgesetzlichen Gebot des Schutzes der Menschenwürde Aufgabe der öffentlichen Hand, auch bei Zwangsräumungen für menschenwürdige Unterkunft zu sorgen und Wohnungslosigkeit zu verhindern. Modellprojekte in der Sozialarbeit, die hier schon früher ansetzen und z.B. schon ansteigende Mietschulden verhindern, sind daher zu begrüßen. Allerdings darf „aufsuchende Sozialarbeit“ nicht mit einem Eingriff in die Privatautonomie der Betroffenen einhergehen, sondern muss als Unterstützungsangebot ausgestaltet sein.
SPD
Wir wollen eine bundesweite Wohnungslosenstatistik einführen und auf dieser Grundlage ein umfassendes Präventionsangebot entwickeln, das Wohnungslosigkeit vermeiden hilft. Zudem wollen wir die Kooperation mit den Vermieterinnen und Vermietern verbessern. Unser Ziel ist es, Zwangsräumungen damit letztlich überflüssig zu machen.
Grüne
Vor einer Zwangsräumung sind bereits heute hohe Hürden zu überwinden. Das gilt besonders dann, wenn die Räumung erlaubt wurde, weil Mietschulden bestehen. Wer aber einmal seine Wohnung verloren hat, findet oft nur schwer eine neue. Vor diesem Hintergrund sollten präventive Programme wie von Ihnen angesprochen weiter ausgebaut werden.
Linke
Die Mieterrechte sind geschliffen und Räumungsklagen erleichtert worden. Das werden wir rückgängig machen! Wir wollen Zwangsräumungen verhindern. Eine Räumung in die Obdachlosigkeit wollen wir gesetzlich ausschließen.

AfD
Zu diesem Thema befindet sich die AfD noch im Prozess der Positionierung.

Ankunftshäuser für Wanderarbeiter

Viele Menschen aus anderen EU-Staaten arbeiten bei uns unter ausbeuterischen Bedingungen auf Baustellen, in Schlachthöfen oder in Lagerhallen. Sie schlafen in Autos oder Zelten oder in heruntergekommenen Wohnungen, in denen sie für einen Matratzenplatz oft Wucherpreise bezahlen. Weil sie keine Meldeadresse haben, müssen sie sich für viel Geld eine „kaufen“, um nicht in der Lohnsteuerklasse 6 zu landen, die für sie hohe Abzüge bedeutet. Wir meinen: Es fehlen staatlich geförderte Ankunftshäuser für Wanderarbeiter, in denen diese auf drei Monate befristet für wenig Miete wohnen und sich offiziell anmelden können. So hätten sie eine reelle Chance, das EU-Recht auf Freizügigkeit umsetzen zu können. Was sagen Sie dazu?

