Vor zehn Jahren klagten Anwohner:innen in Harburg gegen ein Hospiz in ihrer Straße. Heute kann die Nachbarschaft gut leben mit dem Tod in ihrer Mitte.
Polster aus Schnee bedecken im Januar Carports und Buchsbaumhecken am Blättnerring. Ein stillgelegtes Bobbycar überwintert am Straßenrand. An vielen Haustüren glänzt noch Weihnachtsschmuck und tröstet über die grauen Vorgärten hinweg. Und an der Kehre steht, ausgestreckt, als wolle es die Nachbarschaft umarmen, das Hospiz für Hamburgs Süden.
Ein Haus für Sterbende, mitten im Harburger Wohngebiet – vor gut zehn Jahren stieß das einigen bitter auf. „Wenn ich morgens beim Frühstücken aus dem Fenster schaue, möchte ich nicht, dass mir die Wurst im Hals stecken bleibt“, sagte eine Anwohnerin dem „Spiegel“, der kurz vor Eröffnung über das Hospiz berichtete. Einige fürchteten einen Wertverlust ihrer Eigenheime, Ärger mit Besuchs- und Lieferverkehr in der Spielstraße, andere sagten ganz offen: Sie wollten nicht ständig Leichenwagen begegnen. Der Spiegel zitierte eine Mutter: „Ich würde meinen Kindern gern den Anblick des Todes ersparen.“ Empörte Kommentare flankierten die Berichterstattung. „Bitte sterben Sie woanders“, titelte die „taz“. Dachten sie wirklich so am Blättnerring?
„Es war etwas kurios“, sagt Katrin Sachmann, die direkt neben dem Hospiz lebt. Das Rote Kreuz habe damals eingeladen, um über den Kauf des früheren Gemeindehauses und die Umbaupläne zum Hospiz zu berichten. Doch die Presse war schneller. „Auf einmal standen Journalisten vor der Tür und wollten Stellungnahmen zu Dingen, von denen man noch gar nichts wusste“, erzählt Sachmann. „Da wurde unsere Nachbarschaft ein bisschen in ein schlechtes Licht gerückt.“ Bei der Infoveranstaltung seien es vor allem Leute aus anderen Straßen gewesen, die Vorbehalte gehabt hätten. Die meisten am Blättnerring hätten das Hospiz von Anfang an unterstützt.