Feuer an den Landungsbrücken : Ein Schock fürs Leben

Die beiden Obdachlosen Slawomir (43, links) und Krzysztof (31) entkamen den Flammen. Krzysztof trug schlimme Brandverletzungen davon. Sein Partner Slawomir ist inzwischen verstorben. Sein Tod steht laut Gericht nicht im Zusammenhang mit dem Brand. Foto: Jonas Füllner

Obdachlose sind Kälte, Nässe und Gewalt schutzlos ausgeliefert. Ein Brandanschlag auf ihre „Platte“ hätte Slawomir und Krzysztof fast das Leben gekostet. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Hinz&Kunzt Randnotizen

Freitags informieren wir per Mail über die Nachrichten der Woche:

Auch ein paar Wochen nach dem Brandanschlag auf ihr Schlaflager wirken die beiden Obdachlosen Slawomir und Krzysztof verstört. „Ich habe immer Angst“, sagt Krzysztof, der Verbrennungen zweiten Grades in der rechten Gesichtshälfte erlitten hat.

Es muss etwa 2.30 Uhr gewesen sein, als Slawomir in der Nacht auf den 31. Januar erwachte. An seinem Schlafplatz im Parkdeck an den Landungsbrücken habe er etwas Warmes an der Hüfte gespürt, erinnert sich der Pole. Als er die Augen aufschlug, brannte sein Schlafsack. „Ich habe geschrien und Krzysztof geweckt“, erinnert sich Slawomir. Nur weil sie reaktionsschnell aus ihren Schlafsäcken gesprungen waren, überlebten sie das Feuer.

Es war größte Schreck ihres Lebens. „Die Flammen waren überall“, sagt Slawomir, der bis heute kaum schlafen kann. In letzter Sekunde hatte er sich die brennende Jacke vom Körper gerissen. Geblieben sind Verbrennungen an der Hüfte, die entsetzlich schmerzen. Krzysztof wiederum sieht seit der Attacke schlecht mit dem rechten Auge. Und die Ärzte teilten ihm bereits mit, dass er wohl dauerhaft Narben im Gesicht behalten wird.

Auch ihr gesamtes Hab und Gut ist verbrannt. Wichtige Dokumente, alte Arbeitsverträge und Ausweispapiere sind für immer verloren. Halbnackt hätten sie in der Kälte auf Polizei und Feuerwehr gewartet. Ein Rettungswagen brachte die beiden anschließend ins Klinikum St. Georg. Nach nur einer Nacht mussten sie wieder raus auf die Straße. Mit offenen Brandwunden, die jetzt notdürftig von der mobilen Hilfe weiter versorgt werden.

Zugleich haben sie aber auch viel Zuspruch erfahren, sagt Krzysztof. Die Polizei stattete sie mit neuer Kleidung aus. Sozialarbeiter wiesen ihnen einen Platz im Winternotprogramm am Baumwall zu. Und sogar andere Obdachlose solidarisierten sich mit den Angegriffenen. Einer der obdachlosen Helfer heißt ebenfalls Krzysztof. Ihn begleiten wir im Rahmen unserer Serie Kalter Asphalt durch den Winter. „Sie haben Angst davor, zurück auf die Straße zu müssen“, sagt der 50-Jährige, der für uns das Gespräch mit den Polen übersetzt. Krzysztof war es auch, der die beiden zur polnisch sprechenden Sozialarbeiterin in der Tagesaufenthaltsstätte in der Bundesstraße schleppte. Das war ganz wichtig. Denn jetzt haben die Brandopfer einen eigenen Anwalt, der für sie Schadenersatz vom Täter einklagen soll.

Die Polizei konnte mithilfe von Überwachungskameras schnell einen Verdächtigen ermitteln und festnehmen. Nun bereitet die Staatsanwaltschaft eine Anklage vor – wegen versuchten Mordes oder gefährlicher Körperverletzung.

Warum man solch einen schrecklichen Angriff auf sie verübt habe? Slawomir zuckt mit den Schultern. „Wir hatten überhaupt keine Probleme auf unserer Platte“, sagt der 43-Jährige.

Artikel aus der Ausgabe:

Hanna kämpft für Straßen-Kids

Unsere Themen im März-Heft: Wie Straßenkinder für ihre Rechte kämpfen. Warum Hamburger den City-Hof retten wollen. Dazu: Teil 5 unserer Serie „Kalter Asphalt“ und vieles mehr.

Ausgabe ansehen
Autor:in
Jonas Füllner
Jonas Füllner
Studium der Germanistik und Sozialwissenschaft an der Universität Hamburg. Seit 2013 bei Hinz&Kunzt - erst als Volontär und inzwischen als angestellter Redakteur.

Weitere Artikel zum Thema