CDU
In der Tat leben viele Wanderarbeitnehmer aus dem Osten Europas mitten unter uns. Arbeitskräfte aus dem Osten Europas sind vor allem in der häuslichen Pflege, der Transport-, Bau- und Reinigungsbranche, in der Landwirtschaft, Fleischindustrie und Gastronomie beschäftigt. Sie werden in der öffentlichen Debatte kaum wahrgenommen. Beschäftigte aus Osteuropa, die in Werkvertragsunternehmen arbeiten, werden oft hemmungslos ausgebeutet. Oft werden Arbeitsschutz- und Arbeitsrechtsbestimmungen verletzt. In den vergangenen Jahren haben sich Berichte über unhaltbare Zustände in der fleischverarbeitenden Industrie gehäuft. Wir haben für die Fleischindustrie daher eine Gesetzesänderung auf den Weg gebracht, mit der die Rechte von Arbeitnehmern in diesem Wirtschaftszweig jetzt deutlich gestärkt werden. Wir werden uns auch in Zukunft dafür einsetzen, Missbrauch zu bekämpfen. Auch geförderte Ankunftshäuser für Wanderarbeitnehmer sind hierbei ein guter Ansatz, um Mietwucher und unwürdige Wohnbedingungen angemessen zu bekämpfen.
SPD
Es ist zutreffend, dass viele Beschäftigte, vor allem aus den osteuropäischen EU-Ländern, unter zum Teil ausbeuterischen Bedingungen in unserem Land arbeiten. Dazu zählen sowohl die Unterkunft als auch zum Teil die Anrechnung von Arbeitsmitteln auf den Lohn und die Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen im Zuge einer weit verbreiteten Praxis von Werkverträgen über Nachunternehmerketten. Deshalb hat die SPD gerade das „Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft“ durchgesetzt. Dadurch gilt nun auch in der Fleischwirtschaft, wie schon im Baugewerbe, eine Generalunternehmerhaftung für die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen. Ebenso werden die Arbeitgeber verpflichtet, die notwendigen Arbeitsmittel unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Zweifelhaft erscheint jedoch, ob staatlich geförderte „Ankunftshäuser“ das Problem lösen können, da dies einer staatlichen Förderung der Werkvertragspraxis gleichkäme und die Arbeitgeber aus der Fürsorgepflicht entlassen würde. Die Kontrolle und Ahndung von Rechtsverstößen muss vielmehr verstärkt werden.
Grüne
Es muss vor allem darum gehen, Diskriminierung am Wohnungs- und Arbeitsmarkt zu unterbinden. Ausbeutung von Arbeitskräften – welcher Nationalität auch immer – werden wir nicht hinnehmen. Notwendig ist die Eindämmung schlecht entlohnter und prekärer Beschäftigung. Unionsbürger sollen einfacher Zugang zu Grundsicherungsleistungen und kompetenter Beratung bekommen.
Linke
Das Freizügigkeitsrecht in der EU muss für alle gelten. Ungleiche Lebensverhältnisse und die hohe Arbeitslosigkeit in Süd- und Osteuropa zwingen insbesondere junge Menschen zur Abwanderung und untergraben echte Freizügigkeit. Ankunftshäuser sind eine sehr gute Idee. Sie könnten Arbeit suchende Unionsbürgerinnen und -bürger dabei unterstützen, eine gute und fair bezahlte Arbeit zu finden. Die Alternativen wären Armut, Verelendung und Ausbeutung.
AfD
Hierzu gibt es bisher keine Beschlusslage der AfD.

Obdachlos ist obdachlos!

Viele Menschen aus Ost- und Südosteuropa leben auf unseren Straßen. Städte und Gemeinden bezeichnen diese Menschen als „freiwillig obdachlos“, weil sie ihre Heimat verlassen haben, und verweigern ihnen Hilfe. Wir meinen: Obdachlos ist obdachlos! Deshalb müssen die Obdachlosen-Notunterkünfte auch diesen Menschen offenstehen. Wie sehen Sie das?

CDU
Die Obdachlosenunterkünfte sollten für jeden Obdachlosen offen stehen, denn die Menschenwürde gilt für alle Menschen. Hier darf nicht zwischen freiwillig und unfreiwillig obdachlos unterschieden werden.
SPD
Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union ist ein hohes Gut und eine Errungenschaft der europäischen Einigung. Damit kann aber nicht verbunden sein, den Aufenthalt nach den jeweilig gewährten Grundsicherungsleistungen zu wählen.

Klar ist: Wer hier lebt, arbeitet und Beiträge zahlt, der hat auch einen berechtigten Anspruch auf Leistungen aus unseren Sozialsystemen. Wer jedoch noch nie hier gearbeitet hat und für seinen Lebensunterhalt auf staatliche finanzielle Unterstützung aus der Grundsicherung angewiesen ist, für den gilt der Grundsatz: Existenzsichernde Leistungen sind im jeweiligen Heimatland zu beantragen. Und wir schützen damit unsere Kommunen vor finanzieller Überforderung, die die Sozialhilfeleistungen zu schultern haben.

Deshalb gilt: Wer nicht in Deutschland arbeitet, selbständig ist oder einen Leistungsanspruch nach SGB II auf Grund vorheriger Arbeit erworben hat, dem stehen innerhalb der ersten fünf Jahre keine dauerhaften Leistungen nach SGB II oder SGB XII zu. Die Betroffenen können jedoch die Kosten für die Rückreise und Überbrückungsleistungen für Ernährung und Unterkunft durch das Sozialamt bis zur Ausreise erhalten – in der Regel längstens für einen Zeitraum von einem Monat.

