Der Titelverteidiger: Christoph Ahlhaus

Nach nur wenigen Monaten im Amt würde der 41-jährige Ex-Innensenator und derzeitige Bürgermeister gerne verlängern und das Ohr dabei ganz nah bei den Menschen haben.

(aus Hinz&Kunzt 216/Februar 2011)

AhlhausHinz&Kunzt: Herr Ahlhaus, warum sind Sie ein guter Erster Bürgermeister?
Christoph Ahlhaus: Um dieses Amt vernünftig ausüben zu können, muss man die Bereitschaft mitbringen, das Ohr bei den Menschen zu haben. Für mich ist es unheimlich wichtig, dass man mit den Menschen ehrlich umgeht, dass man keine Erwartungen weckt oder Versprechungen macht, die man nachher nicht halten kann.

H&K:
Seit die CDU regiert, ist die Zahl der neu gebauten Wohnungen von 10.000 auf 3160 jährlich gesunken, benötigt werden nach Meinung des Mietervereins zu Hamburg 8000. Warum hat der Senat den Neubau von Wohnungen verschlafen?
Ahlhaus: Ich würde nicht von verschlafen reden. Richtig aber ist, dass wir einen Zahn zulegen müssen, um alle Blockaden, die den Wohnungsbau aufhalten, zu eliminieren.

H&K: Hätten die Blockaden nicht längst abgebaut werden müssen?
Ahlhaus: Da gebe ich Ihnen recht. Aber der Durchbruch wurde auch deshalb verhindert, weil die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt von unserem Koalitionspartner geführt wurde – und die, die für Bauvorhaben zuständig sind, in der gleichen Behörde sitzen wie die, die sich um Umweltschutz kümmern.
Grundsätzlich ist es nicht mehr so einfach, Bauprojekte in der Stadt umzusetzen. Ob das ein Bahnhof ist, ein Flughafen oder eben Wohnungsbau. Fast jedes Mal gibt es Anwohnerbeschwerden, Interessenskollisionen von Wohnen und Gewerbe, Umweltauflagen oder Konflikte mit den für das Flächenmanagement zuständigen Bezirken. Um diese Spannungen aufzulösen und Abläufe zu beschleunigen, haben wir im Mai 2010 den Wohnungsbaukoordinator eingeführt. Er kann aber von heute auf morgen keine Wunder vollbringen.

H&K: Können Sie bei derlei Problemen überhaupt versprechen, dass der Wohnungsbau jetzt zügig vonstattengeht?
Ahlhaus: Man kann versprechen, dass
eine politische Priorität für den Wohnungsbau eingeräumt wird. Was man nicht versprechen kann, ist, dass es keine Volksbegehren mehr gibt, die die Planung aufhalten.

H&K: Saga GWG hat unter den CDU-geführten Senaten den Wohnungsbau fast komplett eingestellt. Was ist falsch gelaufen?
Ahlhaus: Wir müssen umsteuern, und Aufgabe des neuen Senats muss es sein, dafür zu sorgen, dass die Prioritäten wieder anders gesetzt werden. Ich bin überzeugt, dass die Einsetzung des Wohnungsbaukoordinators dabei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist. Klar ist aber auch, dass sich Saga GWG nicht nur als gewinnorientierter Player verstehen darf.

H&K: Die Linke schlägt vor, dass Saga GWG nicht mehr 100 Millionen Euro jährlich an die Stadt abführen muss und lieber damit Wohnungen baut. Was halten Sie davon?
Ahlhaus: Sagt die Linke auch, wo die 100 Millionen, die dem Haushalt dann fehlen, herkommen sollen? Das ist eine reine Wahlkampf-Luftnummer.
H&K: Büro- und Wohnungsleerstände sind ein Skandal! Richtig oder falsch?
Ahlhaus: Leerstand ist immer schwierig, kann auch nicht im Interesse der Stadt sein, aber letztlich leben wir in einem Land, in dem Eigentümer ihre Rechte haben. Ja, Eigentum verpflichtet auch, aber die Möglichkeiten der öffentlichen Hand, auf Eigentümer einzuwirken, sind naturgemäß beschränkt.

H&K: Sehen Sie da Handlungsbedarf?
Ahlhaus: Da sehe ich Handlungsbedarf. Zum Beispiel, indem man Gespräche führt. Wer mit Druck oder Beschimpfung arbeitet, erreicht genau das Gegenteil.

H&K: Man muss ja nicht beschimpfen. Man könnte klare Regelungen schaffen, schneller Bußgelder verhängen und die Vermieter in die Pflicht nehmen.
Ahlhaus: Schwarze Schafe müssen konsequent geahndet werden, wir können aber nicht alle Investoren generell über einen Kamm scheren. Wenn wir mit Restriktionen ein schlechtes Klima schaffen, machen wir es uns selbst nur schwerer.

