Hamburgische Bürgerschaft :
Streit um Sicherungsverwahrung

Um den richtigen Umgang mit ehemaligen Strafgefangenen wird diese Woche in der Hamburgischen Bürgerschaft gestritten. FDP, Grüne und Linke werfen SPD und CDU vor, der Resozialisierung von Sicherungsverwahrten nicht ausreichend Rechnung zu tragen.

JVA
In der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel sitzen die Sicherheitsverwahrten getrennt von den Häftlingen ein.

Was soll mit Hamburgs Sicherungsverwahrten geschehen? CDU und SPD sind sich einig: Der Schutz der Bevölkerung vor Gewalt- und Sexualstraftätern hat Vorrang vor möglicherweise gefährlichen Freiheiten für Sicherungsverwahrte. Unter diesem Vorzeichen steht der Gesetzentwurf zur Sicherungsverwahrung, den beide Parteien heute in die Bürgerschaft einbringen werden. FPD, Grüne und Linke kritisieren das scharf. Farid Müller, justizpolitischer Sprecher der Grünen, spricht von einer „großen Koalition der Wegsperrer“.

Um die Allgemeinheit zu schützen, wird in der Bundesrepublik in Einzelfällen für gefährliche Straftäter, die ihre Strafe bereits abgesessen haben, Sicherungsverwahrung angeordnet. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat allerdings entschieden, dass Sicherungsverwahrte nicht mit Strafgefangenen gleichgesetzt werden dürfen. Bis zum 31. Mai 2013 müssen die Landesparlamente ein „freiheitsorientiertes und therapie-gerichtetes Gesamtkonzept“ entwickeln.

Der Hamburger Gesetzentwurf zur Sicherungsverwahrung erfüllt aus Sicht von FDP, Grünen und Linken diese Vorgaben nicht. „Senatorin Schiedek riskiert mit ihrem kompromisslosen Kurs einen Rüffel aus Karlsruhe“, sagt Farid Müller von den Grünen. André Trepoll, justizpolitischer Sprecher der CDU, entgegnet: „Der von CDU und SPD unterstützte Gesetzentwurf ist freiheitsorientiert und therapiegerichtet, ohne die Sicherheit der Bevölkerung aus den Augen zu verlieren. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit bestanden zu keiner Zeit.“

Der Konflikt zwischen den Parteien offenbart sich in kleinen Detailfragen zum Gesetz: So weist Müller darauf hin, dass der Hamburger Gesetzentwurf lediglich einen Vollzugsplan beinhaltet. „In Schleswig-Holstein hingegen steht die Resozialisierung im Vordergrund. Dort ist von einem Eingliederungsplan die Rede“, so Müller. Er wirft CDU und SPD vor, dass sie den Resozialisierungsgedanken vernachlässigen würden. So seien in den angrenzenden Bundesländern die vierwöchigen Arreststrafen bereits abgeschafft worden. Hamburg würde als einziges Bundesland an diesem Bestrafungsinstrument festhalten.

Die CDU findet das richtig: „Die angestrebte Freiheitsorientierung des Vollzugs ist wichtig, darf aber nicht auf Kosten der Sicherheit gehen“, sagt Trepoll. „Aus ideologischen Gründen auf Teufel komm raus Lockerungen zu fordern, halte ich für unverantwortlich.“ Diesen Vorwurf will Müller so nicht stehen lassen. Es gibt Sicherheitsverwahrte, die aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entlassen werden mussten. Der Hamburger Gesetzentwurf hat Auswirkungen für Sicherheitsverwahrte, die weiterhin in der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel einsitzen. „Ein besserer Vollzug mit Aussicht auf Freiheit und Therapieerfolg gefährdet die Öffentlichkeit nicht“, sagt Müller. „Sicherungsverwahrte, bei denen die Maßnahmen erfolglos sind, kommen ohnehin nicht frei.“ Der Änderungsantrag würde zudem keine Extra-Forderungen beinhalten. „Er orientiert sich an Gesetzesvorlagen anderer Bundesländer“, so Müller. Für die Bürgerschaftssitzungen hoffen FDP, Grüne und Linke auf Einsicht, damit Hamburg keinen Sonderweg geht.

Sogar einen finanziellen Anreiz, Sicherungsverwahrte wieder zu einem Leben in Freiheit zu befähigen, gäbe es aus Sicht der Oppositionsparteien: Pro Sicherungsverwahrten fallen in Hamburg jährlich Kosten von 90.000 Euro an.

Text: Jonas Füllner
Foto: bildarchiv-hamburg.de