Inwieweit Kommunen darüber hinaus unter humanitären Aspekten Notunterkünfte anbieten können, kann nur jeweils vor Ort geklärt werden.

Grüne
Von Seiten des Bundes sind wir der Meinung, dass es eine Gesetzesanpassung geben muss, damit UnionsbürgerInnen besser beraten werden und einfacheren Zugang zu Grundsicherungsleistungen erhalten, wenn sie aktiv nach Arbeit suchen. Wenn sie nicht (mehr) nach Arbeit suchen oder das keine Aussicht auf Erfolg hat, sollen die Leistungen wieder entfallen.
Linke
Geflüchtete dürfen nicht zum Sündenbock für die Mängel der Wohnungspolitik gemacht werden. In einer sozialen Offensive für alle können wir gutes Wohnen für alle schaffen. Wir wollen die Unterbringung von Geflüchteten in Massenunterkünften beenden und dezentral organisieren.
AfD
Zu diesem Thema existiert aktuell noch keine Beschlusslage der AfD. Wir bitten um Verständnis.

Gute Jobs für Langzeitarbeitslose!

Rund 930.000 Menschen in Deutschland sind langzeitarbeitslos: Sie würden gerne arbeiten, finden auf dem ersten Arbeitsmarkt aber keinen Job, zum Beispiel weil sie gesundheitliche Probleme haben oder schlecht Deutsch sprechen. Diesen Menschen muss besser geholfen werden, meint Detlef Scheele, Chef der Bundesagentur für Arbeit, und fordert 100.000 bis 200.000 öffentlich geförderte, sozialversicherungspflichtige Jobs. Eine gute Idee?

CDU
Das Ziel unserer Arbeitsmarktpolitik ist und bleibt die Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt – und zwar für jeden Menschen. Jeder arbeitslose Mensch ist einer zu viel. Dank einer klugen und weitsichtigen Wirtschaftspolitik konnten wir die Arbeitslosigkeit halbieren. Wir haben die arbeitsmarkpolitischen Instrumente im SGB II und SGB III überprüft und verbessert und für viele Teilnehmer ein Programm zur sozialen Teilhabe ermöglicht. Gleichwohl profitieren noch nicht alle von den Chancen, die die Soziale Marktwirtschaft den Menschen in Deutschland bietet. Um auch diesen Menschen eine Perspektive für ihr eigenes Leben zu geben, müssen zum einen alle Möglichkeiten genutzt und für bestimmte Gruppen, die besonders lange arbeitslos sind, neue Wege beschritten werden.

Wir wollen passgenau jedem einzelnen helfen: Genauso vielschichtig wie die Hemmnisse müssen auch die Lösungsansätze sein. Hilfen nach dem Gießkannenprinzip sind nicht zielführend.

In einem ersten Schritt wollen wir zunächst die Bedingungen verbessern: Die Betreuung der Kinder muss geregelt werden, Schulabschlüsse und Qualifikationen müssen nachgeholt werden, die Gesundheit arbeitsmarktbezogen stabilisiert, die besonderen Fähig- und Fertigkeiten herausgearbeitet und Sprachkenntnis verbessert werden. Darauf aufbauend folgt dann die schrittweise Integration in Arbeit. Dabei setzen wir auf die Stärken der Menschen. Gelingen können beide Schritte nur, wenn die Träger der Sozialleistungen mit den Kommunen und –ganz besonders wichtig- der Wirtschaft zusammenarbeiten. Dabei müssen die Hilfen für die Betroffenen „aus einer Hand“ kommen. Im Übrigen wird deutlich, dass Familienpolitik, Bildungspolitik und Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik zusammen zu sehen sind.

Mit Hilfe langfristig angelegter zielgruppenorientierter Programme, die regional unterschiedliche, passgenaue und personenbezogene Hilfen aus einer Hand bieten, ebnen wir den Weg zurück in den Arbeitsmarkt. Nur so werden auch die lange arbeitslosen Menschen von den Chancen, die dieses Land bietet, profitieren.

