Brot-Zeit

Die Hip Hopper Schiffmeister und Dr. Renz im Interview

(aus Hinz&Kunzt 133/März 2004)

Die drei Hamburger von „Fettes Brot“ sind seit Jahren eine feste Größe im deutschen Hip Hop. Momentan basteln sie an einem neuen Album, eine erste Single soll im Sommer zu hören sein. Wir trafen Dr. Renz und Schiffmeister in ihrem Studio und sprachen mit ihnen über Winnetou, verwirrende Wahlprognosen und sorgenfreie Jugend.

H&K: Wenn ihr jetzt nicht mit Musik euer Geld verdienen könntet, was wäre dann eure Berufung?

Schiffmeister: Ich hätte gerne Journalistik oder auch Lehramt studiert. Obwohl, ich bezweifle…

Dr. Renz: Soll ich’s mal sagen? Du hättest nach dem zweiten Semester abgebrochen und würdest bis heute erfolgreich Drogen dealen! (lacht) Ich wollte eigentlich Werbetexter werden. Nach dem Zivildienst hätte ich mir aber auch Behindertenbetreuung vorstellen können.

Schiffmeister: Von wegen, du hättest dein Studium gnadenlos durchgezogen, wärst ein verfetteter, hohlköpfiger Werber geworden und wärst nach einem zehnstündigen Fickmarathon auf Koks an einem Herzinfarkt gestorben!

H&K: Zum Glück ist euch das ja erspart geblieben. Wir waren etwa elf Jahre alt, als wir „Die da“ von den Fantastischen Vier und damit bewusst den ersten Hip-Hop-Track hörten. Was war der erste Rap-Song, an den ihr euch noch erinnern könnt?

Dr. Renz: Was deutschen Hip Hop angeht, haben die Fantas auf jeden Fall früh dazugehört. Ebenso die Flowmatics oder auch Advanced Chemistry mit ihrem Song „Fremd im eigenen Land“ sind mir noch deutlich in Erinnerung. Das war das erste Mal, dass deutsche Rapmusik mich richtig berührt hat.

Schiffmeister: Mein erstes Rapstück war natürlich ein amerikanisches, es hieß „Hey you the rock steady crew“. Das war zur Breakdance-Zeit, so ’84. Außerdem mochte ich die Beasty Boys und die zweite Run-DMC-Platte.

H&K: Wann habt ihr gewusst, dass Hip Hop euch liegt?

Dr. Renz: Ich hab’s bei DeLaSoul gemerkt, die haben sofort mein Herz erobert.

Schiffmeister: Ich habe aber nie ausschließlich Rap gehört, und das ist bis heute so geblieben.

H&K:Wie sehr inspirieren euch andere Musik-richtungen?

Dr. Renz: Man hört es ja auf unseren Platten, dass wir unterschiedliche Musikrichtungen mögen. Eben genau das ist für mich Hip Hop: ein Schmelztiegel verschiedenster Musik, die man neu verarbeitet.

H&K:Wie schafft ihr es eigentlich, euch nicht ständig zu wiederholen? [F]Schiffmeister:[/F] Jetzt nach zehn Jahren gibt es schon Momente, wo wir denken: Aha! Da hat es sich wieder eingeschlichen! Ein altes Fettes-Brot-Thema. Dann fragen wir uns kurz, ob wir dem Thema irgendeine neue Note geben können, und dann machen wir das auch. Ich hab mal genau nachgezählt, und es gibt 1,7 Milliarden Songs über die Liebe, wovon viele auch gelungen sind. Man kann ein Thema doch von vielen Seiten betrachten.

H&K: Welche Rolle im deutschen Hip Hop schreibt ihr euch zu? Handeln eure Songs nicht nur vom Partymachen? Wir denken da an die Zeile „Baby, lass das Denken nach, heute wird gerockt!“

Schiffmeister: Das ist nur ein Teil unserer Band… natürlich sprechen wir auch andere Gefühlsebenen an. Aber anscheinend sind das die Songs, die den Leuten im Gedächtnis bleiben.

Dr. Renz: Es stimmt eben nicht, dass wir nur übers Feiern rappen. Aber wenn unsere Musik immer gute Laune macht, ist das doch wunderbar.

H&K: Für diese Ausgabe haben wir Jugendliche nach ihren Vorbildern gefragt. Was waren eure Vorbilder?

Schiffmeister: Mein Vorbild früher war Winnetou, der war Häuptling der Apachen, hatte nette Freunde… der coolste Typ überhaupt!

Dr. Renz: Auch die Drei ??? waren natürlich Helden unserer Jugend… Wir wollten so schlau sein wie Justus Jonas, so sportlich wie Peter Shaw und so schnell lesen können wie Bob Andrews.

H&K: Seid ihr gute Vorbilder für die Jugend?

Schiffmeister: Ich bin sehr skeptisch, was die Vorbildfunktion von Popstars angeht. In die Stars werden so viele Ideale reingedacht, nach dem Motto: „Die sind viel klüger als ich, die haben für mich sogar schon Drogen ausprobiert, um zu merken, dass sie schlecht sind!“ Aber das funktioniert so nicht.

Dr. Renz: Ich glaube eher, dass wir uns an Jugendlichen ein Vorbild nehmen können! Früher waren wir auch noch mutiger und sorgenfreier. Das ist etwas, was man sich bewahren sollte, denn wenn man erst einmal erwachsen ist, muss man sehr viel Verantwortung übernehmen.

H&K: Habt ihr ein Patentrezept für orientierungslose Jugendliche?

Schiffmeister: Einfach nicht mehr so viel denken! Das könnte eventuell helfen. Ansonsten: Ritalin und Drogen aus der Apotheke holen… Nein im Ernst, man darf nicht hoffnungslos werden, das ist ein guter Gedanke.

H&K:Was haltet ihr davon, dass inzwischen jeder zweite „Hamburg“ auf seiner Kleidung stehen hat? Ist das „nordish by nature“?

Schiffmeister: Ich glaube, dass dieser vermeintliche Lokalpatriotismus nur ein Modegag ist.

Dr. Renz: Das Logo ist doch richtig geil! Das Hamburg-Wappen auf Kleidung zu nähen ist eine modische Glanzleistung… Wappen sind sowieso gerade in.

Schiffmeister: Ja, Fettes Brot erfinden bald auch ihr eigenes Wappen!

H&K: Was haltet ihr davon, dass Hamburg neu wählen musste?

Schiffmeister: Erstaunlicherweise haben die Bürger dieser Stadt, die Presse und die SPD es versäumt zu hinterfragen, wie Ole von Beust es geschafft hat, jetzt als Saubermann und großer Befreier von diesem furchtbaren Schill dazustehen. Er ist doch dafür verantwortlich, dass Schill zwei Jahre regiert hat! Wie konnte das komplett unter den Tisch gekehrt werden? Ich weiß nicht, wie viel Prozent der Hamburger Bürger gesagt hätten, Schill wäre der eigentliche Bürgermeister gewesen! Wäre der Senat eine gecastete Boyband, wäre Ole von Beust im Viertelfinale rausgeflogen.

H&K: Habt ihr noch eine dringende Botschaft an die Welt?

Schiffmeister: Ich habe eine kleine Nachricht an den HVV: Ich finde öffentliche Verkehrsmittel voll gut und hohe Ticketpreise voll schlecht. Überlegt mal, ob man da nicht was ändern könnte! Und das tollste ist: Ich setz mich gleich ins Auto und fahr nach Hause.

Das Interview führten Hanning Voigts, Marco Kasang und Veronica Pohl

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