Kennedybrücke an der Alster : Rolfs Zelt geht in Flammen auf

#kalterAsphalt
Rolfs Zelt an der Kennedybrücke ist völlig hin. Dabei wollte er nur ein bisschen heizen.

Rolf war entschlossen, im Zelt der Kälte zu trotzen. Die Platte an der Kennedybrücke ist sein ganzer Stolz. Doch nach einem Unfall steht er ohne alles da: Das Zelt ist verbrannt, seine Beziehung am Ende, der Kampf gegen seine Alkoholsucht wird härter.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Die Eiskruste auf der Alster knirscht vor dem Bug einer Barkasse, am Ufer glitzert Rauhreif auf Zeltstoff. Es ist totenstill auf der Platte an der Kennedybrücke. Mittendrin liegt eine Ruine: Das ehemalige Zelt von Rolf (32), ausgebrannt und völlig zerrissen. Ein Unfall, erzählt Rolf.

Am Dienstagabend – bei Temperaturen nah am Gefrierpunkt – wollte er das Zelt mit einer Spiritusdose beheizen. Der Behälter fiel um, das Innenzelt ging in Flammen auf, Rolfs Kleidung fing Feuer. Vor Panik und Wut riss er alles nieder. „Jetzt habe ich keine Hoffnung mehr“, sagt Rolf.

Platte war bekannt für Sauberkeit

Vor gut zwei Jahren hat Rolf die Platte an der Kennedybrücke gemeinsam mit anderen aufgebaut. Die Bewohner galten als „die Spießer“ unter Hamburgs Obdachlosen: Kein Müll, kein Hausrat rund um die Zelte, offener Drogenkonsum wurde nicht geduldet. „Dass wir ohne Drogen auskommen, liegt daran, dass wir uns gegenseitig stärken“, sagte Rolf, als Hinz&Kunzt im vergangenen Sommer über die Gruppe berichtete.

Damals hatten die Behörden gedroht, die Platte zu räumen, sahen aber letztendlich doch davon ab. So lange sie die Umgebung sauber hielten, wurden die „Kennedys“ an ihrem Platz geduldet.  Rolf verbucht das als großen persönlichen Erfolg: „Die Stadt ist schwer begeistert von meiner Campführung. Ich auch! Ich bin monsterstolz.“

Kalter Asphalt

Obdachlosigkeit ist schon im Sommer echt hart – im Winter wird es richtig gefährlich. Wir begleiten einige Obdachlose durch die kalte Jahreszeit. Dieter wollte nie eine Wohnung, jetzt macht ihn die Straße krank. Bonnie und Clyde waren in ihrer Wohnung überfordert, jetzt finden sie vielleicht nicht mal einen Container. Und Marek, Krzysztof und „Papa“ ziehen mit ihrem Zelt von einem Platz zum anderen, weil sie überall vertrieben werden. Unsere Reihe beginnt im Oktober – bevor das Winternotprogramm startet. Werden Sie dort alle einen Platz bekommen? Und wie geht es dann mit ihnen weiter? Wir bleiben dran.

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Nun ist für ihn alles auf einmal zusammengebrochen. Nicht nur das Zelt ist dahin. Der Unfall mit der Spiritusdose geschah mitten im Streit mit seiner bisherigen Partnerin. Sie half ihm noch, seine brennende Kleidung zu löschen, aber die Beziehung war nicht mehr zu retten. Dabei hatten sie bei Einbruch des Winters noch gehofft, zu zweit der Kälte trotzen zu können.

Die Hoffnung auf einen Platz im Wohncontainer auf Kirchengelände hatten sie schnell aufgegeben. Dort hätten sie auch tagsüber im Warmen bleiben können. Doch schon im Oktober habe es keine solchen Containerplätze für Paare mehr gegeben, glaubt Rolf. Eine Fehlinformation – aber für ihn und seine damalige Freundin ein Anlass, sich das lange Warten vor der Anmeldung zu sparen.

Und jetzt? Wie er die nächste Nacht übersteht, weiß Rolf am Mittwochabend noch nicht. Versuchen will er es bei einem Cousin in Mümmelmannsberg. „Wenn ich Glück habe, kann ich da über Nacht bleiben“, sagt er.

Das Winternotprogramm kommt für Rolf nicht in Frage

Ein Risiko wäre es für ihn trotzdem. Rolf kämpft seit Jahren mit seiner Trinksucht. Sein Cousin ist Alkoholiker. „Ich werde definitiv wieder trinken müssen, wenn ich da bleiben will“, sagt Rolf. „Und ich bin heute schon wieder rückfällig geworden, weil mir das alles über den Kopf wächst.“

Von Rolfs früherer Bleibe ist fast nichts mehr übrig.

Im Winternotprogramm könnte er bis Ende März jede Nacht einen Schlafplatz bekommen – doch für ihn kommt das nicht in Frage. „Ich will nicht in ein Umfeld, wo Alkohol gang und gäbe ist“, sagt Rolf, der weiter gegen seine Sucht ankämpft. „Ich geh nicht in eine Sammelunterkunft, ich bin kein Penner.“ Ein hartes Wort: „Penner“ sind für ihn Obdachlose, die sich aus seiner Sicht ihrem Elend ergeben haben. Davon will er sich abgrenzen. „Ich bin obdachlos, aber ich bin ein normaler Mensch, so wie jeder andere.“

 

Autor:in
Annabel Trautwein
Annabel Trautwein
Annabel Trautwein schreibt als freie Redakteurin für Politik, Gesellschaft und Kultur bei Hinz&Kunzt - am liebsten über Menschen, die für sich und andere neue Chancen schaffen.

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