H&K: Man kann auch bezahlbaren Wohnraum schaffen, indem man Flächen nicht mehr nach dem Höchstgebot vergibt, sondern nach sozialen Gesichtspunkten. Was halten Sie davon?
Ahlhaus: Flächen müssen mit der Zielorientierung vergeben werden, dass preiswerter Wohnraum geschaffen wird. Da hat es bereits erste Schritte gegeben. Die haben sich noch nicht so ausgewirkt. Aber richtig ist, dass wir diese Instrumente, mit denen wir keinen einseitigen Druck ausüben, auch nutzen müssen.

H&K: Die Notunterkünfte sind seit einiger Zeit überfüllt. Auch wir haben immer wieder darauf hingewiesen. Es ist ein Armutszeugnis, dass Sie zunächst nur den Bunker anzubieten hatten. Warum ist so lange nichts passiert?
Ahlhaus: Wir haben von Anfang an darauf hingewiesen, dass der Bunker nicht als Dauerlösung gedacht war, sondern als Erfrierungsschutz für die ganz kalten Tage. Wir haben das Geschehen beobachtet, und als sich herausgestellt hat, dass sich die Zahl der Übernachter eingependelt hat, haben wir nach einer Lösung gesucht, mit der wir bis zum Ende des Winters entsprechend Plätze zur Verfügung stellen können. Mit dem ehemaligen Pflegeheim in Jenfeld haben wir einen besseren Standard geschaffen.

H&K: Wie soll es bei der Bekämpfung von Obdachlosigkeit weitergehen?
Ahlhaus: Hamburg verfügt über ein umfassendes, differenziertes und niedrigschwelliges Hilfesystem, das kontinuierlich weiterentwickelt wird. So wird etwa nach Beendigung des Winternotprogramms eine neue Auswertung des Programms vorgenommen. Aber solange bezahlbarer Wohnraum Mangelware ist, ist doch klar, dass es genau an dieser Stelle zusätzliche Engpässe gibt.

H&K: Warum ist die Elbphilharmonie wichtiger für Hamburg als kostenlose Kita-Plätze?
Ahlhaus: Kostenlose Kita-Plätze sind nicht finanzierbar. Wer immer nur das eine
gegen das andere aufrechnet, der verkennt, dass man alle sozialen Probleme, die ich habe, nur lösen kann, wenn ich eine Stadt auch für Investoren attraktiv mache. Das bringt Wohlstand und Geld. Insofern ist die Elbphilharmonie auch für die sinnvoll, die sie nie besuchen werden.

H&K: Hamburg ist Umwelthauptstadt. Wäre es nicht auch toll, wenn Hamburg Sozialhauptstadt wäre?
Ahlhaus: Hamburg ist nur dann eine lebenswerte Metropole, wenn sie sozial gerecht ist. Und natürlich betrachte ich mit Sorge – das ist aber kein spezielles Hamburger Phänomen – dass der Unterschied zwischen Arm und Reich auseinandergeht. Deswegen muss eine Stadt auch alles dafür tun, um eine wachsende Spaltung zu verhindern. Das tun wir auch erfolgreich. Wir haben 2010 bei den Kitas eine halbe Milliarde Euro ausgegeben  und in den kommenden vier Jahren werden wir noch mal 100 Millionen ausgeben. Wer behauptet, dass in Hamburg zu wenig getan wird, der liegt falsch.

H&K: Von der Bundesregierung wurden die Mittel für Langzeitarbeitslose um 50 Millionen gekürzt für Hamburg, kann der Senat das kompensieren?
Ahlhaus: Das Wichtigste ist ja, dass die Zahl der Arbeitslosen zurückgeht, wir haben heute die niedrigsten Arbeitslosenzahlen seit Langem. Wir müssen dafür sorgen, dass in der Stadt Bedingungen herrschen, die die Schaffung von Arbeitsplätzen fördern. Das ist uns zum Beispiel trotz Krise mit unserem Konjunkturprogramm ge­lungen.

H&K: Aber die Langzeitarbeitslosen haben von diesem Aufschwung bislang nichts.
Ahlhaus: Der Aufschwung geht ja jetzt erst wieder richtig los. Und wenn die Haushaltslage wieder besser wird, kann man Programme, die eingespart werden mussten, wieder auflegen. Dann bekommen diejenigen einen Ausgleich, die durch die Sparmaßnahmen am meisten betroffen waren.

H&K: Sie haben sich im „Vier Jahreszeiten“ mit Ihrer Frau in Abendrobe ablichten lassen. War das gut für Ihr Image?
Ahlhaus: An dem Foto ärgert mich, dass es von mir und meiner Frau ein falsches Bild gezeichnet hat. Wir sind beide zutiefst bodenständig und nicht das Glamourpärchen. Wenn Sie sich erinnern, es gab von mir auch andere Bilder …

H&K: … im Ringel-T-Shirt
Ahlhaus: Genau. Ich bin kein Dressman. Mir liegt daran, dass die Hamburger mich so wahrnehmen, wie ich bin: für die Menschen ansprechbar und nicht abgehoben.

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