Versuchter Mord : Obdachloser in Berlin angezündet

Auf dieser Bank schlief der Obdachlose, als die Täter ihn anzündeten. Foto: action press / Peter Meissner

Nach dem lebensgefährlichen Angriff auf einen Obdachlosen in einer Berliner U-Bahnstation hat die Polizei sieben Tatverdächtige festgenommen. Sie sollen den schlafenden Mann angezündet haben und müssen sich nun wegen versuchten Mordes verantworten.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Zum Glück waren sofort Retter zur Stelle, die die Flammen löschten – sonst hätte der obdachlose Pole den Angriff an der U-Bahnhaltestelle Schönleinstraße am späten Heiligabend wohl nicht überlebt. Eine Gruppe von Jugendlichen und jungen Männern hatte die Kleidung des betrunkenen Schlafenden angezündet und das Zeitungspapier, mit dem er sich zugedeckt hatte, in Brand gesetzt. Dann flüchteten die Täter mit der U-Bahn. Passanten bemerkten die Flammen und löschten sie, ein U-Bahnfahrer eilte mit einem Feuerlöscher zu Hilfe. „Wir gehen davon aus, dass es nur dem beherzten Eingreifen der Zeugen zu verdanken ist, dass diesem Mann nichts Schlimmeres passiert ist“, sagte Polizeisprecher Michael Maaß im rbb.

Überwachungskameras hatten die Tat gegen 2 Uhr in der Nacht zum ersten Weihnachtsfeiertag festgehalten. Zunächst war die Polizei von fünf bis sechs Tätern ausgegangen. Die Mordkommission fahndete nach den Männern, auch der Staatsschutz ermittelte. Inzwischen haben sich sechs Tatverdächtige der Polizei gestellt. Ein siebter wurde von Zivilfahndern festgenommen. Die mutmaßlichen Täter sind vorwiegend Jugendliche – laut Polizei besteht die Gruppe aus 15- bis 21-Jährigen. Den Angaben zufolge handelt es sich um geflüchtete Syrer und einen Libyer. Die Ermittlungen gegen die Verdächtigen dauern noch an. Die Tat wird als versuchter Mord gewertet.

Der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) äußerte sich kurz nach der Tat gegenüber dem rbb: „In diesen Tagen sollten wir Nächstenliebe erwarten. Stattdessen erleben wir Menschenverachtung.“ Er dankte den Helfern für ihr beherztes Eingreifen. „Das ist Mitmenschlichkeit.“ Vom Berliner Straßenmagazin „Straßenfeger“ gibt es bislang noch keine Stellungnahme zu dem Fall. Auch die Stadtmission war am 28. Dezember bis Redaktionsschluss nicht erreichbar.

Dem rbb zufolge öffnen die Berliner Verkehrsbetriebe jeden Winter einige U-Bahnhaltestellen, damit Obdachlose dort nachts Schutz vor Erfrierung suchen können. Der U-Bahnhof Schönleinstraße war über die Weihnachtstage jedoch ganz regulär geöffnet.

Übergriffe auf Obdachlose auch in Hamburg

Auch in Hamburg kommt es immer wieder zu Gewalt gegen Menschen ohne feste Bleibe. Im November 2001 wurde ein 61-jähriger Obdachloser Opfer eines Brandanschlags und kam knapp mit dem Leben davon, weil andere Obdachlose ihn aus seinem brennenden Schlafsack retteten. Damals waren offenbar auch Zeugen anwesend, doch keiner von ihnen schritt ein. Im Oktober desselben Jahres hatte jemand das Gepäck eines Hinz&Kunzt-Verkäufers angezündet, während er daneben schlief. Im Mai 2013 brannte ein Täter ein ganzes Zeltlager unter der Kennedybrücke nieder. Damals demonstrierten rund 100 Menschen mit einer Kundgebung gegen Gewalt an Obdachlosen.

Autor:in
Annabel Trautwein
Annabel Trautwein
Annabel Trautwein schreibt als freie Redakteurin für Politik, Gesellschaft und Kultur bei Hinz&Kunzt - am liebsten über Menschen, die für sich und andere neue Chancen schaffen.

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