Lampedusa in Hamburg : Polizei geht gegen Flüchtlinge vor

Die Polizei hat am Freitag Flüchtlinge aus der Lampedusa-Gruppe kontrolliert und zehn Personen der Ausländerbehörde überstellt. Gegen sie bestehe der Verdacht des illegalen Aufenthalts. Am Abend waren die Flüchtlinge wieder frei. 800 Menschen protestierten in Altona gegen die Kontrollen.

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800 Menschen zogen am Freitag von Altona zur St. Pauli Kirche, um gegen die Polizeikontrollen zu protestieren.

Jetzt greift die Innenbehörde gegen die Lampedusa-Flüchtlinge durch: Am Freitagvormittag hat die Polizei gezielt aus Libyen stammende Flüchtlinge am Hauptbahnhof und auf St. Pauli kontrolliert. Wie Polizeisprecher Holger Vehren gegenüber Hinz&Kunzt sagte, hätten 50 Beamte vor der St. Pauli Kirche und vor dem Infozelt der Flüchtlinge am Steindamm die Kontrollen im Auftrag der Ausländerbehörde durchgeführt. Zehn Personen seien wegen des Verdachts des illegalen Aufenthalts vorrübergehend in Gewahrsam genommen worden. Sie sind der Ausländerbehörde überstellt worden.

Inzwischen sind die Flüchtlinge wieder auf freiem Fuß, bestätigte Rechtsanwältin Daniela Hödl am Freitagabend Hinz&Kunzt. Nach einer erkennungsdienstlichen Behandlung hätten die Männer mit italienischen Papieren einer Anhörung unterzogen werden sollen, ohne dass ihnen der Kontakt zu ihren Anwälten gestattet worden wäre. Der Einspruch der Juristen dagegen sei vorerst erfolgreich gewesen, am Mittwoch müssten die Flüchtlinge sich jedoch wieder bei der Ausländerbehörde melden. Die Anwältin rechnet damit, dass sie dann eine Ausreiseaufforderung erhalten werden. Hödl kritisiere den Umgang mit ihren Mandanten: „Sie haben den ganzen Tag nichts zu Essen oder zu Trinken bekommen.“

Die Kontrollen seien eine Folge der ergebnislosen Verhandlungen mit der Kirche und Vertretern der Flüchtlinge, sagte Innenbehördensprecher Frank Reschreiter gegenüber Hinz&Kunzt. „Wer als Flüchtling Schutz sucht, muss den Behörden seinen Namen nennen und seine Fluchtgeschichte erzählen. Dann sorgt die Stadt selbstverständlich für eine Unterkunft.“ Das verweigern die Lampedusa-Flüchtlinge bislang, da sie befürchten, dann nach Italien abgeschoben zu werden. „Deshalb sind die Behörden gezwungen aktiv zu werden“, so Reschreiter. „Auch noch so schwierige Einzelschicksale berechtigen nicht dazu, nationale und europarechtliche Regeln zu unterlaufen. Daher ist auch für die Flüchtlinge aus Libyen eine Einzelfallprüfung unabdingbar.“

Auf dem Gelände der St Pauli Kirche selbst hätten keine Kontrollen stattgefunden, sagte Pastor Sieghard Wilm zu Hinz&Kunzt. Dort leben seit Monaten 80 der insgesamt bis zu 300 Lampedusa-Flüchtlinge. „Unser Gelände ist sicher, aber sobald sie es verlassen, werden sie kontrolliert.“ Wilm sagte, in den Straßen um die Kirche herum habe es Patrouillen gegeben, jeder mit dunkler Hautfarbe sei einer Personalienkontrolle unterzogen worden. Die Flüchtlinge seien nun verunsichert: „Einige werden jetzt abtauchen, andere werden sich nicht mehr vom Gelände trauen.“

Am Freitagabend protestierten in Altona etwa 800 Menschen gegen die Kontrollen und für ein Bleiberecht der Lampedusa-Flüchtlinge in Hamburg. „Viele Polizisten haben sich in den vergangenen Monaten sehr anständig verhalten“, sagte Ralf Lourenco von der Flüchtlingsorganisation Karawane bei der Abschlusskundgebung auf dem Hein-Köllisch-Platz. Er appellierte an die anwesenden Polizisten, sich nicht an den Kontrollen zu beteiligen. „Macht dieses Spiel nicht mit!“, sagte er. Polizeisprecher Holger Vehren sagte, inzwischen seien die Kontrollen abgeschlossen. Bislang seien auch zunächst keine weiteren Einsätze dieser Art geplant.

Gleichzeitig wurde bekannt, dass vor der italienischen Insel Lampedusa erneut ein Boot mit Flüchtlingen aus Afrika gekentert ist. Mindestens 26 Menschen sind dabei nach Agenturmeldungen ertrunken. Die Hamburger Lampedusa-Flüchtlinge waren ebenfalls über das Mittelmeer nach Europa gekommen. Affo Tchassei, Sprecher der Flüchtlinge, kommentierte: „Es ist Heuchelei, wenn die Politiker über die Toten im Mittelmeer trauern, aber für diejenigen, die es geschafft haben, nichts tun.“

Text und Foto: Benjamin Laufer