Dank Reemtsma: Obdachlose im Hotel : Ein bisschen wie bei Freunden

Den Corona-Leerstand will das Bedpark-Team für einen guten Zweck nutzen: Hinz&Kunzt Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer mit Hotelmanagerin Myléne Delattre (links) und Lisa Wost vom Marketing. Foto: Mauricio Bustamante

Hinz&Kunzt, Diakonie und Alimaus bringen bis zu 250 Obdachlose in Hotelzimmern unter. Wir haben die ersten Hotelgäste im Bedpark im Schanzenviertel besucht.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Stephan Karrenbauer wuchtet eine Kiste die Treppe zum Hotel hoch. Plastiktüten mit Hygieneartikel für die bislang 18 Gäste im Bedpark. Eigentlich wollte er jedem Obdachlosen hier einen prall gefüllten Kulturbeutel schenken.

„Aber ich durfte bei Budni nur zwei mitnehmen – von wegen Hamsterkäufe“, sagt der Sozialarbeiter von Hinz&Kunzt. Und so sind es jetzt schnöde Plastiktüten …

Obdachlose? Hotel? Kulturbeutel? Eine ungewöhnliche Kombination? Ist es auch. Aber durch eine Spende der Firma Reemtsma Cigarettenfabriken ist es möglich: „Wir können endlich das umsetzen, was wir die ganze Zeit von der Sozialbehörde fordern: Menschen, wenn sie es wollen, in Einzelzimmern unterbringen.“ Denn Reemtsma hat der Tagesstätte Alimaus und Hinz&Kunzt jeweils 150.000 Euro gespendet – genau für diesen Zweck.

Draußen auf der Stresemannstraße tost der Verkehr, aber drinnen finden die Gäste saubere, helle Zimmer mit einem Fernseher. Ganz leicht, sich hier zuhause zu fühlen, wenn auch nur auf Zeit. Foto: Mauricio Bustamante

Wie der Zufall es will, hatte sich Bedpark fast zeitgleich wie Reemtsma bei Hinz&Kunzt gemeldet. Da war uns noch nicht klar, dass auch die Alimaus 150.000 Euro bekommen würde. Wir haben sofort zugegriffen. Klar war allerdings: Für uns alleine ist das Projekt zu groß. Deswegen hatten wir uns entschieden, die Straßensozialarbeiter von Caritas und Diakonie zu fragen, ob sie kooperieren wollen. „Sie betreuen die Menschen auf der Straße, kennen sie am besten und können dann auch im Hotel mit ihnen Kontakt halten“, so Stephan Karrenbauer. Gemeinsam besprachen sie das Vorgehen: „Wer einen Obdachlosen ins Hotel eincheckt, hinterlässt seine Visitenkarte und bleibt für die Zeit im Hotel der Ansprechpartner.“ Inzwischen ist das Projekt viel größer geworden. Und die Diakonie hat einen Koordinator gestellt, der weitere Hotels akquiriert. Insgesamt sollen bis zu 250 Obdachlose für mindestens vier Wochen untergebracht werden. Geplant ist auch, dass die Menschen vor Ort mit Lebensmittelgutscheinen oder Essen versorgt werden sollen.

Hinz&Künztler Reiner ist einer der ersten Hotelgäste. Er ist nur mitgekommen, weil er ein Einzelzimmer bekommen hat. Mit fremden Menschen, die Probleme haben, in einem Zimmer zu schlafen, „das halte ich einfach nicht aus“. Foto: Mauricio Bustamante

Einer der ersten Hotelgäste im Bedpark ist Hinz&Künztler Reiner. Der 57-Jährige lebte seit vier Jahren auf der Straße. Erst war seine Frau gestorben, die er sehr geliebt hat. Dann hatte der Vermieter ihm wegen Eigenbedarf gekündigt.. „Ich hatte keine Kraft mehr und bin einfach gegangen“, sagte er. Eingecheckt hat ihn Straßensozialarbeiter Johan Graßhoff. „Er wusste, dass es mir schlecht geht“, sagt Reiner, der gehbehindert ist und oft Schmerzen hat. „Ich hatte ihm gesagt, dass ich nicht mehr kann.“ Mitgekommen ist er aber nur, weil er ein Einzelzimmer bekommen hat. „Sonst wäre ich auf der Straße geblieben“, sagt er. In ein Mehrbettzimmer mit anderen Menschen mit Problemen – wie im Winternotprogramm – würden ihn mit oder ohne Corona keine zehn Pferde mehr bringen. Er hat es ausprobiert. „Ich habe es dort einfach nicht ausgehalten“, sagt er. Mitten in der Nacht hatte er damals seine Sachen gepackt, sich unten auf drei Stühle gelegt „und gewartet, bis um 6 Uhr endlich die erste S-Bahn fuhr.“

