Neckels Klimafragen

Säuft Hamburg (doch) ab?

Droht ganz Hamburg in Zukunft so unter Wasser zu stehen, wie es der Fischmarkt schon heute regelmäßig tut? Foto: picture alliance/dpa
Droht ganz Hamburg in Zukunft so unter Wasser zu stehen, wie es der Fischmarkt schon heute regelmäßig tut? Foto: picture alliance/dpa
Droht ganz Hamburg in Zukunft so unter Wasser zu stehen, wie es der Fischmarkt schon heute regelmäßig tut? Foto: picture alliance/dpa

Soziologe Sighard Neckel schreibt in seiner Kolumne über die Folgen eines starken Anstiegs des Meeresspiegels für Hamburg.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Hamburg im Jahr 2049: Eine acht Meter hohe Sturmflut rollt von der Nordsee die Elbe hinauf, zerstört mehrere Fluttore und überschwemmt die Stadt. Fast ein Drittel der Hamburger Innenstadt, darunter der größte Teil der HafenCity, steht tagelang unter Wasser. Doch die HafenCity hält stand – schließlich war sie für den Hochwasserfall ausgebaut worden. Teile der Altstadt jedoch werden komplett überflutet, alte Backsteingebäude stürzen um wie Dominosteine.

Dieses Szenario beschreiben die US-amerikanischen Autorinnen Christina Conklin und Marina Psaros in ihrem „Atlas der verschwindenden Orte“. In ihm sind die Städte verzeichnet, die als Folge des weltweiten Klimawandels am stärksten durch den Anstieg des Meeresspiegels gefährdet sind – darunter auch Hamburg. Marina Psaros lebte selbst einige Jahre in der Hansestadt. Als sie Hamburg 2001 verließ, begannen gerade die Arbeiten an der HafenCity – ein Vorzeigeprojekt beim Hochwasserschutz. So verfügen die Gebäude über einen wasserdichten Sockel, der bis zu einer Höhe von neun Meter über Normalnull reicht. Laut des Szenarios für 2049 wurde dann aber versäumt, Schutzdeiche und Fluttore überall zu erneuern. So kam es zur Katastrophe.

In Hamburg herrscht die Auffassung vor, dass dieses Szenario nicht eintreffen kann. Seit der Flutkatastrophe von 1962 sieht sich die Stadt beim Hochwasserschutz ganz vorn. Kein Deich in der Stadt unterschreitet die Höhe von 7,25 Meter. Ausfahrbare Fluttore sichern gefährdete Stadtteile gegen Hochwasser ab. Durch laufende Bauprogramme der Umweltbehörde werden die Deiche um mehr als einen Meter erhöht. Dadurch will man den Anstieg des Meeresspiegels zumindest bis 2050 sicher im Griff haben.

Doch kann uns das wirklich in Sicherheit wiegen? Die Risiken des Klimawandels sind nicht exakt vorherzusagen. Erst kürzlich hat uns die Klimaforschung alarmiert, dass das westantarktische Schelfeis mit ungeahnter Geschwindigkeit schmilzt und die Golfstromzirkulation möglicherweise einen Kipp-Punkt erreicht. Dies könnte am Ende des Jahrhunderts den Meeresspiegel um weitere zwei Meter ansteigen lassen. Soll die Stadt hinter Deichen verschwinden, um Hamburg vor Hochwasser zu schützen? Und was ist mit jenen Stadtteilen, die weniger gut gegen Fluten gewappnet sind als die teure HafenCity? Kein Weg führt daran vorbei, möglichst schnell wirksame Maßnahmen gegen die Erderwärmung und ihre Folgen zu ergreifen. Allein ein drastisches Absenken der Treibhausgase kann den Anstieg des Meeresspiegels begrenzen.

Artikel aus der Ausgabe:

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Autor:in
Sighard Neckel
Sighard Neckel ist Soziologe und Professor für Gesellschaftsanalyse und sozialen Wandel an der Uni Hamburg, an der er seit 2019 auch Mitglied der Forschungsgruppe „Zukünfte der Nach­haltigkeit“ ist.

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