SPD
Wir wollen Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren und werden deshalb öffentlich geförderte Beschäftigung ausbauen und einen dauerhaften, sozialen Arbeitsmarkt schaffen. Das Bundesprogramm „Soziale Teilhabe“ werden wir als Regelleistung in das Sozialgesetzbuch II übernehmen. Mit dem sozialen Arbeitsmarkt schaffen wir neue Perspektiven für Langzeitarbeitslose, die auf absehbare Zeit keine realistischen Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben. Bei den Angeboten soll es sich um sozialversicherungspflichtige Beschäftigung handeln.
Grüne
Es ist höchste Zeit, Langzeitarbeitslosigkeit nachhaltig zu bekämpfen. Dafür braucht es sinnvolle Qualifizierungsangebote sowie eine optimale Betreuung und Förderung in den Jobcentern. Für diejenigen, die absehbar keine Aussicht auf einen regulären Job haben, wollen wir einen sozialen Arbeitsmarkt einrichten. Das schafft gesellschaftliche Teilhabe, Respekt und eröffnet schrittweise neue Chancen.
Linke
Wir wollen neue Perspektiven für Menschen, die derzeit keiner regulären Beschäftigung nachgehen können, auch aufgrund körperlicher oder psychischer Beeinträchtigungen. Dafür schaffen wir einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor mit zusätzlichen existenzsichernden und tariflich abgesicherten Arbeitsplätzen. Sie sollen Stadtteilzentren, Initiativen und kulturelle Projekte stärken. Sie müssen sich an den regionalen Gegebenheiten und den Bedürfnissen der Erwerbslosen ausrichten. Die Entlohnung darf den Mindestlohn und einen Bruttolohn von monatlich mindestens 1500 Euro (Vollzeit) nicht unterschreiten.
AfD
Tatsächlich konnte die Dauerarbeitslosigkeit bisher nachhaltig nicht gesenkt werden. Die heutigen Eingliederungs- und Qualifizierungsmaßnahmen gehen vielfach an den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts vorbei. Deshalb können viele offene Stellen nicht besetzt werden. Wir fordern daher eine bedarfsangepasste Qualifizierung. Diese muss in enger Abstimmung insbesondere mit der mittelständischen Wirtschaft erfolgen, bei welcher 80 Prozent der Arbeitnehmer Deutschlands beschäftigt sind.

Strafen für Hilfeempfänger abschaffen!

Nahezu jede zweite Sanktion, gegen die geklagt wird, hat vor Gericht keinen Bestand. Zudem fallen Menschen, denen das Jobcenter die Hilfe kürzt oder streicht, oft aus dem Hilfesystem und kosten den Staat später an anderer Stelle viel Geld. Deshalb fordern Betroffene: Sanktionen gegen Hilfeempfänger gehören grundsätzlich abgeschafft! Was sagen Sie dazu?

CDU
Wir halten am bestehenden Grundprinzip des „Forderns und Förderns“ im Sozialgesetzbuch II fest. Hierzu bedarf es auch Sanktionsregelungen. Die bestehenden Sanktionsregelungen verstoßen nicht gegen die Grundrechte. Vielmehr zählt das Einfordern von eigenen Anstrengungen zu den Grundprinzipien bedarfsabhängiger und am Fürsorgeprinzip orientierter Sozialleitungen. Dieses auch im Selbsthilfegrundsatz bezeichnete Prinzip ist gesellschaftlich anerkannt. Jeder ist verpflichtet, an der Beendigung seiner Hilfebedürftigkeit mitzuwirken – dies ist ein wichtiger Grundsatz unseres Sozialstaates.
SPD
Die schärferen Sanktionen für unter 25-Jährige werden wir aus dem SGB II streichen. Die Sanktionierung von Leistungen für Kosten der Unterkunft werden wir abschaffen. Niemand darf aufgrund einer Sanktion wohnungslos werden.
Grüne
Wir setzen in der Grundsicherung nicht auf Sanktionen, sondern auf Motivation, Anerkennung und Beratung. Daher wollen wir die Sanktionen abschaffen, insbesondere die Sonderregeln für unter 25-Jährige.
Linke
Kürzungen, Leistungseinschränkungen oder Sperrzeiten, egal mit welcher Begründung, lehnt Die Linke ab. Sperrzeiten und Sanktionen im SGB II und SGB III werden wir ausnahmslos abschaffen. Zuvor erarbeitete Ansprüche dürfen nicht verworfen werden.
AfD
Wir halten Hartz IV für eine Fehlkonstruktion, die wir abschaffen wollen. An seine Stelle soll eine aktivierende Grundsicherung treten, als Alternative zum Arbeitslosengeld II. Jedoch ist das Arbeitslosengeld II dafür gedacht, Arbeitnehmern zu helfen, die keinen Arbeitsplatz haben. Es darf nicht dazu dienen, dass arbeitsfähige Bürger dauerhaft von anderen arbeitenden Bürgern durch Transferleistungen alimentiert werden. Deshalb ist eine Leistungskürzung gerechtfertigt, wenn der arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger zumutbare Arbeitsplatzangebote ablehnt.