Und wie war die erste Nacht im Hotel – nach vier Jahren Straße? „Es war ein schönes Gefühl“, sagte Reiner mit Inbrunst. „Alleine schon deswegen, weil ich mich jetzt auch wieder duschen kann. Ich bin ja sonst immer zum Bahnhof, ,aber die haben ja wegen Corona zugemacht.“ Schmunzelnd fügt er hinzu: „Ich hab allerdings auf dem Boden geschlafen, weil ich es nicht mehr gewohnt bin, im Bett zu schlafen.“

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250 Hotelbetten für Obdachlose
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Hinz&Kunzt und die Tagesaufenthaltstätte Alimaus bringen zusammen mit der Diakonie Hamburg so schnell wie möglich bis zu 250 Obdachlose in Hotelzimmern unter. Finanziert wird das Hilfsprojekt durch die Reemtsma Cigarettenfabriken GmbH.

Dass sich Reiner hier so wohl fühlt, liegt mit Sicherheit auch an denen, die den Laden schmeißen: die Myléne, die Lisa oder der Jörg. Alle duzen sich hier, das ist Politik des Hauses. „Es soll dazu beitragen, dass sich alle Gäste, egal ob Touristen aus aller Welt oder eben Obdachlose hier willkommen fühlen“, sagt Hotelmanagerin Myléne Delattre. „Ein bisschen wie bei Freunden.“

Froh ist sie darüber, „den Leerstand für einen guten Zweck nutzen zu können“. „Als die Resonanz von Stephan zurückkam: ‚Wie toll, dass ihr das anbietet!“, war das für uns eine richtige Beflügelung. Gerührt ist Myléne auch über ihre neuen Gäste: „Sie sind so lieb und dankbar.“

So wie die beiden polnischen Obdachlosen Krzysztof und Michael. Die Wintermonate hatten die beiden Freunde in einem Kirchencontainer im Rahmen des Winternotprogramms verbracht. Aber der war Ende März geschlossen worden. „Da haben wir wieder auf der Straße geschlafen.“ Dass sie jetzt im Hostel wohnen können: ein Glücksfall. Auf eigenen Wunsch teilen sie sich einen Raum, „weil wir immer zusammen sind“. Das Zimmer ist sauber, hell und freundlich, erzählen sie, und jeden Tag komme die Putzfrau. „Die soll aber nicht viel arbeiten“, sagt Michael. Deswegen versuchen sie, Ordnung zu halten und sich nützlich zu machen. Gerade haben sie den Innenhof gefegt. Und Michael, der eigentlich Gärtner ist, würde am liebsten den Garten etwas verschönern.

Krzysztof ist seit 14 Jahren in Deutschland, seit zehn Jahren auf der Straße. Gearbeitet hat er meistens als Maler und Tapezierer. „Aber schwarz“, sagt er. Foto: Mauricio Bustamante

Krzysztof ist schon 14 Jahre in Deutschland, hat meistens als Maler gearbeitet, „Aber schwarz, verstehst du“, sagt er. Alles klar: Er bezieht kein Arbeitslosengeld oder Hartz IV. Wie Reiner sind die beiden Hinz&Künztler heilfroh, dass sie über den Corona-Fonds eine Überlebenshilfe bekommen.

Reiner hat sich im Hotel schnell eingewöhnt. Er schläft natürlich inzwischen im Bett. Er hat sogar Träume für die Zeit danach: Er hofft, nicht mehr zurück auf die Straße zu müssen. Ob er vielleicht eine kleine Wohnung finden könnte? Und er kann sich sogar vorstellen, zum Jobcenter zu gehen und Hartz IV zu beantragen. Vielleicht mit etwas Unterstützung von Johan oder Stephan. „Endlich komme ich zur Ruhe.“

Autor:in
Birgit Müller
Birgit Müller
Birgit Müller hat 1993 Hinz&Kunzt mitgegründet. Seit 1995 ist sie Chefredakteurin.

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