Harburg-Huus für Obdachlose : In dieser Unterkunft sind Hunde erlaubt

Endlich haben Obdachlose in Harburg eine Unterkunft – und ihre Hunde dürfen auch mit. Foto: Simone Deckner

Harburg hat endlich eine Unterkunft für Obdachlose: Am 2. Juli 2018 wurde das Harburg-Huus des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) offiziell eröffnet: 15 Betten für Männer und Frauen stehen bereit. Das Besondere: Auch Hunde sind hier willkommen.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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„Das wird Leben retten.“ Lothar Bergmann vom Harburger DRK redet nicht groß drum herum. Der Präsident des Kreisverbandes zeigt sich bei der offiziellen Eröffnung des Harburg-Huus überzeugt, dass die erste Herberge und Tagesaufenthaltsstätte für Obdachlose in Harburg schnell unverzichtbar wird. Bislang gibt es im Süden Hamburgs nur wenige Angebote für Obdachlose.

Das ist jetzt anders: 15 Betten für Männer und Frauen und ein vielfältiges Programm tagsüber hält das Harburg-Huus im Außenmühlenweg 10b vor: Es gibt Beratung, Hilfe bei der Suche nach einer dauerhaften Unterkunft und gemeinsame Freizeitveranstaltungen. Später soll es zudem Deutsch-Kurse geben.

Bereits jetzt gibt es morgens und abends einen Imbiss für die Menschen, die hier Zuflucht suchen. Auch Duschen, Waschmöglichkeiten und Schließfächer stehen bereit. Das Besondere: Auch die Hunde der Obdachlosen sind hier herzlich willkommen – im Gegensatz zu den meisten anderen Unterkünften.

Nicht ohne meinen Hund

„Es ist gut, endlich mal wieder einen Ort zum Ausruhen zu haben“, sagt Thorsten. Er ist der Erste, der in dem frisch sanierten, mehr als 100 Jahre altem Gebäude übernachtet hat. Und das Beste: Hündin Luna, die dem 51-Jährigen nicht von der Seite weicht, durfte auch mit.

„Wir wissen von vielen Obdachlosen, dass sie lieber weiter Platte machen, wenn sie ihren Hund nicht mit in die Unterkunft nehmen können“, sagt Thorben Goebel-Hansen, der die Unterkunft leitet, darum habe man sich für diese Regelung entschieden.

Roter Teppich für die Obdachlosen. Thorsten und Hündin Luna waren die ersten Übernachtungsgäste im Harburg-Huus. Fotos: Simone Deckner.

Natürlich seien die Kapazitäten begrenzt, aber Goebel-Hansen hofft, dass sich andere Unterkunfsträger vom Harburg-Huus inspirieren lassen: „Ich würde mich freuen, wenn auch andere diese Idee aufnehmen würden“, sagte er.

Trotz sommerlicher Temperaturen ist der Andrang auf die Betten in den Ein- bis Vierbettzimmer bereits groß: „Wir waren tatsächlich schon ein mal voll ausgebucht“, so Goebel-Hansen. Kurzerhand wurde ein Feldbett aufgestellt.

Das Ziel des Einrichtungsleiters ist es, niemanden abzuweisen oder zumindest ein Alternativangebot bereitzustellen. „Aber ich frage mich schon: Wie wird es erst im Winter?“

Bildergalerie: Eröffnung Harburg-Huus

Beziehungen aufbauen

Goebel-Hansen betont, dass das Harburg-Huus mehr ist als eine Notunterkunft. „Wir wollen unsere Gäste nicht verwahren, wir wollen eine Beziehung zu ihnen aufbauen und ihnen helfen, aus ihrer prekären Situaton herauszukommen.“ Zwei Sozialarbeiter sind hierfür vor Ort, insgesamt ist das Harburg-Huus mit 15 Mitarbeitern und zusätzlichen Ehrenamtlichen personell sehr gut ausgestattet.

Laut Bezirksamtssprecherin Bettina Zech sollen derzeit mindestens 15 Obdachlose in Harburg leben. „Aber die Dunkelziffer kann ganz anders aussehen“, sagt Zech.

Das Harburg-Huus wird komplett durch Spenden, Fördergelder und DRK-Eigenmittel finanziert. Das Hamburger Spendenparlament und die Deutsche Fernsehlotterie steuerten beide rund 100.000 Euro bei. Auch viele Harburger hätten Patenschaften übernommen, berichtet DRK-Vorstand Harald Krüger erfreut. „Neulich hat mir etwa die Kassiererin im Supermarkt neue Bettwäsche angeboten, die sie noch übrig hatte.“ Auf derartige Großzügigkeit sei man im Harburg-Huus angewiesen.