Energie- und Wassersperren verhindern!

Mehr als 330.000 Haushalte in Deutschland bekamen 2015 den Strom abgestellt, weil sie ihre Rechnungen nicht bezahlen konnten. Gut 43.500 Haushalten wurde die Gaszufuhr gesperrt, wie vielen Menschen das Wasser abgedreht wurde, ist nicht bekannt. Betroffene und Sozialverbände fordern angesichts der immer weiter steigenden Energiepreise: Die Ämter müssen in jedem Fall die tatsächlichen Kosten übernehmen und so Sperren verhindern. Was ist Ihre Meinung?

SPD
Energie- und Wassersperren haben vielfältige Gründe. In der Stromgrundversorgungsverordnung ist genau geregelt, ab wann eine Stromsperre überhaupt erfolgen kann. Sie muss zum Beispiel verhältnismäßig sein. Der Stromversorger muss alles vorher tun, um eine Stromsperre zu verhindern. Hierzu gehören Teilzahlungen sowie Stundungen. Auch kann das Jobcenter ein Darlehen gewähren, damit Rückstände bei den Energieversorgern gezahlt werden können. So kann eine Sperre verhindert werden. Im Übrigen hat das Landesgericht in Essen hier hilfreiche Hinweise gegeben.
SPD
Stromsperren gilt es zu vermeiden. Neben dem Energie- und Sozialrecht helfen auch bestehende Förderprogramme und Beratungsangebote für Betroffene (u. a. Energie- und Schuldnerberatung, Jobcenter) Stromsperren vorzubeugen. Das Bundeswirtschaftsministerium steht im Austausch mit Versorgern, Verbraucherverbänden und Sozialträgern um zu erreichen, dass es gar nicht erst zu einer Versorgungsunterbrechung kommt.
Grüne
Jede und jeder muss ausreichend Strom haben. Kostenlose Beratung sowie Beschaffungsprogramme für energiesparende Geräte können arme Menschen gezielt dabei unterstützen. Wir setzen uns zudem dafür ein, dass eine ausreichende, zusammen mit der jährlichen Regelsatzanpassung angepasste und aus dem Regelsatz ausgelagerte Pauschale für Stromkosten eingeführt wird.
Linke
Der Zugang zu Energie ist ein Grundrecht. Die Linke will Energiearmut verhindern. Zahlungsschwierigkeiten dürfen nicht dazu führen, dass Menschen im Dunkeln sitzen oder frieren müssen. Strom, Gas, Wasser, Heizung dürfen nicht abgestellt werden! Wohngeld soll auf der Basis der Bruttowarmmiete gezahlt und um eine Komponente für Stromkosten erweitert werden. Die Heiz-, Warmwasser- und Stromkostenkomponente soll im Wohngeld zu einer Energiekostenkomponente („Klimawohngeld“) zusammengeführt werden. Das Klimawohngeld ist so auszugestalten, dass Energiearmut bei umsichtigem Verbrauch sicher verhindert wird.
AfD
Hierzu ist in der AfD der Meinungsbildungsprozess noch nicht abgeschlossen.

