Winternotprogramm startet : „Das ist wie Lotto“

Großer Andrang vor dem Wohnungslosenzentrum der Diakonie. Foto: Mauricio Bustamante

Am Mittwochmorgen sind viele der begehrten Wohncontainerplätze für Obdachlose verlost worden. Sie sind Teil des Winternotprogramms. Wer einen Platz zugelost bekommt, hat darauf über die gesamten Wintermonate Anspruch – und kann zumindest etwas Ruhe finden.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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„Die letzte Nacht war schon ziemlich kalt, es wird immer härter draußen zu schlafen“, erzählt Yuriy. Der 53-Jährige Ukrainer gehört zu den ersten, die sich am Mittwochmorgen vor der Tagesaufenthaltsstätte (TAS) der Diakonie eingefunden haben. Hier werden die begehrten Containerplätze für die Wintermonate verlost. Sie sind Teil des Winternotprogramms, werden aber ehrenamtlich betreut. Meist teilt man sich einen solchen Container zu Zweit – und darf dort, anders als in den Großunterkünften des Winternotprogramms, auch tagsüber bleiben. Außerdem bieten die Wohncontainer deutlich mehr Privatsphäre als die Großunterkünfte. Yuriy, der seit Mai in Deutschland lebt, in Parks schläft und Arbeit als Pizzabäcker sucht, hofft auf einen solchen Platz.

Hohe Nachfrage nach Wohncontainern

Damit ist er nicht allein: Die Nachfrage nach den rund 130 Containerplätzen ist viel höher, als das Angebot. Diese Plätze sind staatlich finanziert, werden aber ehrenamtlich betreut. Nach den 98 Plätzen, die an diesem Mittwochmorgen verlost werden, ist die Nachfrage besonders hoch, sie richten sich an Männer. 15 weitere Plätze sind Frauen vorbehalten, dazu kommen noch 6 Container für Paare. Alle Container stehen auf Flächen von Kirchengemeinden. Nachdem in den vergangenen Jahren immer weniger Gemeinden bei dem Winternotprogramm mitgemacht hatten, verzeichnet die Diakonie jetzt wieder einen Anstieg der Platzzahlen. Die Zusammenarbeit funktioniere gut, bestätigt TAS-Leiterin Melanie Mücher.

„Die letzten Nächte waren hammerkalt“– Lukas, seit vier Jahren obdachlos

Auch der Hinz&Künztler Robert und sein Bekannter Lukas stehen in der Kälte und warten darauf, dass die Platzvergabe endlich beginnt. Die beiden Polen schlafen ebenfalls im Freien – zumindest, solange die Temperaturen das erlauben. Im vergangenen Winter hatte Robert Glück und konnte einen Containerplatz in Bergedorf ergattern. „Und ich bin ich bei einem Bekannten untergekommen“, erzählt Lukas, der fließend deutsch und polnisch spricht und dabei hilft, das Gespräch mit Robert zu dolmetschen. Auch er hofft in diesem Winter auf einen der Containerplätze. Sollte er kein Glück haben will er in eine der Großunterkünfte gehen, Hauptsache runter von der Straße: „Die letzten Nächte waren hammerkalt“, berichtet er.

Platzvergabe im Losverfahren

Vor der Tagesaufenthaltsstätte stehen rund 120 Männer. Jeweils etwa zehn von ihnen werden eingelassen, um nacheinander einen Briefumschlag zu ziehen. In denen befindet sich dann das große Los, nämlich ein Platz im Wohncontainer – oder die große Enttäuschung: „Leider haben Sie keinen Containerplatz“, steht auf diesen Zetteln. Stattdessen wird über die sonstigen Angebote des Winternotprogramms informiert. Also die 650 Schlafplätze die laut Sozialbehörde vom städtischen Betreiber fördern&wohnen in der Friesenstraße und der Kollaustraße betrieben werden.

Die Frage danach, ob man in den Wintermonaten ein eigenes Zimmer hat, wird durch das Losverfahren zum Glücksfall. Yuriy, Robert und Lukas ziehen allesamt eine „Niete“ und sind bitter enttäuscht. Robert flucht auf polnisch. Lukas meint: „Es sind Minus zwei Grad, was bleibt mir übrig, ich gehe jetzt in eine der Großunterkünfte.“ Die öffnen allerdings erst am Freitag, 1. November. Zwei Nächte in der Kälte stehen Lukas, so wie vielen anderen, also noch bevor.

Besser lief es für Dimitru und Manuel. Die beiden Hinz&Künztler kennen sich gut und haben einen gemeinsamen Container zugewiesen bekommen. Der liegt zwar etwas außerhalb, aber das stört sie gar nicht: „Hauptsache einen Container.“ Dennoch wirken sie nicht euphorisch. Vielleicht liegt das auch daran, dass ihr Bekannter Tadarciuc, der gegenüber sitzt, kein Glück hatte: „Tja, das ist wie Lotto“, sagt er nur enttäuscht.

Autor:in
Lukas Gilbert
Lukas Gilbert
Studium der Politikwissenschaft in Hamburg und Leipzig. Seit 2019 bei Hinz&Kunzt. Zunächst als Volontär, seit September 2021 als Redakteur.

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