„Harburg-Huus"
Harburg bekommt erste Obdachlosen-Unterkunft
Im „Harburg Huus“ des Deutschen Roten Kreuzes sollen Übernachtungsplätze für 15 Menschen geschaffen werden – auch für solche mit Hund. 102.000 Euro dafür übernimmt das Hamburger Spendenparlament.

Kein Geld von Stadt und Bezirk

Nicht so großzügig zeigt sich die öffentliche Hand: Weder vom Bezirk Harburg noch von der Sozialbehörde fließen bislang Gelder ins Harburg-Huus. Im Bezirk wurde aber auch keine Förderung beantragt, so Sprecherin Bettina Zech. Ein Vorgespräch in der Sozialbehörde hätte ebenfalls rein informierenden Charakter gehabt, so Sprecher Marcel Schweitzer auf Hinz&Kunzt-Nachfrage. Die Sozialbehörde begrüße das Engagement des DRK jedoch ausdrücklich: „Das liegt ja auch in unserem Interesse. Es ist schön, wenn ein anderer Träger das ausprobiert.“

Die Herangehensweise ist jedoch eine andere: Während die Sozialbehörde im städtischen Winternotprogramm bei osteuropäischen Obdachlosen hart durchgreift, etwa so genannte Perspektivberatungen verlangt und Rückfahrtickets anbietet, sortiert das DRK Harburg die Obdachlosen im Harburg-Huus nicht aus: „Wir fragen niemanden nach seinem Pass, bei uns werden alle Menschen gleich behandelt“, so Krüger.

Er könne sich aber ohnehin kaum vorstellen,  „dass sich jemand in Bulgarien in den Bus setzt, nur um hier in Harburg zu übernachten“, sagt Krüger. Unterkunftsleiter Goebel-Hansen ergänzt: „Der Anteil an Osteuropäern ist nicht größer als bei Menschen aus anderen Ländern. Zu uns kommen etwa auch Menschen aus Spanien.“

Nach sechs Monaten Umbau ist das Harburg-Huus offiziell eröffnet: Schirmherr Rüdiger Grube (Mitte) im Kreise der Initiatoren vom DRK und Spendern beim Zerschneiden des roten Bandes. Foto: Simone Deckner.

Schirmherr Rüdiger Grube, selbst Harburger, sagt bei der Eröffnung, Obdachlosigkeit können jeden treffen. Er verspricht den Mitarbeitern des Harburg-Huus, sie beim Einsammeln von Spenden „tatkräftig zu unterstützen.“ Grube, der in seiner Amtszeit als Bahnchef für seinen Umgang mit Obdachlosen teilweise kritisiert worden war, zeige „ehrliches Interesse“ an dem Projekt, sagt Unterkunftsleiter Goebel-Hansen, das zähle. Zudem habe er mit der Bahn-Stiftung bereits zehn Jahre das Projekt Off Road Kids für Straßenkinder unterstützt. „Uns geht es um die Sache“, sagt Goebel-Hansen.

Harburg-Huus

15 Betten für Männer, Frauen und auch Platz für Hunde: das gibt es im Harburg-Huus im Außenmühlenweg 10b. Öffnungszeiten sind täglich von 9.30 bis 17 Uhr und dann wieder von 19 Uhr bis 8.30 Uhr. Das Harburg-Huus ist auch bei Facebook.

Domink Bloh rüttelt auf

Um die Sache geht es auch Dominik Bloh. Der einstige Obdachlose und heutige Bestseller-Autor liest eine Passage aus seinem Buch „Unter Palmen aus Stahl“. Seine Worte bewegen die Anwesenden sichtlich: „Wir haben Glück, wir trinken hier gerade Sekt und freuen uns, aber wir alle haben auch einen Kampf zu kämpfen. Füreinander da zu sein, das ist das Wichtigste. Dieser Verantwortung müssen wir uns alle bewusst werden“, sagt er – kein Drum herumreden, auch hier nicht.

Autor:in
Simone Deckner
Simone Deckner
Simone Deckner ist freie Journalistin mit den Schwerpunkten Kultur, Gesellschaft und Soziales. Seit 2011 arbeitet sie bei Hinz&Kunzt: sowohl online als auch fürs Heft.

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