Basiskonto muss bezahlbar sein!

Seit 2016 hat jeder Mensch in Deutschland das Recht auf ein Girokonto. Mehrere (auch große) Banken haben das Gesetz jedoch faktisch ausgehebelt, indem sie so hohe Gebühren verlangen, dass Geringverdiener, Hilfeempfänger, Obdachlose und Flüchtlinge außen vor bleiben. Wir meinen: Hier muss im Gesetz nachgebessert werden. Was denken Sie?

CDU
Der Zugang zum Basiskonto wurde mit dem Zahlungskontengesetz erst kürzlich umgesetzt, so dass es noch zu früh ist, dies abschließend zu beurteilen. Fakt ist, dass auch Menschen, denen bisher ein Konto vollständig verweigert wurde, nun Zugang zu einem Konto mit grundlegenden Zahlungsfunktionen erhalten können. Die Kreditinstitute dürfen für diese Dienste allerdings nur angemessene Entgelte verlangen. Die Finanzaufsicht (BaFin) überwacht, ob es zu Verstößen gegen diese Pflicht zu angemessenen Entgelten kommt. Sollte es Verstöße geben, so verfügt sie über die notwendigen Instrumente, um einschreiten zu können.
SPD
Es ist richtig, dass einige Banken sich nicht an die Regeln halten. Sie verlangen unangemessen hohe Gebühren und ignorieren auch die Bestimmung, dass Gebühren am Nutzerverhalten orientiert sein müssen. Wer nur Online-Banking nutzt, sollte dafür nicht extra zahlen. Wer nur das Filialnetz nutzt, sollte nicht für beleghafte Überweisungen zahlen.

Deshalb begrüßen wir es, dass der Bundesverband Verbraucherzentrale e.V. bereits einige Institute wegen überhöhter Gebühren beim Basiskonto abmahnte. Darüber hinaus ist die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in der Pflicht, durchzusetzen, dass sich alle Banken an die Regeln halten. Deshalb hat sich die SPD-Bundestagsfraktion auch an das Bundesfinanzministerium gewandt und ein Handeln der BaFin eingefordert. Der Bundesminister der Finanzen muss Sorge tragen, dass die Finanzaufsicht, für die er verantwortlich ist, ihren Aufgaben nachkommt.

Falls es in den nächsten Monaten zu keinen Verbesserungen kommt, werden wir uns auch für gesetzliche Änderungen bezüglich der Kosten für die Basiskonten einsetzen.

Grüne
Ja, das Gesetz muss nachgebessert werden. Denn die dort genannten Kriterien „marktüblich“ und „angemessen“ sind viel zu schwammig und lassen zu, dass unliebsame Kunden durch hohe Gebühren ferngehalten werden. Darauf haben wir bereits im Gesetzgebungsprozess hingewiesen. Der Anspruch auf ein Basiskonto darf nicht nur auf dem Papier existieren.
Linke
Alle Menschen müssen einen Rechtsanspruch auf ein kostenfreies Girokonto erhalten. Es ist ungeheuer wichtig, dass rund eine Million Menschen nun endlich ein Basiskonto eröffnen können. Doch dies kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass noch erhebliche Lücken im finanziellen Verbraucherschutz bestehen.
AfD
Zu diesem Thema gibt es bislang keine Beschlusslage der AfD.
Artikel aus der Ausgabe:

Wen Obdachlose wählen

Auf dem Titelblatt: Unser Verkäufer Andi nahm Ende Juli an der Hinz&Kunzt-Testwahl teil. Bei ihm und anderen Hinz&Künztlern herrscht allerdings auch viel Frust und wenig Hoffnung in Hinblick auf die Bundestagswahl. Geschichten aus unserem Alltag Natürlich beschäftigt auch uns die Bundestagswahl am 24. September. Obdachlose dürfen nämlich unter bestimmten Bedingungen wählen. Und natürlich wollen wir […]

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Autor:in
Ulrich Jonas
Ulrich Jonas
Ulrich Jonas schreibt seit vielen Jahren für Hinz&Kunzt - seit 2022 als angestellter Redakteur.

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