Graphic Novel über Klassismus : Scham als ständiger Begleiter

Zeichnerin und Autorin Eva Müller. Foto: Miguel Ferraz
Hinz&Kunzt Randnotizen

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In ihrer Graphic Novel „Scheiblettenkind“ zeichnet Eva Müller eine Kindheit und Jugend als Arbeiterkind nach – und stellt wichtige Fragen, etwa: Warum ist es in Deutschland immer noch schwierig, Klassengrenzen zu überwinden?

Immer wenn Eva Müller nicht weiterwusste, zeichnete sie Marx. Genau, den Marx: „Bei Schreibblockaden war er meine Ausflucht. Er ordnet die Dinge ein“, sagt die Illustratorin und Autorin. An jedem Kapit­elende kommt er zu Wort. Ihr Marx besteht gefühlt fast nur aus Haaren, dicht an dicht kringeln sie sich an Kopf und Vollbart. In ihrer Graphic Novel „Scheiblettenkind“ hat Müller den Klassenkampf-Vorkämpfer in die Gegenwart gebeamt: Marx trägt Hipster-Klamotten und sitzt im Café vor dem Laptop zwischen übermüdeten Digital Natives. Sanft blickt er unter buschigen Augen­brauen hervor, darunter liest man bekannte Sätze von ihm wie: „Das gesellschaftliche Sein bestimmt das Bewusstsein.“

Die in Hamburg lebende Zeichnerin und Autorin Eva Müller hat mit „Scheiblettenkind“ die „erste autofiktionale Graphic Novel über Klassismus“ veröffentlicht, trommelt ihr Verlag. Das wirft Fragen auf: Autofiktional? Klassismus? „Das Buch ist auf jeden Fall angelehnt an meine Biografie“, sagt die 43-Jährige, um den Begriff autofiktional zu erklären. „Aber mir ging es mehr darum, gesellschaftliche Zusammenhänge auf­zuzeigen“, sprich: Ihre Biografie mischt sich mit Erfundenem. „Ich bin Geschichtenerzählerin, das war mir wichtiger, als starr bei meinem Leben zu bleiben“, so Müller. Es sei ihr anfangs auch gar nicht klar gewesen, dass sie ein Buch über Klassismus macht. Der Begriff, der die Diskriminierung aufgrund der sozialen Herkunft meint, werde ja derzeit auch regelrecht gehypt, sagt sie und lächelt. Sie habe eher ein Buch über die Arbeiterklasse oder untere Mittelschicht in Deutschland und ihre äußeren und inneren Kämpfe machen wollen.
Studien legen nahe, dass die Klassenzugehörigkeit in Deutschland noch immer über den Bildungsweg eines Menschen entscheidet.

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Gut geschlafen?

Wie schlecht Obdachlose schlafen – und was das für ihre Gesundheit bedeutet. Wieso es im Stadtteil Niendorf Widerstand gegen neue Hilfseinrichtungen gibt. Außerdem: Besuch im Zusatzstoffmuseum und Interview mit Kettcar-Bassist Reimer Burstorff.

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Autor:in
Simone Deckner
Simone Deckner
Simone Deckner ist freie Journalistin mit den Schwerpunkten Kultur, Gesellschaft und Soziales. Seit 2011 arbeitet sie bei Hinz&Kunzt: sowohl online als auch fürs Heft.

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